Eröffnung am Donnerstag:Finis Bavariae

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Eine sehenswerte Ausstellung im Grafinger Stadtmuseum widmet sich der Revolution von 1918/19

Von Annalena Ehrlicher, Ebersberg

Ein Verwechslungsspiel bei einer Entführung; ein Dorf, das Widerstand leistet; am Ende der Sturz der Monarchie - was wie ein Sequel der " Drei Musketiere" anmutet, sind Bestandteile der aktuellen Sonderausstellung im Museum der Stadt Grafing. "Das Alte stürzt, es ändern sich die Zeiten", mit diesem - Schillers Tragödie "Wilhelm Tell" entlehnten - Ausruf hat Museumsleiter Bernhard Schäfer die Sonderausstellung überschrieben, die den Auswirkungen der bayerischen Revolution 1918/1919 auf den Landkreis gewidmet ist.

Über vier Räume erstreckt sich das Nachkriegspanorama: "Die Endkriegssituation steht hier gewissermaßen am Anfang", erläutert Schäfer und deutet auf die Vitrine, in der die Sterbebilder gefallener Soldaten aus dem Landkreis den "Blutzoll, den die Menschen gezahlt haben" illustriert, wie er sagt. Daneben sind die in Sütterlin verfassten Lageberichte des Bezirksamtmanns Max Aigner an seine Vorgesetzten über die Situation im Landkreis ausgestellt. "Da wird schnell klar, dass die ländliche Bevölkerung hier ganz andere Probleme hatte als die in der Stadt", kommentiert Schäfer. "Das sieht man natürlich auch an den Ergebnissen der Landtagswahlen im Januar 1919", fügt er hinzu und deutet auf die Zahlen für den Landkreis sowie für Bayern. 1919 war der Bayerische Bauernbund - "eine etwas radikale Ständevertretung, die durchaus links war" - im Bezirk Ebersberg zweitstärkste Kraft. Der Abstand zur Bayerischen Volkspartei, der Vorläuferin der CSU, war dabei minimal.

Seine Bilanz über den Kampf gegen die Rote Armee zog der rechtskonservative Freikorpsanführer Rudolf Kanzler in einem Buch. (Foto: Peter Hinz-Rosin)

Kurt Eisners Unabhängige Sozialdemokratische Partei Deutschlands (USPD) hat unterdessen im Landkreis nie eine Rolle gespielt: "Der große Teil der Bevölkerung wollte zwar Veränderungen - aber die Vorstellungen der USPD teilte eben nur ein Bruchteil der Menschen." Kriegsmüde und bereit für Veränderungen sei man auch in Ebersberg gewesen: "Selbst die Abschaffung der Monarchie stieß auf Zustimmung - aber mit einer Herrschaft des Proletariats konnte man sich eben in einem Landkreis, in dem viel mehr Bauern als Arbeiter gelebt haben, eher weniger anfreunden."

Ein Anliegen der Ausstellung im Grafinger Museum ist es, die damaligen Unterschiede zwischen Stadt- und Landbevölkerung nicht nur darzustellen, sondern auch zu erklären: Dass sich viele Ebersberger den rechtskonservativen Freikorps angeschlossen haben, die letztlich die Rote Armee geschlagen und die Räterepublik unter Rudolf Egelhofer wieder gestürzt haben, sollte nicht überbewertet werden, so Schäfer: "Nicht jeder, der bei der Zerschlagung des Rätesystems geholfen hat, war ein Extremist", erklärt er. "Vieles, was in deren Herrschaftszeit passiert ist, ging den Ebersbergern einfach gegen den Strich."

Der Reichsminister inspiziert die Einwohnerwehr auf dem Grafinger Marktplatz. (Foto: Peter Hinz-Rosin)

So wurde beispielsweise der Hausherr von Schloss Zinneberg entführt und konnte nur knapp vor seiner Erschießung aus der Geiselhaft in München befreit werden. "Wohl eine Verwechslung", sagt Schäfer, der davon ausgeht, dass das eigentliche Ziel der Entführung ein Angehöriger des Eisner-Mörders Anton von Arco war. "Dazu gab es hier im Landkreis einige Fälle von Erpressungsversuchen und Korruption, was die Stimmung gegenüber den Kommunisten nicht verbessert hat", kommentiert der Stadtarchivar.

Das Misstrauen gegen die Kommunisten blieb - gerade auf dem Land - auch nach der Niederschlagung der Räterepublik bestehen. So ist in der Grafinger Ausstellung ein Plakat aus dem Juni 1919 zu sehen, mit dem dazu aufgerufen wurde, die Freikorps aufzulösen und stattdessen "Einwohnerwehren" zu gründen: Eine Teilnahme wurde von der "regierungstreuen Bevölkerung" erwartet. Drakonische Strafen trafen diejenigen, die auch nur im Verdacht standen, der Roten Armee anzugehören. "Der Gegenschlag gegen die Revolutionäre war immens", so Schäfer, "da spürt man die Verrohung aus dem Ersten Weltkrieg".

Neben den zahlreichen offiziellen Zeugnissen der Revolutionswirren hat es das schmale, handgeschriebene Buch eines Grafingers in den vierten Ausstellungsraum geschafft: Julius Schwagers "Markt Grafing während der Revolutionszeit". Herrlich düster beklagt der Autor die bewegte Zeiten: Nun habe Bayern tausend Jahre selbstbestimmt existiert, nur um nach der Revolution nun an diesem Punkt zu stehen: "Finis Bavariae" - dem Ende Bayerns.

Die Sonderausstellung "Die Revolution von 1918/19 in ihren Auswirkungen auf den Grafinger Raum" im Museum der Stadt Grafing: Vernissage am Donnerstag, 25. Oktober, um 19.30 Uhr, zu sehen bis 10. Februar.

© SZ vom 24.10.2018 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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