Erlebnis Bauernhof:Milchbärte im Kuhstall

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Melina (vorne) füttert mit ihren Klassenkameraden die Kühe mit Heu. Leonhard Veicht vom Nirschlhof zeigt ihnen zusammen mit seiner Frau den Stall. (Foto: Peter Hinz-Rosin)

Zum Weltschulmilchtag haben Grundschüler aus Grafing den Nirschlhof besucht und einiges gelernt

Von Franziska Bohn, Grafing

"Ich hab einen weißen Bart!", ruft ein Mädchen mit einer bunten Strickmütze auf dem Kopf. In der Hand hält es eine Tasse, die zur Hälfte mit Milch befüllt ist. Es nimmt einen großen Schluck: "Voll lecker!" Um das Mädchen herum tummeln sich weitere kleine Milchbärte, einige Kinder haben auch Käsestücke in der Hand, die sie sich in den von Milch umrahmten Mund stecken. Eine dritte Klasse der Grundschule in Grafing ist heute zu Besuch beim Nirschlhof in Grafing. Anlässlich des Weltschulmilchtages lernen sie, wo die Milch eigentlich herkommt und warum sie wichtig für den Körper ist. 40 Länder machen mit, von Südafrika, über Südkorea bis Neuseeland. "Wer mag noch mehr Milch?", fragt Maria Veicht vom Nirschlhof die kleinen Milchbärte. Fast alle Tassen werden ihr entgegengestreckt.

Vor der Verköstigung haben die Kinder bereits gelernt, woher die Milch kommt und warum sie wichtig für den Körper ist. Die Ernährungsfachfrauen Jutta Löbert und Johanna Heigl halten Karten in die Höhe, auf denen beispielsweise ein Skelett gedruckt ist. Milch ist gut für die Knochen: "Das Kalzium und das Eiweiß in der Milch ist wichtig, damit ihr groß und stark werdet. Deswegen müsst ihr Milch trinken!" Die Kinder sitzen auf Bierbänken im Innenhof und hören aufmerksam zu.

"Die Schülerinnen und Schüler sollen Milch erleben", sagt Anna Bucher, Schulmilchbeauftragte am Amt für Ernährung, Landwirtschaft und Forsten in Ebersberg. Früher haben laut Bucher hier fast alle Kinder eine Verbindung zur Landwirtschaft gehabt, heute haben sich von 28 Schülern nur fünf gemeldet. Der Welt-Milchwirtschaftsverband und die FAO-Welternährungsorganisation der Vereinten Nationen haben im Jahr 2000 den Weltschulmilchtag ins Leben gerufen. Sie wollen heute auch auf das Schulmilchprogramm der Europäischen Union aufmerksam machen. Dieses soll die Wertschätzung von Milch steigern. Dabei erhalten Grundschüler und Kindergartenkinder kostenlos Milch und ausgewählte Milchprodukte. Kombiniert mit dem Lernprogramm "Erlebnis Bauernhof" sollen die Kinder heute vor allem anhand der Praxis lernen.

Auch Franziska Pfluger, stellvertretende Kreisbäuerin, lobt die Verknüpfung von Theorie und Praxis: "Das ist ein sehr gutes Projekt, es ist immer wichtiger, von klein auf den Kindern zu vermitteln, woher die Produkte eigentlich kommen."

Und deshalb dürfen die Kinder jetzt in den Kuhstall schauen. Sofort stürmen sie los, der Hofhund rast ihnen hinterher. Bisher hatte er für Streicheleinheiten herhalten müssen. Eine Kuh schaut genüsslich kauend aus dem Stall. Einige Kinder begrüßen sie mit "Muh"-Rufen. Als die Kuh zurückmuht, ist die Begeisterung groß. Im Stall riecht es nach Heu, die meisten Kühe sind mit Fressen beschäftigt. Dass die Kinder sie streicheln, stört sie nicht. Vom Stall dürfen die Kühe auch nach draußen auf die Weide laufen, an einer großen Bürste können sie sich den Rücken schrubben. Auf dem Nirschlhof leben keine Hochleistungskühe. Gefüttert werden sie nur mit Heu und Gras.

"Wir haben 50 Kühe und einige Kälber. Jede Kuh gibt circa 20 Liter Milch am Tag", erklärt Maria Veicht. Der "Bauernhof macht Schule" findet bei ihr das ganze Jahr über statt. Auch außerhalb des Weltschulmilchtages kommen Schulklassen zu Besuch. "Wir merken, dass es da einen Bedarf gibt. Viele Kinder haben den Bezug zur Landwirtschaft verloren."

Im Stall schnappt eine Kuh nach einem großen Büschel Heu, die Hälfte landet auf ihrem Maul, die Kinder lachen. Ein paar Meter neben ihr steht eine Kuh, mit Nasenring und dunklen Rändern um den Augen. Es sieht aus, als sei sie geschminkt.

"Welche Kuh gibt überhaupt Milch?", fragt Veicht die Kinder. Ein Mädchen weiß die Antwort: "Die Kuh, die ein Kalb hat!" Vielen Kindern und auch Erwachsenen sei das nicht bewusst. Dennoch geben die Kühe genug Milch, damit auch noch das Kalb satt wird, beruhigt die Landwirtin die Kinder. Die Schulklassen, die sie auf dem Hof besuchen, stellten immer viele Fragen.

Ein Kalb jagt im hinteren Teil des Stalls einem davonlaufenden Huhn hinterher, ein anderes liegt gemütlich im Heu. Ein paar Kälber sind erst zwei Tage alt. Schon nach ein paar Stunden nach der Geburt können sie laufen, erklärt Veicht. Die Kinder sind beeindruckt. Angst haben sie vor den Kühen nicht. Die achtjährige Melina steht mit ihrem rosafarbenen Käppi vor dem großen Stier und streichelt vorsichtig seine Stirn. Er hat lockiges Fell, aber keine Hörner. "Dürfen wir die Kühe auch melken?", fragt ein Junge. Doch dafür sind sie zu spät dran - gemolken wurde bereits um sechs Uhr morgens. Aber den Melkstand dürfen die Kinder später anschauen.

"Pferde mag ich nicht so gerne, Kühe aber schon, und vor dem Stier hab ich auch keine Angst", sagt Melina stolz und schmeißt ihm noch mehr Heu vor sein Maul. Die Kuh daneben lässt einen Kuhfladen fallen. "Scheiße, stinkt das!", ruft ein Junge neben ihr. "Kühe müssen halt auch mal aufs Klo", antwortet Melina ihm nüchtern.

© SZ vom 09.10.2019 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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