Entscheidung im Vaterstettener Bauausschuss:Ende und Anfang

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Seit vergangener Woche wird dank vorzeitiger Baugenehmigung schon am neuen Gewerbegebiet gearbeitet, nun ist auch der Bebauungsplan fertig. (Foto: Christian Endt)

Nach mehr als zwei Jahren Planung ist das dritte Gewerbegebiet für Parsdorf nun endlich beschlossen

Von Wieland Bögel, Vaterstetten

Dass Politik Theater sei, ist natürlich ein meist unzutreffender Vorwurf. Manche Parallelen zwischen der politischen und der thespischen Bühne gibt es indes doch: Beide kennen die immer wieder wiederholten Klassiker. Ein solcher war die in den Gremien der Großgemeinde geführte Debatte um das dritte Gewerbegebiet in Parsdorf, am Dienstag war gewissermaßen letzte Vorstellung. Der Bauausschuss fasste den Satzungsbeschluss des Bebauungsplanes, damit kann das Vorhaben umgesetzt werden.

Geplant ist, auf einem Grundstück an der Gruber Straße nördlich der A 94, direkt an der Gemeindegrenze zu Poing, zwei große Unternehmen anzusiedeln. So soll BMW bereits vom kommenden Jahr an ein Logistikzentrum dort betreiben, in dem etwa 200 Leute arbeiten sollen. Auf dem größten Teil des rund 40 Hektar großen Areals soll der Maschinenbauer Krauss-Maffei seine bisher in Allach angesiedelte Produktionsstätten samt Verwaltung aufbauen. Voraussichtlich 2022 soll der Umzug beginnen und bis 2027 abgeschlossen sein. Dann könnten etwa 2500 weitere Arbeitsplätze in Parsdorf entstehen.

Frühestens von diesem Zeitpunkt an würde sich das Projekt auch für die Gemeinde rechnen, in Form von Gewerbesteuer. Ursprünglich war der Plan, bereits an der Vermarktung der Flächen mitzuverdienen, dies hätte schnelles Geld für die Gemeindekasse bedeutet. Dazu hatte man in Vaterstetten eine gemeinsame Entwicklungsgesellschaft mit der Immobilienfirma VGP gegründet, die bei Neufarn vor einigen Jahren ein Grundstück erworben hatte, das allerdings unbebaubar ist. Dieses sollte gegen das Grundstück an der A94 getauscht werden - der Freistaat Bayern als Eigentümer verlangte allerdings einen zusätzlichen finanziellen Ausgleich.

Dass die beiden Flächen nicht gleichwertig sind, war zwar weitgehend unstrittig, über die Höhe der Differenz wurde aber mehr als ein Jahr lang verhandelt. Im Raum standen Summen von 60 bis mehr als 100 Millionen Euro. Am Ende ging es der Gemeinde wie dem Pokerspieler mit zu wenig Chips in der Hand: Freistaat und VGP - das Unternehmen selbst gibt die Investitionssumme für Parsdorf III mit rund 500 Millionen Euro an - erhöhten den Einsatz so lange, bis Vaterstetten die Luft ausging. Die Gemeinde gab ihr Drittel am Gewerbepark an VGP zurück.

Wie viel am Ende für das Grundstück bezahlt wurde, dazu äußerte sich weder der Freistaat noch VGP. Dennoch dürfte das Geschäft für Land und Investor am Ende eine Win-win-Situation sein: Mehr Ertrag für die einen, mehr Unabhängigkeit für die anderen, die bei der Vermarktung sicher nicht auf den Kosten sitzen bleiben dürften.

Ob bei der Gemeinde ebenfalls irgendwann Geld ankommt, darüber gab es nun im Bauausschuss unterschiedliche Prognosen. "Wir hoffen, dass sich die Einnahmesituation verbessert, aber ob und wann Gewerbesteuer fließt, ist offen", so SPD-Gemeinderätin und Bürgermeisterkandidatin Maria Wirnitzer. Stefan Ruoff (Grüne) nannte die Aussicht auf mehr Steuereinnahmen sogar "sehr unsicher", so wisse niemand, ob Krauss-Maffei als Teil eines chinesischen Staatskonzerns überhaupt je Steuern in Vaterstetten zahlen werde. Zumindest dies sei sicher, entgegnete Zweiter Bürgermeister Martin Wagner (CSU), "es wird immer da bezahlt, wo der Sitz ist".

Wirnitzer kritisierte außerdem, dass man zwar 40 Hektar Landschaft verbrauche, dort aber nur zwei Unternehmen ansiedele. Dies mache das Projekt krisenanfällig, besser wäre ein Mix aus kleinen Firmen gewesen. Dies könne man ja trotzdem noch machen, sagte Renate Will (FDP), etwa in kleineren Arealen in der Kerngemeinde. Dass ein solches Projekt immer auch ein Risiko sei, wolle sie gar nicht bestreiten, "aber wenn wir nichts machen, ist das bei unserer Einnahmesituation auch ein Risiko". Ähnlich argumentierten Herbert Uhl (FW) und Stefan Huber (CSU). Gegen den hohen Flächenverbrauch habe er auch seine Bedenken, so Uhl, "aber den verhindern wir nicht, wenn es dann die Nachbarn bauen". Auch Huber verwies auf die Entwicklung in der Region: Vaterstetten könne "nicht das kleine gallische Dorf sein, dafür fehlt uns der Zaubertrank", man sei dringend auf die Einnahmen angewiesen.

Dies sah am Ende auch die Mehrheit im Ausschuss so, der Satzungsbeschluss wurde gegen die Stimmen von Ruoff, Wirnitzer und Manfred Schmidt (FBU/AfD) gefasst. Was letzterer - ebenfalls ein steter Mahner gegen den Flächenverbrauch - mit den Worten kommentierte: "Und damit nimmt das Verhängnis seinen Lauf." Keinen Kommentar gab es vom Ersten Bürgermeister Georg Reitsberger (FW), allerdings hatte dies rechtliche Gründe. Da ein Teil der Ausgleichsflächen auf seinen Grundstücken liegt, durfte er als Betroffener weder an der Debatte noch an der Abstimmung teilnehmen.

© SZ vom 19.09.2019 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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