Entscheidung am Sonntag:Ebersberg hat die Wahl

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Die vielen Wahllokale im Landkreis sind gut gerüstet für einen hoffentlich großen Andrang am Sonntag zur Europawahl. (Foto: Christian Endt)

Schon vor der Abstimmung über das Europaparlament an diesem Sonntag haben viele Landkreisbürger ihre Stimme per Post abgegeben. Die Gesamtbeteiligung könnte deshalb vergleichsweise hoch ausfallen

Von Andreas Junkmann

Wohin steuert Europa? Diese Frage ist in den vergangenen Wochen und Monaten vielfach gestellt worden. Am Sonntag werden die etwa 400 Millionen wahlberechtigten EU-Bürger eine Antwort darauf geben. Wenn bei der Europawahl über die Zusammensetzung des Europäischen Parlamentes abgestimmt wird, dürfen auch etwa 110 000 Bürger im Landkreis Ebersberg an die Wahlurnen treten. Schon jetzt spricht viel dafür, dass sich neben dem Zuwachs auf dem Wahlzettel - von 24 Parteien und Gruppierungen in 2014 auf nun 41 - auch die Wahlbeteiligung deutlich erhöhen wird. Und das liegt nicht nur an der erstmaligen Wahlerlaubnis für betreute Menschen.

Gemeinhin gelten ja die gestellten Briefwahlanträge als ein erster Indikator dafür, wie hoch die Beteiligung an einer Wahl sein wird. Während vor fünf Jahren noch 47,64 Prozent der Landkreisbürger ihre Stimme abgeben haben, sieht es heuer so aus, als hätten die Wahlhelfer am Sonntag deutlich mehr Zettel auszuzählen. Die Möglichkeit zur Briefwahl werde gut angenommen, die Beteiligung nehme täglich zu, heißt es auf Nachfrage aus dem Ebersberger Landratsamt. Das scheint noch fast untertrieben zu sein, angesichts dessen, was die gemeindlichen Wahlleiter in den Tagen vor der Abstimmung zu berichten haben.

"Themen wie der Brexit bewegen die Leute. Das merkt man schon", sagt Leonhard Kogler. Er hat in der Stadt Grafing den Überblick über die Auszählung und scheint von der Anzahl der bisher gestellten Briefwahlanträge fast selbst ein bisschen überrascht zu sein. "Ja, das ist heuer schon sehr stark", so Kobler. In Zahlen ausgedrückt sieht das für Grafing wie folgt aus: 10 618 Einwohner sind zur Teilnahme an der Europawahl berechtigt, davon haben bis Mitte der Woche gut 3000 Bürger die Unterlagen zur Briefwahl beantragt - knapp ein Drittel der Grafinger hat also bereits per Post gewählt. Auf einen ähnlich hohen Wert kann man auch in Zorneding verweisen. Wie Bürgerservice-Leiterin Eva Möller sagt, seien von den etwa 6850 Wahlberechtigten schon 2000 Wahlscheine per Brief zurückgekommen. "Insgesamt dürften es wohl so um die 2100 werden", vermutet Möller. Das wäre dann für Zorneding eine etwa doppelt so hohe Briefwahlbeteiligung wie bei der Europa-Abstimmung fünf Jahre zuvor.

Eine deutliche Steigerung stellt auch Erik Ipsen, Geschäftsleiter der Stadt Ebersberg, fest. "Das ist schon auffällig. Die Beteiligung ist stärker als bei der letzten Europawahl, viel stärker." Vier Tage vor dem Stichtag hatten bereits 2200 der insgesamt 8682 wahlberechtigten Ebersberger ihre Stimme abgegeben. 2014 sind insgesamt nur 1650 Briefwahlanträge eingegangen. Ob die Wahlbeteiligung dieses Mal tatsächlich so viel höher ist, werde sich Ipsen zufolge aber erst am Sonntag zeigen. "Vielleicht gehen ja dafür dann weniger an der Urne wählen", so der Geschäftsleiter. Der Trend der hohen Briefwahlbeteiligung setzt sich indes auch in Poing fort. Auch hier hat sich die Anzahl im Vergleich zur letzten Wahl verdoppelt. 2901 Anträge bei 10 478 Wahlberechtigten seien bislang eingegangen, teilt die Gemeinde auf Nachfrage mit.

Neben der in diesem Jahr vermeintlich höheren Brisanz der bereits als "Schicksalswahl" titulierten Abstimmung, dürfte wohl auch eine neue Wählergruppe ins Gewicht fallen. Zum ersten Mal können aufgrund einer Gesetzesänderung heuer auch Menschen, die unter Betreuung stehen, ihr Kreuz auf dem Stimmzettel machen. Unter anderem die Beschäftigten in den Steinhöringer Werkstätten betreten damit Neuland, für viele ist es die erste Wahl in ihrem Leben. Landkreis und Gemeinden wollen die verspäteten Erstwähler bei der Premiere so gut es geht unterstützen. In den Amtsstuben etwa liegen seit Wochen Infobroschüren mit dem Titel "Wahlhilfe in leichter Sprache" aus, ein Leitfaden auf dem Weg zur demokratischen Mitbestimmung.

Wozu diese in Europa führen wird zeigt sich Anfang nächster Woche, wenn die endgültigen Ergebnisse der 27 EU-Mitgliedsstaaten vorliegen. Die Stimmauswertung für den Landkreis Ebersberg erfolgt noch am Wahlsonntag - und vor allem die CSU dürfte dann auf ein deutlich besseres Abschneiden als vor fünf Jahren hoffen. Damals gab es für die Christsozialen im Landkreis eine schallende Ohrfeige, denn mit 38,14 Prozent haben sie ihr bis dato schlechtestes Ergebnis bei einer Europawahl eingefahren. Die SPD dagegen konnte 2014 ihren Abwärtstrend der Vorjahre stoppen und sich mit 18,17 Prozent als zweitstärkste Kraft vor die Grünen mit 15,53 Prozent schieben.

Die erstmals bei einer Europawahl angetretene AfD brachte es 2014 im Landkreis auf 8,74 Prozent der Stimmen, damit dürften sich die Rechtspopulisten in diesem Jahr aber wohl nicht mehr begnügen. Gleiches gilt für FDP und Freie Wähler, die beide nach den ernüchternden 3,78 und 3,56 Prozent in diesem Jahr deutlich Luft nach oben haben.

Gleich vier Parteien konnten heuer im Wahlkampf auf mehr oder weniger prominente Unterstützung aus dem Landkreis bauen. Allen voran die CSU, für die sich Angelika Niebler aus Vaterstetten bereits zum fünften Mal für einen Sitz im Europaparlament bewirbt und auf Listenplatz zwei hinter Spitzenkandidat Manfred Weber geführt wird. Für die AfD geht der Steinhöringer Christoph Birghan ins Rennen, bei Listenplatz 23 scheint ein baldiger Umzug nach Brüssel aber eher unwahrscheinlich. Gleiches gilt für Robert Harrison aus Zorneding, der sich bei der FDP im hinteren Listendrittel einreiht. Und auch die Bayernpartei stellt mit Alexander Müller aus Markt Schwaben und Harold Amann aus Anzing zwei Kandidaten für das Europaparlament - als Ersatzbewerber allerdings ohne realistische Chancen.

Wer die Entwicklung des Wahlabends im Landkreis Ebersberg live verfolgen möchte, der kann am Sonntag auf der Homepage des Landratsamts die aktuellen Ergebnisse abrufen: www.lra-ebe.de

© SZ vom 25.05.2019 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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