Energie:Die Wende schimmert dunkelblau

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Bis 2021 will der Landkreis die Solarstrom-Produktion in den Gemeinden verdoppeln. Helfen sollen das neue Kataster und ein Werbefilm

Von Anselm Schindler, Ebersberg

"Das ist mein Papa und der ist totaaal schlau!" Denn Papa nutzt das Solarpotenzialkataster, das schon so unattraktiv klingt, dass man es lieber mit einer Mädchenstimme beschreibt und es in einen sonnigen Werbefilm packt. So, wie es das Landratsamt Ebersberg getan hat. In dem einminütigen Film erklärt ein junges Mädchen das Kataster, mit dem die Bürger aus den 21 Landkreisgemeinden das Potenzial errechnen können, das auf ihrem Dach schlummert.

Es geht, das verrät schon der Name des Katasters, um Solarenergie. Und das Tool scheint gut anzukommen: "Seit das Kataster online ist haben wir im Schnitt 100 Besucher mehr auf der Homepage pro Tag", freut sich Hans Gröbmayr, Klimaschutzmanager des Landkreises. Bald soll der Werbefilm auch im Grafinger Kino laufen, auch in Bürgerversammlungen soll er künftig gezeigt werden.

Bislang stammen nur rund zehn Prozent des im Ebersberger Raum verbrauchten Stroms von Photovoltaik-Anlagen im Landkreis. Das ist ein Zehntel dessen was möglich wäre - theoretisch könne man den gesamten Stromverbrauch über Photovoltaik-Anlagen abdecken, erklärt Klimaschutzmanager Gröbmayr. Er sagt das ganz nüchtern, die Vision von 100 Prozent grünem Strom ist längst in greifbare Nähe gerückt - zumindest in Sachen Finanzierbarkeit und Technik. Schlussendlich hänge jetzt alles von den Verbrauchern und der Politik ab, sagt Gröbmayr.

Um die Verbreitung der dunkelblauen Platten im Landkreis zu forcieren braucht es eine stabile Datengrundlage. Sie stammt von der Firma Tetraeder Solar: Zweieinhalb Monate wertete die Firma Daten des Vermessungsamtes aus, das den Landkreis alle drei Jahre aus der Luft mit Laser-Technik scannt. Der Scan erfasst präzise den gesamten Landkreis, Dörfer, Felder und Städte. Abgesehen hatte es Tetraeder Solar bei den Daten des Vermessungsamtes auf die Dächer der Ebersberger.

SZ-Grafik; Quelle: Bayernwerk AG, Landratsamt Ebersberg und Tetraeder. Solar GmbH (Foto: ipad)

Gröbmayr hält ein Blatt in der Hand, in einer Tabelle sind die Ergebnisse der Analyse festgehalten. Langsam fährt er mit den Fingern die Tabelle entlang, "da wäre noch unglaublich viel drin", sagt er. Und er hat recht: Knapp 50 Prozent aller Gebäude wären für die Erzeugung von Solarenergie nutzbar, das hat Tetraeder Solar errechnet. Würden sie genutzt, dann wäre die Idee von 100 Prozent Solarstrom bereits Realität. Das zu wissen ist das eine, die Umsetzung etwas anderes.

Rund 36 000 Gebäude im Landkreis bekommen vom Kataster das Prädikat, gut für das Anbringen einer Photovoltaik-Anlage geeignet zu sein. Weitere 9000 Gebäude wären für eine solche Nutzung immerhin "geeignet". In der Praxis waren im vergangenen Jahr im Landkreis nur 3500 Anlagen am Netz.

Das waren immerhin 100 Anlagen mehr als im Jahr zuvor. 3230 waren es 2013, es geht voran, wenn auch in kleinen Schritten. Rechnet man die Solarstrom-Produktion aller Anlagen des Landkreises zusammen, kommt man auf eine Produktion von mehr als 62 Gigawattstunden (GWh) Solarstrom. Drei Jahre zuvor, also im Jahr 2012 waren es noch 46 GWh - eine Steigerung von 35 Prozent.

Doch für Gröbmayr geht auch das nicht schnell genug: Die Rege, Energieagentur des Landkreises strebt eine Verdoppelung der Solarenergie-Nutzung bis 2021 an. Ein Blick auf die Karte des Landkreises zeigt, dass sich der Ausbau der Solarenergie in den jeweiligen Gemeinden ganz unterschiedliche gestaltet. Es gibt vorbildliche Gemeinden, Nachzügler - und ein Nord-Süd-Gefälle.

In Vaterstetten, Ebersberg und Zorneding werden mit Abstand die meisten Anlagen betrieben, in Vaterstetten wurde im vergangenen Jahr mit annähernd acht Millionen Gigawattstunden auch am meisten Solarstrom erzeugt, in den Gemeinden Ebersberg und Forstinning waren es je 7,7 und 5,4 Gigawattstunden. Zum Vergleich: Mit einer Gigawattstunde könnte man eine 60-Watt-Glühbirne 800 Jahre lang leuchten lassen oder ein Jahr lang den Strombedarf von 320 Durchschnitts-Haushalten decken.

Die bevölkerungsreichen und städtisch geprägten Gemeinden im Norden des Landkreises liegen, was die Produktion von Solarstrom betrifft, in absoluten Zahlen vorne, auch Poing und Pliening kommen auf weit mehr als drei Gigawattstunden Solarstrom im Jahr. Doch was den Anteil des Sonnenstroms am Stromverbrauch der jeweiligen Gemeinde betrifft, sind die ländlichen Gemeinden Spitzenreiter, hier führt die Gemeinden Frauenneuharting die Statistik an. Genau wie Emmering, Bruck, Baiern und Forstinning erreicht die Gemeinde einen Solarstrom-Anteil von mehr als 30 Prozent. "Landwirte haben große Flächen auf dem Dach und einen hohen Energieverbrauch", erklärt Gröbmayr, warum gerade in den landwirtschaftlich geprägten Orten der PV-Stromanteil am höchsten ist.

Viel unausgeschöpftes Potenzial sieht Gröbmayr auch in den Gewerbegebieten des Landkreises: Für Unternehmen die am Tag produzieren oder für Verwaltungsgebäude sei Solarenergie absolut rentabel, so der Klimaschutzmanager. Denn: Je höher der Eigenverbrauch, desto wirtschaftlicher die Anlage.

Nicht zuletzt aber, erklärt Gröbmayr, hänge der Ausbau der Sonnenenergie im Landkreis auch von den äußeren Rahmenbedingungen ab, von politischen Entscheidungen und technischen Entwicklungen. Die aber sieht er optimistisch: "Wir stehen da ganz am Anfang", sagt Gröbmayr, "Strom aus Photovoltaik zu produzieren wurde in den letzten Jahren immer preiswerter: Eine Kilowattstunde lässt sich auch bei kleineren Anlagen heute schon für rund zwölf Cent produzieren."

Auch die Fortschritte in der Entwicklung der Stromspeicher machten die Solarenergie immer attraktiver, wirbt der Klimaschutzmanager. Genau wie bei den Anlagen an sich, sänken auch die Preise für Speichertechniken kontinuierlich. Und dann sind da noch die Schutzzölle für preiswertere Photovoltaik-Anlagen aus China. Sie könnten im kommenden Jahr fallen - so oder so, der technologische Fortschritt werde auch der grünen Wende in Ebersberg noch mal neuen Auftrieb geben, das zumindest prognostiziert Gröbmayr.

© SZ vom 24.08.2016 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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