Einschneidende Erlebnisse:Mit dem Hammer an der Haustür

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Gerichtsvollzieher, die von Bürgern angegriffen werden, komplizierte Scheidungen und uneinsichtige Raser - ein Rückblick auf das Jahr 2018 am Ebersberger Amtsgericht

Von Clara Lipkowski, Ebersberg

Wenn der Gerichtsvollzieher klingelt, ist klar, das dies kein angenehmer Besuch wird. Dass dieser Job aber auch für den jeweiligen Beamten brenzlig werden kann, mussten mehrere Mitarbeiter des Amtsgerichts im vergangenen Jahr erleben. In einem Fall wurden eine Gerichtsvollzieherin und ein Speditionsmitarbeiter bei einer Zwangsräumung in Vaterstetten mit einem massiven Vorschlaghammer angegriffen. Die beiden wollten im vergangenen Herbst die Wohnung eines Mannes betreten, dieser aber schlug von der anderen Seite der halb geöffneten Eingangstür mit dem Hammer zu. Der Speditionsarbeiter wurde dabei verletzt und erst die Polizei konnte den Man mithilfe von Tränengas stoppen. Einen Monat später wurde eine Gerichtsvollzieherin von einer Schuldnerin erst mit einer Krücke attackiert, dann versuchte die Frau, ihr Haarspray ins Gesicht zu sprühen. Als sich die Gerichtsvollzieherin wehrte, biss die Schuldnerin ihr in die Hand.

Im Jahr zuvor hatte es in Ebersberg solche Vorfälle noch nicht gegeben, sagte Sprecher Markus Nikol am Freitag bei der Jahrespressekonferenz des Amtsgerichts. Er sieht generell ein Problem darin, dass immer öfter Beamte bei der Arbeit angegriffen werden, seien es Feuerwehrleute, Polizisten und nun eben auch Justizbeamte. Deswegen arbeite das Gericht bei entsprechenden Terminen auch eng mit der Polizei zusammen, sagte er.

Grundsätzlich sei man in Sachen Personal relativ gut aufgestellt, sagte er. "Wenn niemand lange erkrankt, ist alles gut", doch wenn dann doch mal jemand länger ausfalle, spüre man, dass man beim Personal "auf Kante genäht" sei.

Viel zu tun hatten die Richter im vergangenen Jahr mit Strafsachen. Um 41 Prozent und damit deutlich gestiegen ist die Zahl der Bußgeldverfahren. 2017 waren es 397 Verfahren, 2018 schon 583. Und dafür sieht Amtsgerichtsdirektor Christian Berg einen einfachen Grund: Die Bauarbeiten an der Schnittstelle der Autobahnen A 94 und A 99. Dort stehe nahe der Grenze zum Landkreis München ein Blitzer und dieser generiere sehr viele Verfahren, sagte er. Die erlaubte Geschwindigkeit sei dort auf 80 Kilometer pro Stunde heruntergeregelt. Wer dort aber 40 Kilometer pro Stunde zu schnell fahre, müsse mit einem Bußgeld von 400 Euro und einem Monat Fahrverbot rechnen. "Das fechten dann viele an und hoffen auf eine Aufhebung des Fahrverbots", sagte Sprecher Nikol. Darauf allerdings könnten nur die wenigsten hoffen. Von einem Fahrverbot sehe das Gericht nur ab, wenn es - etwa aus beruflichen Gründen - "existenzvernichtend" für den Raser wäre. Arbeitsintensiv waren für die Richterinnen und Richter im vergangenen Jahr auch die Zivilsachen, also beispielsweise Streitigkeiten zweier Privatleute um Geld. Im Schnitt musste ein Richter 47,3 neue Verfahren pro Monat bearbeiten - in die er sich jedes Mal neu einlesen muss. Im Vergleich zu 2017 aber war dieser Aufwand dennoch geringer: Während im vergangenen Jahr noch 864 neue Verfahren anhängig geworden waren, waren es 2017 noch 154 mehr.

Erfreulicherweise zurückgegangen ist im 2018 auch die Zahl der Jugendstrafverfahren. Während es 2017 noch 348 waren, sank die Zahl im vergangenen Jahr auf 278. Fast gleich geblieben ist hingegen der Anteil der Familiensachen. 2017 gab es in Ebersberg 864 Verfahren in dieser Abteilung, 2018 waren es noch 868. In den meisten Fällen gehe es dabei um Scheidungen, sagte Nikol. Ein solches Verfahren dauere im Schnitt 7,2 Monate und damit etwa zwei Monate länger als Zivilsachen, erklärte er. Der Grund für die etwas längere Dauer liege darin, dass Scheidungen oft kompliziert seien, wenn es um Vermögen und Kinder gehe, sagte er. Dann müsse aufwendig ermittelt werden, wie hoch Unterhaltszahlungen zum Beispiel an die künftige Ex-Frau und die Kinder seien. Eheverträge gebe es zwar auch immer mal wieder. Diese würden aber oft vor Gericht für unwirksam erklärt, weil sie unrechtmäßig zustande kamen, zur Klärung könnten sie dann nicht beitragen.

Mit Testamenten beschäftigten sich die Rechtspfleger 2018 insgesamt 692 Mal, 296 Testamente wurden in amtliche Verwahrung genommen. Manchmal hätten Verstorbenen zu Lebzeiten mehrere Testamente verfasst, sagte Sprecher Nikol. Dann müsse geklärt werden, welches das letztgültige ist und ob die Person "geschäftsfähig" war, als sie es verfasst hat, also in der Lage den eigenen Willen schriftlich festzuhalten. In insgesamt 1295 Fällen mussten Erben eines Verstorbenen ermittelt werden. Manchmal habe man es hierbei Erbschleicherei zu tun oder es werde in der Familie um das Geld des Verstorbenen gestritten, sagte Nikol. Kurios war, was die Wachtmeister bei der Einlasskontrolle zu Gesicht bekamen: Mehrere Besucher versuchten, verbotene Klappmesser ins Gericht zu schmuggeln. Im Gegenzug erhielten sie eine Anzeige.

© SZ vom 02.03.2019 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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