Einigkeit Europas im Fokus:Erinnern und Erzählen

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Musikalisches Intermezzo mit den Riesengebirgstrachtlern: Uli Moll, Veronika Moll und Markus Bormet (von links). (Foto: Peter Hinz-Rosin)

Beim Tag der Heimat der Vertriebenenverbände in der Grafinger Stadthalle wird nicht nur über den Begriff debattiert, sondern auch über dessen Aktualität

Von Amelie Hörger, Grafing

"Heimatpolitik ist nicht von gestern, sondern hochaktuell und wichtiger denn je", betont Stephan Mayer, Parlamentarischer Staatssekretär beim Bundesinnenminister und Vizepräsident des Bundes der Vertriebenen, in seiner Rede zum Tag der Heimat, welcher alljährlich in der Grafinger Stadthalle begangen wird.

Der gut gefüllte Saal gleicht an diesem Sonntagnachmittag fast einem Laufsteg für die politischen Größen des Landkreises. Denn neben Grafings Bürgermeisterin Angelika Obermayr (Die Grünen) sind auch Landrat Robert Niedergesäß (CSU), Bundestagsabgeordneter Andreas Lenz (CSU), sowie die Landtagsabgeordneten Thomas Huber (CSU) und Doris Rauscher (SPD) erschienen. Selbst Bezirksrätin Susanne Linhart (CSU) winkt der Menge munter zu. Michael Pollak von der Arbeitsgemeinschaft der Landsmannschaften, kommt gar nicht mehr aus dem Begrüßen der Gäste heraus.

Und so kann Niedergesäß, stilecht in der Trachtenjacke, sich freudig die Mühe sparen, denn es seien ja "alle würdig genannt worden". Zum sechsten Mal ist er inzwischen bei der Veranstaltung, dem Tag der Heimat, mit dabei. Besonders wichtig sei ihm der Termin vor allem aufgrund seiner eigenen Geschichte und Herkunft, erzählt er, denn sein Vater musste als Kind selbst aus Oberschlesien fliehen. Darüber hinaus sei die Veranstaltung überaus wichtig, um die Erinnerung an die Geschehnisse, die viele Menschen im Saal selbst am eigenen Leibe erfahren mussten, wach zu halten. Denn man "braucht eine Verbindung zur Vergangenheit", so der Landrat.

Oftmals wird an diesem Nachmittag von der wichtigen jungen Generation gesprochen, die dafür verantwortlich sei, dass Geschichte nicht in Vergessenheit gerate. Doch bei einem raschen Blick durch den Saal wird klar, bei dieser Veranstaltung werden die Festredner eben jene Generation mit ihren Worten bis auf ein paar Ausnahmen wohl kaum erreichen. Eine dieser Ausnahmen ist Veronika Moll, die als Tanzleiterin der Riesengebirgs-Trachtengruppe München in schlesischer Tracht einen Teil ihrer Kultur auf die Bühne bringt. Sie selbst ist zwar in München geboren, fühlt sich jedoch trotzdem sehr verbunden mit ihren Wurzeln. Beide Großmütter kommen aus Schlesien, und Moll sagt selbst, es sei "wichtig zu wissen, wo man herkommt". Deswegen trägt sie die Tracht, bestehend aus weißer Spitze und einer Haube in Lila- und Goldtönen auch stolz. Eigentlich sei das Gewand noch viel aufwendiger und nicht so schlicht gearbeitet, die festliche Garnitur sei aber gerade "in der Wäsche von der Wiesn", sagt die Tänzerin und lacht. In der Grafinger Stadthalle wird sie neben Volkstanz auch das Spiel mit Kuhglocken zeigen wird.

Neben der Betonung einer Erinnerungskultur zieht sich vor allem das Motto "Unrechtsdekrete beseitigen - Europa zusammenführen" durch die Reden. Besonders auf die Einigkeit Europas legen Niedergesäß und Obermayr einen starken Fokus. Positive Beispiele für Städtepartnerschaften, wie die der Gemeinde Vaterstetten mit der kroatischen Stadt Trogir, sowie Austauschprogramme werden als leuchtende Beispiele des Ebersberger Landkreises für intereuropäische Zusammenarbeit angeführt. "Friede ist kein Selbstläufer, er ist keine Garantie", mahnt der Landrat noch an und auch Obermayr macht deutlich: "Europa ist harte Arbeit, jeden Tag."

Dem schließt sich auch Stephan Mayer an. Gerade über den Begriff Heimat sei in den vergangenen Jahren mehr denn je diskutiert worden. Der Staatssekretär für Bau und Heimat lobt die parteiübergreifende Debatte über die Bedeutung des Wortes, macht aber gleichzeitig klar, dass jeder "individuelle Vorstellungen von Heimat" habe. Oftmals spannt er den Bogen zur aktuellen politischen Lage, versucht Gemeinsamkeiten, aber auch Unterscheide aufzudecken. So erklärt er, dass er der Meinung sei, die Empathie der Vertriebenen sei gegenüber den heutigen Asylbewerbern sehr hoch. Gleichzeitig betont er aber auch die Herausforderungen, die Geflohene aus Ländern, die nicht mit den Werten des Christentums aufgewachsen sind, mit sich bringen. Am wichtigsten ist ihm bei diesem Termin in der Grafinger Stadthalle jedoch die "Erlebnisgeneration" zu motivieren, ihre Erfahrungen und Erinnerungen an die folgenden Generationen weiterzutragen, damit auch traumatisierende Ereignisse niemals vergessen werden.

© SZ vom 08.10.2018 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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