Eine Moosacherin im Radioporträt:Musik bestimmt ihr Leben

Lesezeit: 3 min

Schon als Jugendliche war Theresia Rothenaicher bekannt: als eine der drei Halsbacher Sängerinnen. Von dieser Zeit und ihrem weiteren Werdegang erzählt die Lehrerin und Chorleiterin in BR Heimat, wie auch von ihrer Forschungsarbeit, bei der die Moosacherin ein verschollenes Marienlied wiederentdeckte.

Von Michaela Pelz

Besucht man jemanden zum ersten Mal, werden zuweilen schon am Eingang bestimmte Erwartungen wach. Etwa beim Anblick einer Armada von Gartenzwergen. Oder eines Schildes: "Warnung vor dem Hunde!" Manchmal gibt es dabei Überraschungen: Der Gnombesitzer ist kein Spießer, sondern endcool, der vermeintlich furchteinflößende Vierbeiner entpuppt sich als Fußhupe.

Steht man allerdings in Moosach vor dem Haus von Theresia Rothenaicher, kann man sicher sein, drinnen zu finden, was die pausbäckigen Engel mit Gitarre und Geige neben dem Gartentor draußen versprechen: eine Frau, nicht nur voller ansteckender Fröhlichkeit, sondern von frühester Kindheit an randvoll mit Liebe zur Musik. Und zu Kindern.

Sonst wäre die gebürtige Halsbacherin schwerlich Lehrerin geworden. Und vierfache Mutter sowie begeisterte Großmutter. Für den künftigen Besuch des jüngsten Enkels steht im Wohnzimmer schon ein Stubenwagen aus Korbgeflecht bereit - in Sichtweite des Herrgottswinkels und des Flügels, der direkt vor dem großen Fenster zum Garten seinen Platz hat.

Die weiteren Instrumente - das Multitalent spielt Orgel, Geige, Akkordeon, diverse Flöten und Hackbrett und verrät, dass es diesem Repertoire gern noch die Harfe hinzufügen würde - sind im Musikzimmer untergebracht.

Da fragt man sich unweigerlich, ob eine Karriere als Profimusikerin nicht der zwangsläufige Weg gewesen wäre. Immerhin begeisterten Rothenaicher, Elke Müller und Ella Haller bei ihren Auftritten als Halsbacher Sängerinnen von 1971 an zwölf Jahre lang nicht nur das Live-Publikum, zu dem 1982 anlässlich seiner Verabschiedung nach Rom sogar der damalige Kardinal Ratzinger und der Ministerpräsident gehörten, sondern waren auch im Rundfunk zu hören und in der BR-Fernsehsendung "Baierisches Bilder- und Notenbüchl" zu Gast.

Doch da winkt Rothenaicher gleich ab, vor allem, als man zum Vergleich das Hellwig-Duo anführt. "So was ist, wie auch die Original Oberkrainer, Musik für die Touristen. Ebenso wie das Reißerische von Gabalier und Silbereisen. Echte Volksmusik ist immer nur Laienmusik, das macht man nicht beruflich, höchstens, indem man sie unterrichtet. Wichtig ist nicht das Auftreten, sondern das Dabeisein."

Natürlich sei es aufregend gewesen, 1973 in die TV-Studios eingeladen zu werden, denn Moderator Wastl Fanderl war ja sehr berühmt in den entsprechenden Kreisen. "Heute würde man ihn einen ,Influencer' nennen. Er hat die Sache der Volksmusik sehr vorangebracht, indem er zeigte, dass es nicht nur volkstümliche Musik gibt, sondern auch die historisch gewachsene", erklärt Rothenaicher mit Leidenschaft. Ein charismatischer Mensch sei das gewesen, dessen große Gelassenheit und Freundlichkeit einem sofort die Aufregung genommen habe.

Denn bei der Dreistimmigkeit sei es alles andere als einfach, dem eigenen Anspruch zu genügen, "dass es blitzsauber ist". Außerdem habe man sich - im Unterschied zu anderen Gruppen - intensiv mit Balladen beschäftigt, wie etwa die der "Bernauerin", die in bis zu zehn Strophen eine Geschichte erzählen.

Als sie über den Textumfang spricht, fällt ihr auch gleich noch eine Anekdote ein: "In der Tierzuchthalle von Traunstein fiel mir vor 2000 Leuten erst die dritte Strophe nicht mehr ein! Dann zum Glück aber doch noch." Man kann sich gut vorstellen, dass das niemandem aufgefallen ist, falls die quirlige Frau damals auf der Bühne auch nur ansatzweise so mitreißend mit dem Publikum interagiert hat, wie man sie jetzt erlebt.

Vielleicht muss man so sein, wenn man als Musiklehrerin am Gymnasium und als Chorleiterin, die sie aktuell in Moosach und Grafing ist, andere motivieren und begeistern will? Auch Humor schadet sicher nicht - und davon hat die Hobby-Kartenspielerin, die sich bei Schafkopf und Watten entspannt, reichlich. Wovon man sich in "Neulich auf dem Kanapee" selbst überzeugen kann, einer 2001 im Selbstverlag veröffentlichten Anthologie, von der damals erst 13-jährigen Tochter Monika illustriert, mit "heiteren und besinnlichen Episoden aus dem Alltag", ursprünglich verfasst für die viermal jährlich erscheinenden "Moosacher Streifzüge".

Längst nicht Rothenaichers erstes Buch: Schon ihre Zulassungsarbeit zum ersten Staatsexamen umfasst 500 Seiten und ist in Form von Aufsätzen auszugsweise in Büchern abgedruckt. Im Rahmen ihrer Feldforschung zum Thema "Lied, Musik und Tanz im südlichen Landkreis Altötting" hat sie mit zahlreichen Leuten gesprochen, sich alte Weisen vorsingen lassen und dann selbst Noten und Text notiert. So hat sie ein Marienlied aus der Pestzeit wiederentdeckt, das seit vielen Jahren schon verschwunden war, nun aber in Halsbach wieder regulär zur Messe gehört. Auch die Gstanzl und Schnaderhüpfl, für die sie mühsam alte Handschriften entzifferte, haben heute viele Hochzeitslader für sich entdeckt.

Auch darüber hat die frühere Halsbacher Sängerin mit Moderatorin Evi Strehl für die BR-Heimat-Sendung "Servus" gesprochen, die an diesem Freitagnachmittag ausgestrahlt wird. Dabei wird es auch akustische Kostproben des Trios geben, das sich 1983 ja nur aufgrund des Umzugs in den Landkreis Ebersberg aufgelöst hatte. Dem Dreigesang ist "Reserl" seit 1990 mit der Gründung der Steinseer Sängerinnen treu geblieben, während sie im Rahmen des ebenfalls von ihr initiierten Quartetts Steinseer Feiertagsmusi auch schon mal irische Volksmusik macht.

Am Ende hat man zwei höchst anregende Stunden mit einer Frau verbracht, die, (völlig entgegen jedem Klischee) nur zwei Dirndl ihr eigen nennt, aber (selten entsprach das Klischee so sehr der Wirklichkeit) genau so ist, wie man sich eine echte Volksmusikerin vorstellt: herzlich, freundlich, zugewandt. Und voller spannender Geschichten.

Der Beitrag "Servus" - Moderatorin Evi Strehl im Gespräch mit Theresia Rothenaicher - ist am Freitag, 28. Mai, von 15 bis 17 Uhr, im Digitalradio BR Heimat zu hören.

© SZ vom 26.05.2021 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
Zur SZ-Startseite

Lesen Sie mehr zum Thema

Jetzt entdecken

Gutscheine: