Eine griabige Angelegenheit:Für Hinz und Kunz - und Dipfescheißer

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In den kommenden Wochen läuten fünf Laientheatergruppen im Landkreis die neue Saison ein, den Startschuss gibt Hohenlinden. Zum Teil locken die Inszenierungen schon seit beinahe hundert Jahren bis zu 200 Zuschauer je Aufführung in die Säle

Von Johanna Feckl

In seiner "Poetik" beschäftigt sich Aristoteles unter anderem mit verschiedenen Arten, wie man Theater machen kann: eine Tragödie, wenns traurig sein soll, und eine Komödie, wenns lustig sein soll. Eigentlich erstaunlich, dass sich der Platon-Schüler in seinem Werk dann nicht näher mit der Komödie auseinandergesetzt hat. Denn Aristoteles soll es auch gewesen sein, der behauptete: "Lachen ist eine körperliche Übung von großem Wert für die Gesundheit." Gut, wenn der große Philosoph das so sagte, wird's schon stimmen. Da kommt es doch jedem, der viel auf seine Gesundheit hält, ganz gelegen, dass dieser Tage in gleich fünf Gemeinden die Saison der Bauerntheater eingeläutet wird: bayerischer Witz bei Weißbier und Wurstsalat.

In Egmating, Aßling und Baiern verwandelt sich schon seit so vielen Jahren jedes Frühjahr eine Theaterbühne in eine Bauernstube - man könnte meinen, Aristoteles hätte bei den Anfängen noch dabei sein können. Also beinahe. Die Egmatinger Bühne feiert im kommenden Jahr den 100. Geburtstag, ein Jahr später steht das selbe Jubiläum in Aßling an. Und in Baiern wird seit 1930 Theater gespielt. In allen drei Gemeinden ist die Theatergruppe in den jeweiligen Trachtenvereinen integriert. "Aber zum Zuschauen kommen nicht nur Mitglieder", sagt Rosi Sigl aus Baiern. "Da kommt Hinz und Kunz!"

Der Aßlinger Gemeindesaal zum Beispiel fasst 150 Besucher. Dort wird jedes Frühjahr fünf Mal gespielt. In Egmating haben sogar bis zu 200 Zuschauer Platz. Bei Ortschaften, in denen nicht einmal 5000 Einwohner gemeldet sind, könnten also ungefähr 35 Prozent der gesamten Bevölkerung die Aufführung sehen. Auf der Bühne stehen heuer zwischen sieben Schauspieler in Egmating und zehn in Baiern.

Bei den Bairer Winklern rettet die gewiefte Damenwelt die Herren Schnapsbrenner vor dem Gefängnis (Foto: Veranstalter/oh)

"Es ist einfach immer recht griabig bei uns", erzählt Rosi Sigl aus Baiern. Eine eingeschworene Truppe seien sie, und zwar über den Ort hinaus. "Das ist ein gegenseitiges Besuchen: Die unseren tun sich zusammen und fahren zu den umliegenden Bauerntheatern - und die schauen sich dann unsere Sachen an."

Der Theaterverein Hohenlinden geht auf "Brautschau im Irrenhaus". (Foto: Veranstalter/oh)

Vom Zusammenhalt spricht auch Claudia Heidfeld. Die 52-Jährige spielt beim Theaterverein in Hohenlinden seit 35 Jahren und ist damit mittlerweile die Dienstälteste auf der Bühne. "Das ist eine schöne kleine Familie", sagt sie. Familie scheint überhaupt ein Stichwort zu sein, wenn es um Bauerntheater geht. Heidfeld zum Beispiel hat vor vielen Jahren ihren Mann einfach "mitgeschleppt", wie sie sagt. Ihm gefiel's - und er blieb. Und auch ihre beiden Töchter sind mit dabei, wenn es passende Rollen gibt. In Baiern spielen in der diesjährigen Inszenierung von "Die Bayerische Prohibition" drei Brüder mit. Und in Aßling kümmert sich die Enkelin von Angela Röder um die Kinder- und Jugendtheatergruppe. Röder selbst stand mehr als 40 Jahre in Aßling auf der Bühne. In manchen Jahren, wenn keine passende Rolle dabei war, übernahm sie die Aufgabe der Souffleuse.

Ohne Irrungen und Wirrungen zwischen den Geschlechtern kommt kaum eine Komödie aus: Bei der "Brettlbühne Vaterstetten" dreht sich diesmal alles um einen "Sauna-Gigolo". (Foto: Veranstalter/oh)

Ein bisschen aus der Reihe bei den Bauerntheatern in der Region tanzt die Brettlbühne Vaterstetten. Nicht nur, weil es dort zweimal im Jahr, im Frühjahr und im Herbst, eine Inszenierung gibt. Sondern auch, weil es gar kein Bauerntheater im klassischen Sinne ist. "Wir haben bestimmt schon 20 Jahre lang kein Stück mehr in einer Bauernstube gespielt", sagt die Vereinsvorsitzende Anni Drescher. Die Baldhamerin spricht lieber von einem Laientheater. Seit 2001 führt sie Regie bei der Vaterstettener Truppe. Mit dem "Sauna-Gigolo" werde nun seit langem mal wieder eine Komödie aufgeführt.

Was aber alle fünf Bühnen gemeinsam haben: Alle Menschen, die dabei sind, bringen große Leidenschaft mit. Denn wenn man bedenkt, wie viel Zeit dieses Hobby in Anspruch nimmt, ist für die 65-jährige Drescher klar: "Das macht man andernfalls einfach nicht." Im Januar kam sie mit ihrer Truppe zur ersten Leseprobe für das aktuelle Stück zusammen. Am kommenden Freitag ist Premiere. Ähnlich sieht es in Egmating, Baiern, Hohenlinden und Aßling aus. Seit Jahreswechsel wird zwei oder drei Mal in der Woche geprobt, jeweils mindestens zweieinhalb Stunden. "Aber die Auswahl des Stücks beginnt schon im September", erzählt Angela Röder aus Aßling.

Das Besondere am Bauerntheater ist für Claudia Heidfeld aus Hohenlinden schnell erklärt: Man kenne eben jeden einzelnen, der auf der Bühne stehe. "Da ist dann der Nachbar auf einmal ein Polizist - und ein ziemlicher Dipfescheißer obendrauf!" Das sei zum einen für das Publikum sehr amüsant. Und zum anderen: Dieses Hineinschlüpfen in andere Charaktere, sie mit Gedanken, Bewegungen und Emotionen auszufüllen - das mache auch etwas mit den Schauspielern. Zumindest ist das die Erfahrung der 52-Jährigen. "Das hilft im täglichen Umgang mit Menschen, dass man öfter auch mal in die andere Richtung rüberdenkt."

© SZ vom 16.03.2019 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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