Ebersberger Amtsgericht:Von Suff und Wut

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Ein 19-Jähriger wird nach mehren Straftaten zu einem Jahr Alkoholverbot in der Öffentlichkeit verurteilt

Von Nathalie Stenger, Ebersberg

Dass Alkohol in zu großen Mengen manchmal nicht das allerbeste Verhalten fördert und nicht nur der eigenen Gesundheit schaden kann, das hat ein 19-Jähriger aus dem südlichen Landkreis nun im Zuge seiner Verhandlung am Ebersberger Amtsgericht deutlich zu spüren bekommen: Er wurde nun wegen mehrerer Straftatbestände unter anderem zu einem einjährigen Alkoholverbot in der Öffentlichkeit verurteilt.

Es sind vier Vorfälle, die Richter Markus Nikol während der Verhandlung immer wieder nannte. In einer Nacht Mitte August 2019 soll der damals 18-Jährige am Bahnhof Kirchseeon drei Glasscheiben eingeschlagen haben, was einen Sachschaden von 1 200 Euro verursachte. Etwa zwei Monate später kam es zu einer Auseinandersetzung am Baldhamer Bahnhof zwischen zwei Gruppen, bei welcher der Angeklagte einer jungen Frau absichtlich gegen das Bein getreten haben soll, woraufhin diese aus der offenen Tür der S-Bahn fiel und sich eine Prellung am Bein zuzog. Sie wurde noch in derselben Nacht im Krankenhaus behandelt. Wenig später soll er willentlich die Notentriegelung der Bahn getätigt haben. Mitte März dann soll sich der Angeklagte mit drei Freunden unerlaubt auf dem alten Bahnschwellenwerk nahe des Bahnhofs Kirchseeon aufgehalten haben, eine Woche später, so heißt es in der Anklageschrift, habe er Fahrräder am selben Bahnhof getreten und beschädigt. Hier liegt der Schaden bei hundert Euro. Meist, so wurde im Verlauf der Verhandlung deutlich, war bei den Vorfällen eine beträchtliche Menge an Alkohol im Spiel.

Die beiden jüngsten Vorkommnisse räumte der Angeklagte ohne große Erklärung ein, doch zu den älteren Vorwürfen sagte er aus: Die Glasscheiben habe er nach einer Party zerschlagen, als er Freunde zur S-Bahn begleitet habe. Eine gemeinsame Freundin sei zuvor auf dem Fest angegriffen worden, den Schuldigen habe man aber nicht ausmachen können, weshalb er wütend gewesen sei. Der nächste Vorfall ereignete sich laut dem Angeklagten ebenfalls auf dem Heimweg nach einer Party. Ein Freund habe zu viel getrunken, weshalb sich die Gruppe für das Verhalten des Freundes bei anderen Personen auf dem Bahnsteig entschuldigte. "Der eine Mann meinte, unser Freund solle dann halt nicht so viel trinken", so der 19-Jährige, "aber der andere ist auf die Provokation eingegangen". Es sei zu einer Schlägerei gekommen, bei welcher er schlichten habe wollen, aber dann selbst angegriffen und somit sauer geworden sei. Er habe einen bestimmten Gegner aus der anderen Gruppe mit seinem Fuß treten wollen, dann sei aber die junge Dame im Weg gewesen. Sie habe er nicht treffen wollen. Die Notentriegelung habe er anschließend betätigt, "weil ich mich ungerecht behandelt gefühlt habe, dass sich die anderen außerhalb des geschlossenen Abteils beim Schaffner erklären konnten", sagte er.

Ein Zeuge bestätigte den gemeinsamen unerlaubten Aufenthalt im Bahnschwellenwerk, ein anderer, der bei dem Vorfall mit dem Tritt dabei war, sagte aus, dass er nicht denke, dass der Angeklagte das Mädchen habe treffen wollen. Sie habe schließlich die ganze Zeit nichts gemacht. "Sie stand auf einmal da", erklärte er. Die junge Frau selbst sagte jedoch vor Gericht aus, dass sie sehr wohl die Meinung vertrete, der Tritt sei gezielt gegen sie gerichtet gewesen. Sie sei zu dem Zeitpunkt schließlich als Einzige in der Tür gestanden.

Der Zuständige der Jugendgerichtshilfe und auch die Bewährungshelferin - es ist nicht das erste Strafverfahren für den jungen Erwachsenen - sprachen sich dennoch für den Angeklagten aus. Er sei zuverlässig, kooperativ und ehrlich, hieß es, beim Thema Konsum wirke er reflektiert. Nach einer Kindheit und Jugend mit getrennten Eltern und vielen Umzügen, mit "viel Blödsinn", so der Vertreter der Jugendgerichtshilfe, sei er nun endlich ausgezogen und befinde sich seit Herbst erfolgreich in einer Ausbildung. Man schlage eine Suchtberatung vor und angesichts des Schuldenbergs des Angeklagten - durch einen Vorfall in der Vergangenheit hat der junge Erwachsene eine Summe in Höhe von etwa 45 000 Euro zu zahlen - eine geringe Geldauflage.

Der Angeklagte selbst gab an, seit etwa einem Jahr einen deutlich geringeren Alkoholkonsum zu haben. "Das hat sich mit dem Tagesablauf durch die Arbeit gut gelegt", sagte er. Wie er seine hohen Schulden zurückzahlen wolle, wisse er selbst noch nicht genau.

Die Plädoyers der Staatsanwaltschaft und der Verteidigerin stimmten nahezu überein. Eine schädliche Neigung habe damals sicher vorgelegen, heute sehe es anders aus. Sie halte ein Alkoholverbot für richtig, so die Verteidigerin, ziehe sich der Alkohol doch durch die Taten durch. Nur die Geldstrafe setzte sie niedriger an als die Staatsanwaltschaft.

Letztendlich verurteilte das Schöffengericht um Markus Nikol den Angeklagten zu einem Jahr Alkoholverbot in der Öffentlichkeit, drei Terminen bei einer Suchtberatungsstelle, einem Schmerzensgeld in Höhe von 200 Euro an die junge Frau, die er am Baldhamer Bahnhof getreten hat, außerdem muss er die Gerichtskosten tragen. Positiv angerechnet wurden ihm seine Reue, außerdem lägen die Taten schon eine Weile zurück.

© SZ vom 11.02.2021 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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