Ebersberg:Zwischen Mensch und Maschine

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Jazz als dauernder Laborversuch: Der Saxofonist Johannes Enders präsentiert sein Projekt "Enders' Room". (Foto: privat)

Der Saxofonist Johannes Enders schafft einen elektronischen Klangteppich, zu dem er improvisiert

Von Rita Baedeker, Ebersberg

Der Saxofonist Johannes Enders verbringt gerne Zeit im Studio, das er auch "Laboratorium" nennt. "Da habe ich genügend Muße, ich kann Ideen ausbrüten und neue Songs erst mal liegen lassen", sagt Enders. Am Donnerstag, 15. Oktober, wird der 1967 geborene Meistermusiker beim Festival Ebe-Jazz 15 in der Alten Brennerei spielen, eine Location, die mit ihrem Ambiente aus historischem Gemäuer und Loft ein idealer Raum sein dürfte für "Enders' Room", wie der Weilheimer Musiker und Professor seine Musik umschreibt.

In dem Klangraum, den Enders und sein Quartett füllen, haben 47 Jahre musikalischer Einflüsse und Ideen ihre Spuren hinterlassen. Mit 14 Jahren beginnt er, Alt-Saxofon zu spielen und sich für Soul und Jazz zu erwärmen. Das ist der Karrierestart. Damals sind Stars wie Stevie Wonder, Quincy Jones, James Brown, Charlie Parker und John Coltrane seine Vorbilder. Enders studiert am Richard-Strauss-Konservatorium in München und an der Musikhochschule in Graz. Mit einem Stipendium an der New School in New York verschlägt es ihn in die Metropole des Jazz, wo er mit Leuten wie Brad Mehldau, Chris Potter, Roy Hargrove und anderen spielt.

Nach seiner Rückkehr gründet Enders ein Quartett mit Billy Hart am Schlagzeug, auch die Projekte Enders' Room und Enders' Dome nehmen Gestalt an. Er wird dafür unter anderem mit dem Kulturförderpreis für Musik der Stadt München, dem SWR Jazzpreis, dem Weilheimer Kulturpreis, dem Neuen Deutschen Jazzpreis sowie dem Echo Jazz 2012 ausgezeichnet. Als Sideman spielt er in Karl Ratzers International Septet und der Weilheimer Band Notwist. Auf bislang hundert CD-Einspielungen ist Johannes Enders zu hören.

Die erste CD, mit der Enders die Grenzen zwischen elektronischer und akustischer Musik aufzulösen beginnt, heißt "Monolith". In Ebersberg wird er die 5. Produktion aus seinem Labor präsentieren: "Zen Tauri". "Bei dieser Scheibe sind die akustischen Aspekte stärker als die elektronischen", sagt Enders. Ein Problem hat er allerdings: "Es ist schwer, so was auf die Bühne zu bringen. Man braucht einen guten Sound, Computer. Das ist alles sehr aufwendig." Die Elektronik habe die Aufgabe, einen Klangteppich, einen Rahmen für Improvisationen zu bilden und die Möglichkeiten von Bass und Schlagzeug zu erweitern. Was er mit Erweiterung meint, sind Effekte, Klanggebilde, Toncluster mit Mikro-Intervallen. "Es ist ein Hin und Her zwischen Mensch und Maschine", erklärt Enders. "Die Elektronik allein wäre zu kalt." Die meisten seiner Stücke entstehen am Klavier oder am Drum-Computer - "in Notenschrift."

Pioniere moderner Tonschöpfungen waren zum Beispiel Bela Bartók und György Ligeti. Kein Wunder also, dass Johannes Enders gerade auch Bartók zu seinen musikalischen Stichwortgebern zählt, dazu Igor Strawinsky, John Coltrane, Wayne Shorter, Vertreter der Minimal Music wie Steve Reich und Philipp Glass sowie viele andere. "Man bemüht sich im Jazz gern, so zu klingen wie die Vorbilder und imitiert diese unbewusst", sagt Enders. Er aber wollte konsequent etwas Eigenes machen, etwas Neues. Immerhin kommt er aus einer oberbayerischen Stadt, die den elektronischen Sound zwar nicht erfunden, aber zur Blüte gebracht hat: "Man spricht vom Weilheim-Sound", berichtet Enders und lacht. "Vor zehn Jahren etwa begann hier der Hype mit der Band Notwist, einer Indie-Band, mit der er gemeinsame Projekte eingespielt hat.

"Das Problem heutzutage ist, dass man sich nicht mehr genug Zeit für die Dinge nimmt, das gilt auch für die Musik", bedauert Enders. Da er seit längerer Zeit Vater ist und seit 2009 eine Professur für Jazz-Saxofon an der Musikhochschule Leipzig hat, ist Zeit auch für ihn zum knappen Gut geworden. "Ich kann nicht mehr so viele Stunden im Keller verbringen und da herumschrauben." Ganz lassen kann er es aber auch nicht. Ein Kritiker urteilte: "Immer wenn man meint, man würde die Projekte des Weilheimer Saxofonisten kennen, bringt er etwas an, das wieder aus dem Rahmen fällt."

Johannes Enders und Band spielen am Donnerstag, 15. Oktober, 22 Uhr, in der Alten Brennerei in Ebersberg. Karten im Vorverkauf 8 bis 16, Abendkasse 9 bis 17 Euro.

© SZ vom 12.09.2015 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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