Ebersberg:Zum Improvisieren gezwungen

Lesezeit: 2 min

Die Unterbringung von Flüchtlingen stellt den Kreis vor immer größere Herausforderungen, sogar Zelte sind kein Tabuthema mehr. Mit dem Neubau in Vaterstetten geht es nach wie vor nicht voran

Von Barbara Mooser, Ebersberg

Der G-7-Gipfel hat eine winzige Atempause verschafft: Die strengen Grenzkontrollen haben zur Folge, dass einige Tage lang deutlich weniger Flüchtlinge ins Land gekommen sind. Doch bald wird sich wohl auch im Landkreis die Lage wieder verschärfen, und die Unterbringung der Flüchtlinge wird immer schwieriger. "Wir sind verzweifelt auf der Suche nach Grundstücken", sagt Stefanie Geisler, Leiterin der Abteilung Soziales im Landratsamt. Dass gleichzeitig die Verhandlungen mit dem Freistaat über eine neue Großunterkunft in Vaterstetten seit Monaten stagnieren, stößt zunehmend auf Unmut: "Das dauert alles verdammt lang", sagt Georg Kast, Hauptamtsleiter in Vaterstetten, genervt.

Aktuellen Prognosen zufolge wird der Landkreis bis Ende des Jahres knapp 1200 Asylbewerber beherbergen müssen. Derzeit leben hier genau 805, wobei die 200, die derzeit in der Turnhalle des Gymnasiums Vaterstetten untergebracht sind, gar nicht bei der Quote des Landkreises eingerechnet werden. Dass irgendwann möglicherweise Zelte als Unterkünfte für Flüchtlinge dienen werden, wird inzwischen nicht mehr ausgeschlossen - ähnlich handhaben es auch die Landkreise rundherum. Akut stehe eine derzeitige Lösung aber nicht an, sagt Stefanie Geisler. Derzeit suchen sie und ihr Team nach Grundstücken, auf denen in Containern Wohnraum für Flüchtlinge entstehen könnte.

Die 200 Menschen, die ein Übergangsquartier in der Vaterstettener Gymnasiumsturnhalle gefunden haben, haben sich inzwischen dort eingelebt, soweit das möglich ist. Es würden keinerlei Probleme gemeldet, sagen Geisler und Kast übereinstimmend. Obwohl es sich um eine Aufnahmeeinrichtung des Freistaats handelt, sind die Mitarbeiter des Landratsamts in ständigem Kontakt mit den Verantwortlichen. Auch der Helferkreis Vaterstetten-Grasbrunn sei bei der Betreuung der Flüchtlinge eingebunden. Wann dieses Übergangsquartier aber wieder aufgelöst wird, das ist derzeit noch offen. Es gebe die Zusage, dass die Halle am 22. Juni wieder frei sein soll und zur Abiturfeier genutzt werden kann, sagt Geisler. Ob die Flüchtlinge zuvor alle zum gleichen Zeitpunkt in neue Unterkünfte gebracht werden oder ob die Zahl der Asylbewerber Schritt für Schritt reduziert wird, das sei dem Landkreis noch nicht mitgeteilt worden.

Warum es angesichts der äußerst angespannten Situation so schwer ist, den Bau einer neuen Flüchtlingsunterkunft für 100 Menschen in Vaterstetten voranzubringen, das erschließt sich da so manchem längst nicht mehr. Schon im Frühjahr 2013 hatte die Gemeinde Vaterstetten signalisiert, dass auf einem Grundstück am Baubetriebshof Wohnraum für Flüchtlinge entstehen könnte. Doch die Regierung von Oberbayern weigerte sich zunächst, die Kosten für einen Bau auf einem angepachteten Grundstück zu übernehmen. Im Frühjahr dieses Jahres schien es dann einen Durchbruch zu geben, der Freistaat erklärte sich bereit, doch die Baukosten zu übernehmen. Im Landratsamt hoffte man, dass die ersten Asylbewerber im Herbst einziehen könnte. Doch das klappt nach Einschätzung von Vaterstettens Hauptamtsleiter Georg Kast nun mit Sicherheit nicht: "In diesem Jahr wird das nichts mehr", so seine düstere Prognose.

Denn obwohl die Gemeinde sich bereit erklärt hat, dem Freistaat den Grund für eine symbolische Pacht von einem Euro zu überlassen, ist eine Einigung bisher nicht zustande gekommen. Das liegt zum einen daran, dass die Vorstellungen zur Vertragslaufzeit derzeit noch etwas auseinander liegen. Zum anderen stellt die Gemeinde zur Bedingung, dass außer Wohnraum für Flüchtlinge auch Platz für Obdachlose geschaffen wird, für deren Unterbringung die Gemeinde verantwortlich ist. Und die Zahl der Wohnungslosen könnte in Zukunft gerade durch den Zustrom der Asylbewerber steigen, so Kast - schließlich müssten anerkannte Flüchtlinge aus den Gemeinschaftunterkünften ausziehen. "Aber der Freistaat ist da ein bisschen unbeweglich, das muss man leider sagen."

© SZ vom 08.06.2015 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
Zur SZ-Startseite

Lesen Sie mehr zum Thema

Jetzt entdecken

Gutscheine: