SZ-Serie Sport im Ort: Folge 6:Zielsichere Tradition

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Erst ausatmen, dann zielen: Der 13-jährige Nachwuchsschütze Jan Victor beherrscht das schon sehr gut. (Foto: Christian Endt)

Die königlich privilegierte Feuerschützengesellschaft Ebersberg setzt große Hoffnungen in ihren Nachwuchs.

Von Sara Kreuter, Ebersberg

Für den perfekten Schuss müssen Körper, Arm und Gewehr ein Dreieck bilden. Wenn der Finger den Abzug drückt, sollte die Hälfte des Lungenvolumens ausgeatmet sein, dann ist der Körper am ruhigsten. Ein hohes Maß an Disziplin ist erforderlich, an Körperspannung, an Selbstbeherrschung. Für Katharina Stuhlmann, 16 Jahre alt, eine leichte Übung. Hoch konzentriert zielt sie, atmet aus, drückt ab - und trifft ins Schwarze. Wieder und wieder. Das Schießen gibt dem zierlichen Mädchen Selbstbewusstsein. Katharina ist eine gute Schützin, hat sich und ihr Gewehr unter Kontrolle.

"Leute wie Katharina sind unsere Zukunft", sagt Josef Schauberger, Sportleiter der königlich privilegierten Feuerschützengesellschaft Ebersberg, stolz. Magdalena Neuner habe auch einmal so angefangen. Und wer weiß, vielleicht verbirgt sich unter den 120 Hobby-Schützen des Vereins die nächste Schieß-Legende. Davon zumindest träumen Schauberger und Franz Kisters, der erste Schützenmeister der Feuerschützen. Sie setzen auf Jugendförderung, auf Vielfalt: "Wir sind ein schöner, gemischter Haufen", beschreibt Schauberger, zwischen zwölf und 80 Jahren alt, Männer und Frauen. Mit zwei Mannschaften ist der Verein bei den Rundenwettkämpfen des Schützengau Ebersberg vertreten.

Auf 13 Schießständen üben die königlich privilegierten Schützen in einem ehemaligen Kuhstall bei der Kugler Alm. Den Stall haben sie eigenhändig renoviert, die Stände selbst aufgebaut, ein Hauch Salpeter liegt noch in der Luft. Sie schießen mit Luftgewehren und Bleikugeln. Geschossen wird auf kleine Zielscheiben, zehn Meter weit entfernt. Das Schießen ist für die Schützen ein Hobby - und eine Tradition, die sie bewahren. "Früher war der Schützensport noch eine Sache der Verteidigung", erklärt Kisters. Dem ist heutzutage nicht mehr so, dennoch hafte der ganzen Sache nach wie vor etwas Ehrwürdiges an. Vielleicht auch dieser Ehre wegen sind die Böllerschützen, eine Untergruppe der Feuerschützengesellschaft, auf Feierlichkeiten zugegen - "um ordentlich Krach zu machen", so Schauberger, und um einem Fest mehr Würde zu verleihen.

Diese Würde sei der Feuerschützengesellschaft schon allein wegen ihrer langen Geschichte zu eigen, so Kisters. 1435 finde die Gesellschaft ihre erste urkundliche Erwähnung, was sie zum ältesten Verein des Landkreises Ebersberg mache. Einige Vereine - wie den ihren - habe der König in der Vergangenheit privilegiert behandelt, erklärt Kisters. Demnach war der Schützenkönig früher beispielsweise ein Jahr lang steuerfrei. Diesen "privilegierten" Status hat der Verein nicht verloren - obwohl Bayern seit der Abdankung Ludwig III vor knapp 100 Jahren keinen König mehr hat. Die Ebersberger Schießsportler nennen sich also weiterhin königlich privilegiert - und das mit Stolz. Einen Schützenkönig bestimmen sie weiterhin jährlich, durch einen einzigen Schuss. Steuern müsse der Sieger heutzutage leider trotzdem zahlen, bemerkt Kisters bedauernd.

Die deutsche Zeitgeschichte spiegelt sich auch in der Chronik des Vereins wieder. Während der Weltkriege und in der Nachkriegszeit wurde der Verein zwischenzeitlich aufgelöst und blieb es zunächst auch. Erst 1959 beschlossen einige Schützenfreunde die Wiedergründung der Feuerschützengesellschaft. Schauberger ist mittlerweile seit 40 Jahren dabei. Er weiß, dass sein Sport gefährlich sein kann. Regelmäßig kommt er mit besorgten Eltern ins Gespräch. Doch größer als das Risiko ist für ihn das Potenzial, das in "seinem" Sport steckt.

Eltern hätten immer Angst, dass ihre Kinder wild oder gewalttätig würden, wenn sie schössen, beschreibt auch Kisters. Dabei gebe es Belege dafür, dass der Schießsport Jugendlichen helfe: "Es ist nachgewiesen, dass Jugendliche, die den Schießsport betreiben, sich besser konzentrieren können und sozialer sind", so Kisters. Beim Schießen gehe es in erster Linie um Disziplin - und die brauche man schließlich dringend bei den Matheaufgaben.

© SZ vom 24.08.2016 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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