Ebersberg:Wohltuend wild

Lesezeit: 3 min

Die meisten Menschen halten zu Brennnesseln lieber Abstand, aber nicht Gabriele Aldermayer: Sie lobt den kräftigen Geschmack der Pflanze. (Foto: Peter Hinz-Rosin)

Bei einer Kräuterwanderung zeigt Gabriele Adermayer, wie man heimische Pflanzen verwenden kann

Von Christina Seipel, Ebersberg

An das beglückende Gefühl, das Gabriele Adermayer als Kind verspürte, wenn nach kräftigem Pusten die Samen des reifen Löwenzahns wild durch die Luft wirbelten, kann sie sich noch gut erinnern. Ebenso an die Mär, dass die Wildpflanze giftig und ungenießbar sei. Mütter verbreiteten sie gerne, weil sie die Pflanze mit dem weißen Milchsaft, der hässliche Flecken auf der Kleidung verursacht, fürchteten. Dass der Löwenzahn wegen der enthaltenen Bitterstoffe aber sehr gesund ist, weiß Gabriele Adermayer heute. Bei einer Entdeckungstour in Ebersberg zeigte sie, wo man heimische Kräuter in der Natur findet, wie man sie verwendet und wofür sie gut sind. Der Löwenzahn, zum Beispiel, kurbelt nicht nur die Verdauung an, sondern bringt gleich den ganzen Stoffwechsel in Schwung.

Seit knapp zehn Jahren befasst sich die Schamanin aus Haar nun schon mit den Wildkräutern. Seit ihrer Ausbildung zur Kräuterpädagogin 2013 bietet Gabriele Adermayer regelmäßig Wildkräuterwanderungen im Ebersberger Forst und Umgebung an. Die zweistündige Tour, die im Rahmen der Ebersberger Stadtführungen stattfand, führte die knapp zehn Teilnehmer am Samstag durch die Jesuitengasse und die Kumpfmühle. Am 2. Juli wird es erneut eine Wildkräuterwanderung geben, die bei schönem Wetter bis zum Haselbach führen soll.

"Ihr werdet erstaunt sein, was vor eurer Tür so alles wächst", hatte Gabriele Adermayer am Beginn der Kräuterwanderung prophezeit. Und sie sollte Recht behalten. Nur wenigen bekannt war die Knoblauchsrauke, ein typisches Frühjahrskraut, das die Kräuterfrau in einem wilden Pflanzengemisch am Rand der Jesuitengasse entdeckte. Als die Teilnehmer das hoch gewachsene Kraut mit den herzförmigen Blättern probieren, ist die Verwunderung groß. Es riecht nach Knoblauch und es schmeckt auch so. Da es auch die gleichen Wirkstoffe enthalte, eigne es sich gut zum Würzen von Teigen, wie Spätzle, Knödel oder Fleischpflanzerl. Die Kräuterfrau rät jedoch, in kleinen Mengen zu dosieren, "weil sich Wildkräuter viel intensiver auf die Blase und das Verdauungssystem auswirken". Und noch einen Unterschied zum Knoblauch gibt es: "Man riecht nicht danach", wie Gabriele Adermayer aus eigener Erfahrung berichtet.

Ähnlich gefürchtet wie der Löwenzahn, ist auch die Brennnessel. Weil sie keine Blüten, dafür aber Brennhaare hat, die stechen, wenn man sie berührt, werde sie oft verkannt, erläutert die Kräuterpädagogin. Dabei enthalte gerade die Brennnessel ganz viele Mineralstoffe und sei "die wahre Königin unter den Pflanzen". Ihren nach Nuss schmeckenden Samen wird eine immunstärkende und potenzfördernde Wirkung nachgesagt. Tee, Salat oder Spinat aus frischen Brennnesselblättern sind gut für die Blase und das Verdauungssystem.

Nach einer halben Stunde Wanderung fängt es zu regnen an. Eigentlich ein schlechter Zeitpunkt zum Kräutersammeln. Denn wie die Schamanin verrät, neigen diese dazu, später zu schimmeln. Wildkräuter sollte man deshalb nur bei trockenem Wetter suchen. Bedenklich sei, dass viele Pflanzen wegen der Klimaveränderung viel später dran sind. Dadurch hat sich die Sammelzeit von Mitte August bis in den September verschoben. Wer aber auch im Winter nicht auf Wildkräuter verzichten will, könne diese haltbar machen, zum Beispiel in Essig einlegen oder mit Öl und Kräutersalz zu einem Pesto mischen. Getrocknete Blüten in einem Wintertee seien zudem ein schöner Farbtupfer in der trüben Jahreszeit. "Die Freude, die ich beim Kräutersammeln hatte, nehme ich dabei mit auf", sagt Gabriele Adermayer.

Besonders vielseitig zu verwenden ist der Löwenzahn. In mildem Essig eingelegt werden die Knospen zu Löwenzahn-Kapern, aus den gelben Blüten lässt sich Gelee oder Sirup für ein Löwenzahn-Tiramisu herstellen. Sogar Kaffee lässt sich aus den getrockneten und gerösteten Wurzeln des Löwenzahns gewinnen. Der sei nur ein bisschen dünn, findet die Kräuterpädagogin. "Ich bevorzuge eine andere Variante." Mit einem Lächeln verrät sie: "Einen klarem Schnaps." Mit Zucker in Korn, Wodka oder Whiskey eingelegt entfalteten die Wurzeln erst ihren Geschmack.

"Wenn man mit offenen Augen durch die Natur geht, entdeckt man viele Dinge." Auch so manche ungeliebte Pflanze, eigne sich sehr gut zum Verzehr. Der Giersch zum Beispiel, "der Feind aller Gartenbesitzer", wie Gabriele Adermayer weiß, weil er wuchere ohne Ende. Da er sich aber vielseitig verwenden lässt und reich an Mineralstoffen ist, rät sie: "Nicht ausrotten. Aufessen."

© SZ vom 14.06.2016 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
Zur SZ-Startseite

Lesen Sie mehr zum Thema

Jetzt entdecken

Gutscheine: