Ebersberg:Wider die Beliebigkeit

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Der Münchner Künstler Johannes Lotz zeigt in der Alten Brennerei in Ebersberg starke Malerei, spannende Aquarelle und "misslungene" Porträts

Von Anja Blum, Ebersberg

Künstlern sagt man gerne nach, eitel zu sein, die große Geste zu lieben, das eigene Schaffen gedanklich irgendwo zwischen Genie und Wahnsinn anzusiedeln. Einer, auf den dies alles überhaupt nicht zutrifft, ist Johannes Lotz. Der 41-Jährige besticht vielmehr durch Bescheidenheit, seine Aussagen wirken ehrlich und nachdenklich. "Erst so langsam verstehe ich, was ich da eigentlich tue", sagt er, dabei male er doch schon seit 30 Jahren. Was auch als Koketterie mit dem Geheimnisvollen verstanden werden könnte, scheint bei Lotz ernst gemeint zu sein. Ist er doch durchaus willens, sein Werk zu erläutern, ringt dabei aber immer wieder mit den Worten. "Wenn ich male, bin ich selbst sehr gespannt auf das Ergebnis - das ist, wie wenn sich immer neue Türen öffnen", versucht er, seinen Schaffensprozess zu umschreiben.

Andere hingegen werden deutlicher, wenn es um Lotz' Werk geht: "Ich freue mich sehr über diese starke Malerei", sagt Andreas Mitterer vom Ebersberger Kunstverein voller Bewunderung. Von diesem Freitag an stellt Lotz in der Galerie des Vereins, der Alten Brennerei aus. Er ist in Saarbrücken geboren, Malerei studierte er in Mainz und München, wo er heute lebt und arbeitet. Unter dem mehrdeutigen Titel "Rasen" zeigt er in Ebersberg drei unterschiedliche Werkgruppen: großformatige Ölgemälde sowie kleinere Porträts und Aquarelle.

Letztere sind eine Studie zu Dürers "Rasenstück", also zu einem der bekanntesten Stillleben deutscher Kunstgeschichte. Diesem in handwerklicher Perfektion gearbeiteten Werk spürt Lotz nach, mal mehr, mal weniger nah am Original. Mal lässt er Wasser und Farbe freien Lauf, mal setzt er Dürer gleich fein ziselierte Konturen, mal führt er den Pinsel mit wildem Strich. Der Betrachter kann so die unterschiedlichen Wirkweisen von Maltechniken an sich selbst gut beobachten.

Bizarre Bildwelten von Johannes Lotz führt die nächste Ausstellung in der Alten Brennerei in Ebersberg den Besuchern vor Augen. (Foto: Peter Hinz-Rosin)

Für Lotz sind Serien wie diese ein wichtiger Gegenpol zu seinen anderen, freieren Werken. "Bei zeichnerischen Arbeiten passiert mehr im Kopf, das Malerische ist viel emotionaler, weniger kontrolliert." Das aber scheint den Künstler anzustrengen: Großflächig arbeite er immer in Schüben, dazwischen brauche es Zeit, um sich wieder zu erden und aufzuladen. Die Bilder, die nun in der Alten Brennerei zu sehen sind, stammten alle aus einer Mal-Phase im Jahr 2015.

Im Gegensatz zu dem Rasen in Aquarellfarben versinnbildlichen die Ölgemälde eher das Rasen: Große, wilde Bilder sind das, die unvorsichtige Betrachter mit ihrer surrealen Wucht und Symbolmacht vielleicht sogar erschlagen können. In pastosen, oftmals erdigen Farben bannt Lotz Rauschhaftes auf die Leinwand: Maskenhafte Gesichter, dämonische Figuren, Körperteile, Tiere und architektonische Bruchstücke treffen hier auf organische und geometrische Gebilde. Meist sind die Flächen klar voneinander abgegrenzt, die Striche kraftvoll, nur wenige Details, Gräser beispielsweise, filigran gestaltet. Hier ein Vogel, da eine Hand, dort ein Kreis: Lotz' Gemälde wirken wie Märchen aus einem gänzlich fremden Kulturkreis. Man vermag sie nicht bis ins Letzte zu entziffern, doch ihr wohliger Schauer trifft ins Mark.

Für Lotz selbst sind seine expressiven Gemälde eine Art Puzzle - aus Versatzstücken der Kunstgeschichte und persönlichen Erinnerungen. "Jedem Bild liegen mehrere Vorlagen zugrunde, die mir Impulse geben, die ich mit mehr oder weniger Abweichung aufnehme", erklärt er. Das könnten Werke anderer Künstler sein, aber auch starke emotionale Eindrücke aus seinem Innersten. Von Malerei aus der Renaissance über ein Plattencover bis hin zu einer selbst erlebten, obdachlosen Nacht am Schliersee. "Ich male nie nur aus dem Kopf, denn dann droht die Kunst abzuheben in die Beliebigkeit."

Wo könnte dieses Bild hinpassen? Johannes Lotz ist auf der Suche. Bei der Vernissage wird er mit seiner Band singen und Gitarre spielen. (Foto: Peter Hinz-Rosin)

Um dem gegenzusteuern, bat Lotz vor einiger Zeit seine Freunde und Bekannten um Fotos - zahlreiche Porträts entstanden. "Aber die sind gar nicht gelungen, nur einer hat sich selbst darin wiedererkannt", erzählt der Künstler deprimiert. Vor allem die Nasen seien problematisch gewesen. "Malerisches Handwerk wie dieses lernt man im Studium eben leider nicht." Das Ebersberger Publikum wird die fehlende Ähnlichkeit der Bilder mit den Porträtierten aber vermutlich nicht stören - zeigen sie doch einfach Gesichter, die spannende Geschichten erzählen.

"Rasen" - Malerei von Johannes Lotz in der Alten Brennerei in Ebersberg, Vernissage am Freitag, 23. September, von 19 Uhr an, es spielt der Künstler mit seiner Band "Erlen". Zu sehen ist die Ausstellung bis 16. Oktober freitags von 18 bis 20 Uhr, samstags wie sonntags von 14 bis 18 Uhr.

© SZ vom 22.09.2016 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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