Ebersberg:Weitergehen soll es trotzdem

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In Baiern ist der Gemeinderat äußerst skeptisch, was die Kommunalisierung der Stromnetze betrifft. (Foto: Peter Hinz-Rosin)

Nach Grafing drückt nun auch der Gemeinderat in Baiern in Sachen Kommunalisierung der Stromnetze auf die Bremse

Von Anselm Schindler, Ebersberg

Kopfschütteln im Landratsamt: Auch der Gemeinderat Baiern stellte sich in seiner jüngsten Sitzung mit großer Mehrheit gegen das Vorhaben, in der Gemeinde einen Wirtschaftsplan für eine mögliche Kommunalisierung des Stromnetzes durchführen zu lassen. Mit elf zu zwei Stimmen wandten sich die Gemeinderäte damit auch gegen den Willen von Bürgermeister Josef Zistl (CSU). Mit dem Wirtschaftsplan soll überprüft werden, wie teuer eine Übernahme des Stromnetzes die jeweilige Gemeinde zu stehen kommen würde.

Geht es nach der landkreisweiten Energieagentur REGE (Regenerative Energie Ebersberg), soll die Kommunalisierung der Stromnetze bis Anfang 2021 erfolgen. Dann könnte ein landkreisweites Energieversorgungsunternehmen die Konzessionen für das Stromnetz im Landkreis übernehmen. Doch für die konkrete Planung braucht es konkrete Zahlen - ohne Wirtschaftsplan keine Kommunalisierung.

Nach Grafing ist Baiern bereits die zweite Kommune, die sich in dieser Sache quer stellt. Im Landratsamt ist man trotzdem entschlossen, an der Kommunalisierung festzuhalten. "Das bedeutet definitiv nicht das Aus", sagt Klimaschutzmanager Hans Gröbmayr. Er hofft derweil darauf, dass es sich die Stadt- und Gemeinderäte von Grafing und Baiern vielleicht noch einmal anders überlegen.

Mit dieser Einschätzung könnte er recht behalten: Das Nein zum Wirtschaftsplan sei kein endgültiges Urteil, betont Bürgermeister Josef Zistl, und schon gar nicht als allgemeine Ablehnung der Kommunalisierung zu interpretieren.

Zistl wirbt auch für Verständnis, was die Entscheidung seines Gemeinderates betrifft, schließlich gehe es bei der Kommunalisierung des Stromnetzes um Millionenbeträge. Den Gemeinderäten mangele es an einem klaren Fahrplan, man erwartet sich vom Landratsamt, besser über das weitere Vorgehen informiert zu werden, so deutet Josef Zistl das Votum. Deshalb bestehe im Bairer Gemeinderat noch "viel Redebedarf", so der Bürgermeister weiter. Spricht man mit den Gemeinderäten, dann klingt das weniger versöhnlich: Man bezweifle die Wirtschaftlichkeit der Netzübernahme im Allgemeinen, erklärt beispielsweise Gemeinderat Johann Maier.

Klimaschutzmanager Gröbmayr kann das Zögern des Gemeinderates nicht nachvollziehen. Der Landkreis hat bereits im Frühjahr dieses Jahres 20 000 Euro in eine Machbarkeitsstudie gesteckt, um die grundsätzliche Finanzierbarkeit der Kommunalisierung überprüfen zu lassen. Die genauen Ergebnisse will Gröbmayr zwar noch nicht verraten, doch das Ergebnis sei eindeutig: "Das Projekt ist rentabel", versichert Gröbmayr. "Das sehen wir anders", heißt es von Gemeinderat Maier. Er befürchtet, dass die Bayernwerke die Netze "runterschlampen", und der Landkreis bei der Übernahme erst einmal kostenintensiv sanieren muss. Und mit Alexander Müller sitzt im Bairer Gemeinderat auch ein entschiedener Gegner der Kommunalisierung: FDP-Kreisrat Müller bezeichnet die Übernahme der Stromnetze als "überflüssiges Abenteuer".

Geht es nach Müller, dann ist der Landkreis auch gar nicht dazu in der Lage, die Verwaltung der Netze selbst zu stemmen, weder vom nötigen Know-how noch aus finanzieller Sicht. Das schätzt auch Gröbmayr so ein, auch wenn er es nicht so direkt formulieren würde. Deshalb ist das Landratsamt seit einigen Monaten auf der Suche nach möglichen Partnern für ein landkreisweites Energieunternehmen. Das Partnerunternehmen könnte der REGE bei der Netzübernahme zur Seite stehen. Der Landkreis befindet sich offenbar bereits in Verhandlungen mit möglichen Kandidaten, das lässt Gröbmayr durchblicken. Es geht dabei darum, die besten Konditionen für den Landkreis rauszuholen, deshalb bleiben die Ergebnisse der Machbarkeitsstudie des Landkreises unter Verschluss, bis ein Partner gefunden ist.

Aus diesem Grund fand die Debatte um die Teilnahme am Wirtschaftsplan in den Gemeinderats- und Stadtratssitzungen unter Ausschluss der Öffentlichkeit statt, was nicht überall auf Verständnis stieß. Im Grafinger Stadtrat sorgte die Verschwiegenheit für erhebliche Kritik. Gröbmayr weist die Kritik mit Blick auf die laufenden Verhandlungen zurück, abgestimmt werden könne ja trotzdem öffentlich, so wie das auch in Baiern der Fall war.

19 der 21 Kommunen im Landkreis haben die Abstimmung inzwischen hinter sich, der Grafinger Stadtrat entschied sich nur mit knapper Mehrheit gegen den Wirtschaftsplan, einzig in Baiern stößt die Kommunalisierung auf so große Skepsis.

Die Gemeinde Hohenlinden bleibt unterdessen außen vor. Die Konzessionen für das dortige Stromnetz gehören - im Gegensatz zum Rest des Landkreises - nicht den Bayernwerken, sondern den Kraftwerken Haag. Und dabei wolle Hohenlinden auch bleiben, sagt Gröbmayr.

Mit Spannung blickt man im Landratsamt nun auf die letzte Abstimmung. In Steinhöring entscheiden die Gemeinderäte erst im September über den Wirtschaftsplans. So oder so: Im Notfall will die REGE auch ohne die Abweichler vorpreschen, "solange keine größeren Gemeinden wegfallen, ist das verkraftbar", sagt Gröbmayr.

© SZ vom 19.07.2016 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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