Ebersberg:Wärme für den halben Landkreis

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Es gibt neue Pläne für ein Geothermieprojekt, dieses könnte bis zu 70 000 Einwohner versorgen

Von Wieland Bögel

Die Südachse im Landkreis könnte um einen weiteren Strang erweitert werden. Wie Landrat Robert Niedergesäß (CSU) am Dienstag im Rahmen eines Pressegesprächs bekannt gab, gibt es Pläne für eine Fernwärmeleitung für die Anliegerkommunen entlang der B 304 beziehungsweise der S-Bahnstrecke. Gespeist werden soll das Wärmeprojekt aus einer Geothermiebohrung im Westen des Landkreises, vermutlich in Vaterstetten.

Dort war bereits einmal ein Erdwärmeprojekt geplant, was an den geologischen Bedingungen in der Gegend liegt. Denn rund um, beziehungsweise rund 3000 Meter unter Vaterstetten gibt es heißes Tiefenwasser, die Temperatur liegt laut früheren Gutachten um die 95 Grad Celsius. Das ist zwar nicht heiß genug, um damit Strom zu erzeugen, aber um Häuser zu heizen. Im Jahr 2006 sicherten sich die Gemeinden Vaterstetten und Grasbrunn die Bohrrechte für heißes Wasser auf ihrem Gebiet. Tatsächlich gebohrt wurde allerdings nie, obwohl man den Kreis der Partner vier Jahre später um Zorneding erweiterte. Die drei Gemeinden einigten sich auch schon auf die Umsetzung, was dann allerdings an den Kosten scheiterte: 200 Millionen Euro hätte das Projekt in der ersten Version gekostet, zu viel für die Kommunen.

Weitere drei Jahre später schien die Sache wieder realistischer, die drei Gemeinden holten ein Konsortium aus der Projektentwicklungsgesellschaft Geysir-Exorka sowie der Bohrfirma Daldrup & Söhne AG ins Boot, im Januar 2013 stellte man das gemeinsame Vorgehen vor. Den Großteil der Investitionssumme, rund 67 Millionen Euro, hätte die Grünwalder Unternehmensgruppe Exorka/Geysir/Daldrup übernommen, die Gemeinden insgesamt fünf. Doch etwas mehr als Jahr später kam das Aus: Die Firmen hatten keinen Versicherer gefunden, der das Risiko einer Fehlbohrung hätte übernehmen wollen.

Mittlerweile scheint sich dies offenbar geändert zu haben, "es zeichnet sich eine neue Chance ab", so der Landrat. Die drei Firmen, welche 2013 an dem Projekt beteiligt waren, seien vergangene Woche auf den Landkreis zugekommen und hätten eine Neuauflage vorgeschlagen. Diesmal geht es aber nicht um drei, sondern um fünf Kommunen: Von Vaterstetten über Zorneding, Kirchseeon und Grafing bis Ebersberg soll eine Fernwärmeleitung gelegt werden. Nach Angaben der Firmen sei dies technisch ohne größere Wärmeverluste möglich, so Niedergesäß. Wo die Leitung indes genau verlaufen soll, ist noch offen.

Etwas konkreter ist dagegen schon der Standort der Förderanlage und der Zentrale, diese könnte da entstehen, wo sie schon 2013 geplant war: in Vaterstetten. Was auch mit der sogenannten Wärme-Anomalie zusammenhängt: Von West nach Ost wird das Tiefenwasser immer kälter, in Ebersberg sind es nur noch etwa 60 Grad. Wo genau in Vaterstetten gebohrt werden könnte, ist offen, der "Claim", also die den drei Gemeinden damals erteilte Fördergenehmigung wurde nicht mehr verlängert und ist mittlerweile erloschen.

Trotz der noch sehr vagen Aussichten erwartet Niedergesäß - in dessen Amtszeit als Vaterstettener Bürgermeister die Planung des damaligen Geothermieprojektes fiel - von dessen Wiederauflage viel Positives: "Es wäre für die Energiewende im Bereich Wärme ein großer Fortschritt." Immerhin würden, käme es tatsächlich zu einem Anschluss aller fünf Kommunen an die neue Fernwärmeleitung, gut 70 000 Einwohner zu potenziellen Kunden der Geothermie: "Das ist quasi der halbe Landkreis." Die Bürgermeister der fünf Kommunen habe man schon informiert, eventuell könnte man auch bei der Gemeinde Grasbrunn anfragen, so Niedergesäß. Was allerdings eine nicht unerhebliche Aufweitung der Leistung des 2013 vorgestellten Projekts wäre. Damals rechnete man damit, bis zu 3000 Vier-Personen-Haushalte versorgen zu können. Allerdings war damals der Netzausbau auch noch wenig vorangeschritten, hier hat sich etwa in Vaterstetten viel getan, die Gemeinde ist seit 2014 dabei lokale Wärmenetze zusammenzulegen und auszubauen.

Noch völlig unklar ist, was das Projekt einmal kosten wird und wer welchen Anteil daran trägt. Was auch Auswirkungen darauf hätte, wer in dem neuen Unternehmen dann wie viel Mitsprache hätte. Allerdings sei mit einer finanziellen Beteiligung des Freistaates zu rechnen, sagte Niedergesäß, das Wirtschaftsministerium werde voraussichtlich im übernächsten Jahr ein "Masterplan Geothermie" genanntes Förderprogramm auflegen.

Bereits im Februar kommenden Jahres könnte es mehr konkrete Informationen geben, dann wollen die Politik und die beteiligten Firmen den neuen Anlauf in die Geothermie in den fünf möglichen Teilnehmergemeinden vorstellen. Es wäre das zweite Geothermieprojekt im Landkreis nach jenem, das vor acht Jahren in Poing in Betrieb gegangen ist.

© SZ vom 09.12.2020 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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