Ebersberg:Viele offene Fragen

Lesezeit: 3 min

G8 oder G9, das ist die Frage. (Foto: dpa)

G8, G9 oder beides? Mit dieser Frage müssen sich jetzt die Verantwortlichen in den Gymnasien im Landkreis beschäftigen. Die Eltern und Schüler sollen eng in die Entscheidung eingebunden werden.

Von Barbara Mooser, Ebersberg

Es wird viel zu besprechen geben: im Kollegium, mit den Eltern, mit den Schülern - aber auch mit den Verantwortlichen der Nachbarschulen. Denn die Ankündigung der bayerischen Staatsregierung zum Ferienbeginn, dass künftig jedes Gymnasium selbst entscheiden darf, ob es die Schüler in acht oder neun Jahren zum Abitur führt - oder sogar vielleicht beide Varianten zur Wahl anbietet - lässt viele Fragen offen. Wie es die Gymnasien im Landkreis halten wollen, ist derzeit noch völlig unklar. Begeistert sind viele Direktoren jedenfalls nicht über die Entscheidung.

"Ich finde sie nicht besonders glücklich, ich hätte mir eine deutlichere Richtungsweisung vorstellen können", sagt Rüdiger Modell vom Vaterstettener Humboldt-Gymnasium, ähnlich sieht es Christian Czempinski, stellvertretender Schulleiter am Gymnasium Kirchseeon: "Ich persönlich hätte mir eine klare Entscheidung gewünscht - entweder für das G8 oder das G9."

Einig sind sich alle befragten Pädagogen, dass es organisatorisch vermutlich eine besondere Herausforderung wäre, wenn man den Schülern die Wahl zwischen G8 und G9 lassen würde. "Es gäbe ja einen unglaublichen Bedarf an Räumen", sagt Paul Schötz, Direktor des Grafinger Gymnasiums. Auch die Stundenkapazitäten der Lehrkräfte müssten aufgestockt werden.

Mittlere Reife nach sechs Jahren

Wie genau ein Nebeneinander von G8 und G9 gestaltet wird, dazu hat sich das Ministerium noch nicht genau geäußert. Kultusminister Ludwig Spaenle (CSU) hat bisher nur konkretisiert, dass Gymnasiasten nach sechs Jahren die Mittlere Reife haben sollen. Anschließend würde es an G-9-Schulen vor dem Eintritt in die zweijährige Oberstufe ein zusätzliches Jahr geben. Grundsätzlich soll laut Spaenle für beide Varianten der gleiche Lehrplan gelten, der Stoff soll lediglich unterschiedlich verteilt werden.

Doch nach Einschätzung von Gerhard Dittmann vom Markt Schwabener Franz-Marc-Gymnasium wird man nicht umhin kommen, das G9 völlig neu zu konzeptionieren. Dann könnte man beispielsweise auch nochmals überlegen, wann man mit der zweiten Fremdsprache beginne. "Ich glaube, da wird es noch viele Diskussionen geben", sagt der Pädagoge. Besonders schwierig wird seiner Ansicht nach aber, für jede Schule individuell die richtige Entscheidung zu treffen.

Es gebe schließlich Befürworter beider Varianten, da werde es nicht leicht, alle zufriedenzustellen: "Ich wüsste momentan nicht, wie wir es stemmen sollten, beides anzubieten", sagt Dittmann - eine Entscheidung für entweder das G8 oder G9 sei aber ebenfalls schwierig, weil das Franz-Marc-Gymnasium schließlich das einzige Gymnasium im Landkreisnorden sei und es nicht rundherum andere Schulen gebe, die die jeweils andere Alternative anbieten könnten.

Markt Schwaben zurück zu G9

Denkbar wäre für Dittmann jedenfalls durchaus, dass man in Markt Schwaben zum G9 zurückkehrt, so schätze er auch die Präferenz seiner Kollegen ein. "Im G8 geht doch vieles zu schnell, die Schüler sind eher gehetzt. Und wenn sie mit 16 oder 17 Jahren Abitur machen, würde man doch einigen ein zusätzliches Entwicklungsjahr gönnen." Allerdings könnte eine Rückkehr zum G9 andere Probleme aufwerfen, wie Dittmann zu bedenken gibt: Weil es dann weniger Nachmittagsunterricht gäbe, würden mehr die offene Ganztagsschule nutzen, darauf müsste man sich einrichten. Auch wäre dann die Frage, wie es mit dem Betrieb der Mensen weiter gehe, wenn der Großteil der Schüler künftig wieder nach der sechsten Stunde heimgehe.

Unter seinen Kollegen ist die Neigung ohnehin geringer, zum G9 zurückzukehren. Man habe viele Ressourcen, viele Ideen und viel Energie investiert, um das G8 zu verbessern, sagt der Direktor des Vaterstettener Gymnasiums: "Es wäre schade, wenn wir vieles hier nicht weiterführen könnten." Auch Christian Czempinski vom Kirchseeoner Gymnasium sieht das G8 keineswegs als gescheitert an: Anfangs habe es zwar große Unzufriedenheit gegeben, doch seitdem sei viel verbessert worden. Inzwischen sei deutlich geworden, dass das G8 durchaus gut zu bewältigen sei.

Nach Einschätzung von Paul Schötz vom Grafinger Gymnasium wäre es vielleicht eher sinnvoll, das G8 weiter zu verbessern, statt erneut alles umzuwerfen und schon wieder viel Unruhe in die Schule zu bringen. Die Gymnasien, die sich bisher im Pilotbetrieb für eine Rückkehr zum G9 entschieden hätten, seien in der Regel kleine Landschulen mit vielen Fahrschülern, die durch die Pendelei ohnehin sehr lange Schultage haben, erläutert Schötz. Ein G9 mit einem Jahr mehr, dafür weniger Nachmittagsunterricht, erscheine Eltern in diesem Fall oft attraktiver. Wie die Eltern das in Grafing sehen, müsse man erst noch herausfinden.

Denn ausschlaggebend werden nicht die persönlichen Präferenzen sein, das betonten alle Beteiligten: Eine Entscheidung müsse sehr transparent und unter bestmöglicher Einbindung der Schüler und Eltern erfolgen, sagt Czempinski. Und unabdingbar sei auch, dass sich die Gymnasien untereinander absprechen. Auch der Sachaufwandsträger, der Landkreis, müsse sich dazu äußern, sagt Rüdiger Modell, schließlich würde im Fall des Vaterstettener Gymnasiums eine Rückkehr zum G9 150 bis 200 Schüler zusätzlich bedeuten - und schon jetzt ist die Schule total überbelegt.

© SZ vom 08.08.2016 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
Zur SZ-Startseite

Lesen Sie mehr zum Thema

Jetzt entdecken

Gutscheine: