Ebersberg:Verzweifelte Tat

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Sie wollte sich selbst und ihrem an Alzheimer erkrankten Mann das Leben nehmen - doch der Plan misslang. Nun muss eine 68-Jährige wegen versuchten Totschlags in Haft.

Andreas Salch

Gerda L. opferte sich fünf Jahre lang für ihren an Alzheimer erkrankten Mann Egmont auf, am Ende war sie davon überzeugt, dass der 69-Jährige mit ihr sterben wolle - doch der Plan misslang. Wegen versuchten Totschlags verurteilte die Schwurgerichtskammer am Landgericht München II die 68-jähriger Ebersbergerin nun am Mittwoch zu einer Gefängnisstrafe von drei Jahren und drei Monaten. Gerda L. faltete nach dem Urteilsspruch die Hände, so als ob sie beten wollte.

Die Staatsanwaltschaft beantragte vier Jahre und sechs Monate Haft. Den ursprünglichen Vorwurf des versuchten Mordes ließ Staatsanwalt Florian Gliwitzky fallen, da die Merkmale für einen heimtückischen Mordversuch fehlten. Der Angeklagten sei es jedoch darauf angekommen, ihrem Mann das Leben zu nehmen, so Gliwitzky. Dass er damit einverstanden gewesen sei zu sterben, wie Gerda L. stets beteuert hatte, schloss der Anklagevertreter aus. Denn laut dem Gutachten eines Sachverständigen war Egmont L. zum Zeitpunkt der Tat, am 1.Juni vergangenen Jahres, aufgrund seiner Erkrankung gar nicht mehr in der Lage, "komplexe Entscheidungen" zu treffen. "Das war der Angeklagten bewusst", sagte der Staatsanwalt bei seinem Plädoyer.

Gerda L. dagegen versicherte vor Gericht, sie sei die Einzige gewesen, die ihren Mann noch verstanden habe. Als sie ihn gefragt habe, ob er mit ihr aus dem Leben gehen wolle, sei ihm bewusst gewesen, worum es geht. Menschlich sei diese Ansicht zwar nachvollziehbar, räumte Staatsanwaltschaft Gliwitzky ein. Doch das Gutachten des Sachverständigen sei eindeutig. Die Angeklagte habe sich in einer Situation befunden, in der sie "glaubte, tun zu müssen, was sie für die beste Variante" hielt, stellte er fest.

Eine Verurteilung wegen Tötens auf Verlangen schloss angesichts des Gutachtens zum Zustand von Egmont L. auch der Verteidiger der 68-Jährigen, Rechtsanwalt Werner Kränzlein, aus. Er hob hervor, dass seine Mandantin aus "Mitleid und Verzweiflung" gehandelt habe. Damit Gerda L. noch einmal Gelegenheit hat, ihren Mann zu sehen, bat Anwalt Kränzlein das Gericht, eine Freiheitsstrafe von zwei Jahren zu verhängen und bis zu deren Antritt den Haftbefehl aufzuheben.

Nach der Verkündung des Urteils durften die Angehörigen von Gerda L., die den Prozess als Zuschauer verfolgt hatten, zu ihr gehen und sich von ihr verabschieden. Gerda L.s Tochter, die gehofft hatte, dass ihre Mutter zu einer Bewährungsstrafe verurteilt wird, hatte für diesen Fall ein Zimmer in ihrer Wohnung eingerichtet, in dem die 68-Jährige hätte wohnen können.

© SZ vom 27.01.2011 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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