Amtsgericht Ebersberg:Verwirrung um Arbeitszeitkonten

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Ein Unternehmer steht vor Gericht, weil er zu wenig Sozialversicherungsbeiträge gezahlt haben soll. Doch er sieht sich im Recht.

Von Isabel Meixner, Ebersberg

Der Angeklagte machte keinen Versuch, seinen Unmut zu verbergen. "Das ist an den Haaren herbeigezogen", rief er aufgebracht, als der Staatsanwalt die Anklage verlesen hatte. Für zwei 400-Euro-Beschäftige soll der Chef einer Sicherheitsfirma zu wenig Sozialversicherungsbeiträge gezahlt haben. Es handelte sich um einen Betrag von 505 Euro. Er soll außerdem die Stunden nicht vollständig zum 15. des Folgemonats ausgezahlt haben. Doch er sei sich "keiner Schuld bewusst", wehrte sich der 35-Jährige: "Man geht hier her und interpretiert den Tarifvertrag völlig aus dem Zusammenhang."

Dieser, führte der Angeklagte auf, erlaube es ihm, Arbeitszeitkonten für geringfügig Beschäftige zu führen. Kommt eine 400-Euro-Kraft in einem Monat über die Grenze, werden die Überstunden in den Folgemonat mitgenommen. Arbeitet er dann weniger, werden sie verrechnet. Auf diese Weise könne auch der Angestellte mit einem festen monatlichen Betrag planen, sagte der 35-Jährige. Über das Jahr gesehen habe er die Grenze von 4800 Euro nicht überschritten. Das Zollamt Rosenheim, das im Oktober 2012 die Geschäftsunterlagen der Firma geprüft hatte, und die Rentenversicherung sahen die Sache anders. Wie sich zeigte, deckten sich die beiden Rechnungen allerdings nicht. "Nach meiner Berechnung ist die Geringfügigkeit bei beiden Arbeitnehmern überschritten", sagte die ermittelnde Beamtin. Die Rentenversicherung sah den Verstoß nur bei einem Beschäftigten. Der Grund: Um zu berechnen, ob eine 400-Euro-Kraft über die 4800 Euro pro Jahr kommt, werden die Einkommen aus den zwölf Monaten nach Beginn der Beschäftigung zusammengerechnet - und nicht, wie es die Zollbeamtin getan hatte, von der Einführung des Mindestlohns in der Sicherheitsbranche, also von Juni 2011, an. Auch beim Angeklagten herrschte darüber offenbar Unwissen: Er dachte, die 4800-Euro-Grenze bezieht sich auf das Kalenderjahr.

Die ermittelnde Beamtin führte weiter aus, dass auf der Lohnabrechnung zwar alle geleisteten Stunden aufgelistet, aber nicht bis zum 15. des Folgemonats abgerechnet worden seien, ergo Gehalt vorenthalten worden sei. Zu Recht, wie der Angeklagte fand: Der Tarifvertrag erlaube es ihm, Arbeitszeitkonten zu führen. "Was glauben Sie, warum ich die Arbeitszeitkonten transparent auf die Abrechnung geschrieben habe?", fragte der Firmenleiter. "Wenn ich etwas verschleiern wollen würde, dann stelle ich mich doch nicht so blöd an." Außerdem sei bei Vertragsschluss mündlich mit den Angestellten vereinbart worden, ein solches Konto zu führen. "Den einzigen Vorwurf, den ich mir machen lasse, ist, dass ich das nicht schriftlich fixiert habe", so der 35-Jährige. Dass ein Zeitkonto rechtens ist, bezweifelte die Zollamtsbeamtin und verwies auf einen Paragrafen im Tarifvertrag. Ihrer Interpretation wiederum widersprach Verteidiger Christ Werner. Für den Staatsanwalt spielte indes ein anderer Punkt eine entscheidende Rolle: Das Arbeitszeitkonto habe ein konstant hohes Niveau an Überstunden aufgewiesen, von einer geringfügigen Anstellung könne daher nicht gesprochen werden. Tatsächlich durften nicht mehr als 48 Überstunden angehäuft werden. Im Fall des 400-Euro-Arbeiters, für den zu wenig Abgaben bezahlt worden sind, zeigte das Zeitkonto im Mai 2012 allerdings mehr als 80 Überstunden auf. Der Angeklagte hätte mit Blick darauf erkennen müssen, dass es sich um eine sozialversicherungspflichtige Tätigkeit handele. Mittlerweile, sagte der Firmenchef, sei dieser Mitarbeiter fest angestellt.

Weil zu dem rechtlich verworrenen Fragen Entscheidungen von höheren Instanzen ausstehen, man das Verfahren aber nicht unnötig in die Länge ziehen wollte, einigte man sich auf einen Kompromiss: Der Angeklagte akzeptiert den Strafbefehl in Höhe von 820 Euro und überweist 200 Euro an die Suchtambulanz, im Gegenzug wird das Verfahren dann eingestellt. Richterin Vera Hörauf machte deutlich, dass sie den Tatbestand in einem Fall erfüllt sehe, und wies den 35-Jährigen eindringlich darauf hin, dass er die Auflagen unbedingt erfüllen solle: Sonst "sieht es eher schlecht für Sie aus".

© SZ vom 24.09.2015 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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