Ebersberg:Unter der Dunstglocke

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Ein 23-Jähriger gesteht den Handel mit Marihuana in 80 Fällen

Von Katharina Behmer, Ebersberg

Ab wann ist man erwachsen? Diese Frage musste sich nun das Amtsgericht stellen. Dort wurde der Fall eines mittlerweile 23-Jährigen verhandelt, der in 80 Fällen Marihuana gekauft und teilweise weitergehandelt hatte. Das Problem: die Drogenkäufe erstreckten sich über einen Zeitraum von März 2012 bis ins Frühjahr 2014. Und somit über zwei verschiedene Altersstufen im Strafrecht: Ein Teil der Taten beging der junge Mann mit 20, also noch als Heranwachsender, die anderen mit bereits 21 Jahre - voll strafmündig.

"Wir sitzen hier vor Ihnen mit erhobener weißer Fahne", erklärte der Verteidiger direkt am Anfang der Verhandlung: "Sehen sie das bitte als vollumfängliches Geständnis an." Er bat das Gericht aber auch gleichzeitig zu entschuldigen, dass sein Mandat "zu den Einzeltaten wenig sagen kann, da er sie wie unter einer Dunstglocke in Erinnerung hat." Grund dafür sei der "nicht unerhebliche Eigenkonsum" von 15 Gramm in der Woche.

"Am Anfang war es nur mal ein Joint am Wochenende", erklärte der KFZ-Mechatroniker dem Gericht. Dann sei er "da irgendwie reingewachsen". Sein Konsum habe sich von einmal im Monat über einmal pro Woche auf zuletzt habe mehrmals pro Tag gesteigert: "morgens, mittags und abends". Er nutzte sogar seine Pausen in der Autowerkstatt, um nach Hause zu gehen und dort Wasserpfeife zu rauchen. Der Arbeitgeber sei dabei ahnungslos geblieben: "Bis auf meine Eltern und meine damalige Lebensgefährtin hat eigentlich keiner was gewusst." Der 23-Jährige lebt bei seinen Eltern unter dem Dach. Seine Mutter habe seine Wäsche gemacht und habe dabei gelegentlich was gefunden und entsorgt. Auch mit seiner damals von ihm schwangeren Freundin entstand Streit wegen den Drogen. Sie zog aus. Dadurch war der Drogenkonsum "nicht mehr zu stoppen", so der Angeklagte. Um seine Sucht zu finanzieren, verkaufte er jeweils die Hälfte des Marihuanas mit einem Gewinn von zwei Euro pro Gramm weiter.

Erst eine polizeiliche Hausdurchsuchung am 14. Februar 2014 habe "den Schalter umgelegt", so der Verteidiger: Aus eigenem Antrieb heraus habe der Angeklagte inzwischen eine Therapie gemacht. Währenddessen, erzählte dieser, habe sein Vater "sogar bei mir oben geschlafen und mich überwacht". Der 23-Jährige nehme heute laut eigener Aussage "nichts, gar nichts" mehr. Als Bestätigung konnte die Verteidigung Richterin Hörauf die Ergebnisse von fünf freiwilligen Urinproben vorlegen: allesamt negativ. Auch der Staatsanwalt würdigte diese "gute Entwicklung" und schlug eine Verurteilung nach dem Jugendstrafrecht vor, da der 23-Jährige Angeklagte noch bei seinen Eltern lebte und deshalb zum Tatzeitpunkt "nicht wirklich selbstständig" war. Die Richterin schloss sich dieser Meinung an und fand außerdem, das "offene Geständnis sollte doch belohnt werden". Sie verurteilte den Angeklagten nach Jugendstrafrecht zu einem Jahr auf Bewährung und einer Zahlung von 1500 Euro an eine gemeinnützige Organisation. Der Verteidiger hatte einen Strafverzicht gefordert, resümierte die Verhandlung dennoch als "schön" und "einwandfrei": "Sowas hat man selten, sowas macht Spaß!"

© SZ vom 12.11.2015 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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