Ebersberg:Unsanfte Berührung

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Amtsgericht stellt Verfahren gegen einen 21-Jährigen ein, der wegen Körperverletzung angeklagt ist

Von Anselm Schindler, Ebersberg

Eine Nacht im April nahe einer Kneipe im nördlichen Landkreis: Ein 18-jähriger Azubi aus dem Raum München ist auf dem Heimweg, neben ihm eine junge Frau, er hält sie im Arm. "Begrapscht" habe er sie, erinnert sich ein Zeuge vor dem Ebersberger Amtsgericht an die Situation. Dann hört der Azubi ein Auto bremsen, ein Freund der Frau steigt aus. Es kommt zum Streit, an dessen Inhalt sich weder der Azubi, der als Zeuge aussagt, noch der Angeklagte so recht erinnern wollen.

Ob er aggressiv gewesen sei, fragt Richterin Vera Hörauf den Zeugen. "Ich hab mit der Bierflasche gespielt", antwortet der. Und dann? "Ja und dann lag ich auf dem Boden." Wie er auf den Boden kam? "Weiß ich nicht mehr." Die Staatsanwältin blickt grimmig drein, sie habe das Gefühl, sagt sie, der Angeklagte und der Zeuge hätten sich abgesprochen, um dem Gericht Lügen aufzutischen.

Dieser Verdacht ist begründet: Den Prozess wollen nämlich weder der Geschädigte noch der Angeklagte: Entschuldigt hätten sie sich nach dem Vorfall beieinander, verstünden nicht, warum die Staatsanwaltschaft den Fall weiter verfolge, sagen beide. Doch die Staatsanwaltschaft hatte sich entschieden, den Fall vor Gericht zu bringen und begründet dies mit den Verletzungen, die der Geschädigte in der Nacht im April davongetragen hat.

Richterin Vera Hörauf hat Lichtbilder vor sich liegen, auf denen das Gesicht des Zeugen zu sehen ist. Eine Jochbeinprellung und ein blutunterlaufenes Auge: Woher diese Verletzungen stammen, daran will sich der Zeuge nicht so recht erinnern können. "Das soll ich ihnen glauben?", fragt die Staatsanwältin den Zeugen merklich gereizt. Er habe den Azubi nur "weggeschubst", nachdem dieser eine drohende Geste mit einer Bierflasche gemacht habe, erklärt der Angeklagte nach einigem Herumlavieren. Die Verletzungen im Gesicht des Geschädigten erklärt das freilich nicht. Wie er ihn denn geschubst habe, fragt die Richterin. "Weggedrückt hab ich ihn", sagt der Angeklagte. Er führt die Handbewegung vor, indem er mit seiner Handfläche gegen sein Gesicht drückt.

Vor der Verhandlung saßen der Geschädigte und der Angeklagte tuschelnd vor dem Gerichtssaal. Was denn der Inhalt des Gesprächs gewesen sei, fragt die Staatsanwältin mit Nachdruck. "Naja, wir haben darüber geredet wie das Ganze hier enden soll", sagt der Zeuge. Der Staatsanwältin platzt der Kragen. Sie droht dem Zeugen mit einem Verfahren, "mit einer Falschaussage machen Sie sich strafbar, das wissen Sie!" Der Zeuge knickt ein. "Ich habe am Auge schon eine Berührung gespürt." Es habe sich angefühlt wie eine "ganz normale Watschn". Auch der Angeklagte gesteht nun die "Watschn", die den Geschädigten zu Boden gebracht hat.

Schlussendlich wird das Verfahren gegen den Angeklagten gegen Auflagen eingestellt - 150 Euro muss er an eine gemeinnützige Organisation zahlen und dazu 16 Sozialstunden ableisten. Wäre es ein Faustschlag gewesen, dann hätte sie das Verfahren nicht einstellen können, erklärt Richterin Hörauf. Doch bei der Watschn habe es sich vermutlich um einen Abwehr-Reflex gehandelt, da der Zeuge den Angeklagten mit einer Bierflasche bedroht habe, so die Richterin.

© SZ vom 07.09.2016 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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