Ebersberg:Überall Leerstellen

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Im Landkreis sind für das neue Lehrjahr, das im September beginnt, noch 340 Azubi-Plätze unbesetzt. Die IHK Ebersberg kritisiert, dass zu viele Schüler das Abitur anstreben und setzt zunehmend auf junge Asylbewerber.

Von Anselm Schindler

Es werden viele Lücken bleiben, wenn am 1. September das neue Lehrjahr beginnt. Rund 340 Lehrstellen seien im Landkreis bislang noch unbesetzt, heißt es von der Industrie- und Handelskammer (IHK). Gleichzeitig gibt es nur 170 Bewerber, die noch auf der Suche nach einer Lehrstelle sind. Diese Rechnung kann nicht aufgehen. Und so fürchtet die IHK, dass im Landkreis zum neuen Lehrjahr mindestens 150 Stellen unbesetzt bleiben.

Sonja Ziegltrum-Teubner, Vorsitzende des IHK-Regionalausschusses Ebersberg sitzt gerade mit einem der begehrten potenziellen Azubis am Tisch, als das Telefon klingelt: "Ich kenne das Problem", erklärt sie, auf den Azubi-Mangel angesprochen. Sechs Stellen will Ziegltrum-Teubner in ihren Gärtnereien mit neuen Azubis besetzen, offen aber sind noch fünf. Und das, obwohl das Lehrjahr bereits in wenigen Wochen beginnt. Gegenüber von Ziegltrum-Teubner, anderen Ende des Tisches sitzt ein junger Mann, er ist Asylbewerber.

"Wir hoffen, dass wir dem Azubi-Mangel mit der Einstellung von Asylbewerbern abfedern können", sagt Ziegltrum-Teubner, die seit einigen Jahren die Parsdorfer Blumenzentrale leitet und für mehrere Betriebe im Landkreis zuständig ist. Sollte das nicht klappen, sieht es mau aus, besonders im Einzelhandel. Allein für angehende Einzelhandelskaufleute, Verkäufer und Fachverkäufer sind im Landkreis noch etwa 100 Stellen frei.

Ein weiteres Problem ist der angespannte Wohnungsmarkt

Es sei inzwischen sehr schwer, Auszubildende zu finden, erklärt Martin Gruber, der in Aßling und Grafing Filialen der Supermarktkette Rewe leitet. Seit vergangenem Jahr wirbt Gruber in Grafing mit Zeitungsinseraten um Bewerber, in den Jahren zuvor sei dies nicht notwendig gewesen. Die Azubis werden nach und nach rar. "Man muss sich nur mal anschauen, wie wenige Klassen es an den Mittelschulen gibt, wie viele Abitur machen und studieren, da ist es klar, dass immer weniger eine Ausbildungsstelle suchen".

Und das sei nur eines von vielen Problemen, sagt Ziegltrum-Teubner. Ein weiteres sei der angespannte Wohnungsmarkt. Denn nicht alle Azubis kämen aus der Region: Ziegltrum-Teubner berichtet, dass sie für eine Lehrstelle einen Bewerber aus Dresden einstellen werde, "aber was bringt es, wenn der dann hier einen Job hat, aber keine Wohnung findet?", so die IHK-Vorsitzende. Und dann gibt es noch die Sorte von Bewerbern, die zwar wollen, aber schlichtweg ungeeignet sind. Oft könnten die Bewerber nicht einmal ihre Erwartungen an den Ausbildungsberuf ordentlich formulieren, moniert Rewe-Filialleiter Gruber.

Bei der Beschäftigung von Flüchtlingen gibt es einen Haken

Man wünscht sich einen größeren Bewerber-Pool, das ist reihum zu hören, wenn man mit Unternehmern aus der Region spricht. Den Ausweg sieht man bei der IHK darin, Asylbewerbern den Arbeitsmarktzugang zu erleichtern. "Ich habe festgestellt, dass Arbeitnehmer aus Afghanistan oft sehr fleißig und sehr loyal sind", sagt Gruber, der in seinen Filialen mehrere Asylbewerber beschäftigt, darunter auch einen Auszubildenden. Gruber spricht mit Blick auf die afghanischen Mitarbeiter vom "Traum eines jeden Arbeitgebers".

Doch auch dieser Traum hat einen Haken: Zwar seien Asylbewerber inzwischen wenigstens während ihrer Ausbildung vor der Abschiebung sicher. Doch was danach komme sei oft ungewiss, schimpft Gruber. Ziegltrum-Teubner bestätigt das: "Natürlich will man als Arbeitgeber den Mitarbeiter nach der Ausbildung halten". Zwar blieben den Betrieben ohnehin nur rund die Hälfte aller Azubis nach der Ausbildung erhalten, "aber wenn dann noch die Möglichkeit besteht, dass der Mitarbeiter abgeschoben wird, dann hält sich die Motivation natürlich in Grenzen", so Ziegltrum-Teubner.

Es gebe deshalb großen Nachholbedarf für die Politik, so die IHK-Regionalvorsitzende. Die IHK fordert von der Politik deshalb seit längerem die Durchsetzung einer "2+3-Regelung". Geht es nach der IHK, dann sollen den drei Ausbildungsjahren zwei weitere Jahre folgen, in denen angestellte Asylbewerber nicht abgeschoben werden dürfen. An diesem Donnerstag führt die Ebersberger Agentur für Arbeit in der Kolpingstraße 1 von 8.30 bis 12 Uhr eine Lehrstellenvermittlung für junge Menschen aus dem Landkreis durch.

© SZ vom 21.07.2016 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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