Ebersberg:Tätowierter Beweis

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Angeblicher Exhibitionist wird vom Amtsgericht freigesprochen

Von Theresa Parstorfer, Ebersberg

Einen schockierenden Abstecher zum Bahnticketschalter in Poing erlebten eine Mutter, ihre 14 Jahre alte Tochter und deren siebenjähriger Nachbarsjunge im Juni dieses Jahres. Als Beatrix S. nach dem Fahrkartenkauf mit beiden Kindern wieder im Auto saß, hätten sie beim Anfahren einen Mann passiert, der sein erigiertes Geschlechtsteil in ihre Richtung entblößt hatte und sich sexuell befriedigte, wobei er Blickkontakt zu den Fahrzeuginsassen gesucht haben soll. Die vor Gericht sichtlich aufgelöste Frau entschied sich zuhause angekommen, die Polizei zu verständigen, da sie so geschockt gewesen sei und "als Mutter den Kindern nicht signalisieren möchte, dass das in Ordnung ist".

Angeklagt war Guido K., der sich zum Tatzeitpunkt mit großer Wahrscheinlichkeit mit anderen Stammgästen vor dem Bahnkiosk aufgehalten hatte, um "einen Mittagsschoppen" zu trinken. Die von der Kriminalpolizei Poing unternommenen Ermittlungen hatten zu ihm geführt, da die Mutter ihn auf Fotografien der am Kiosk Anwesenden wiederzuerkennen glaubte.

Seine Tätowierungen im Lendenbereich haben Guido K. jedoch vermutlich vor einer Freiheitsstrafe von bis zu einem Jahr bewahrt, da er nicht nur am Arm - wie von Beatrix S. ausgesagt worden war -, sondern bis zu den Knien, tätowiert ist. Sowohl Pflichtverteidiger Florian Alte als auch die Staatsanwältin verwendeten deshalb bei ihren Befragungen sehr viel Zeit darauf, herauszufinden, ob sich Beatrix S. oder die beiden Kinder an Tätowierungen im Lendenbereich erinnern konnten. Diese hätten aufgrund der offenen Hose sichtbar gewesen sein müssen, wurden aber von keinem der drei wahrgenommen. Da darüber hinaus auch keine eindeutige Wiedererkennung im Gerichtssaal stattfand, plädierte die Staatsanwaltschaft dafür, den Angeklagten in diesem Punkt freizusprechen.

Während sich der Verteidiger in seinen Plädoyer dem Antrag anschloss, kritisierte er die vorgenommenen Identifizierungsmaßnahmen. Die Fotos, welche die Polizei noch vor dem Kiosk von Guido K. gemacht hatte, könnten, so Alte, nicht mit den Fotos weiterer möglicher Verdächtigen verglichen werden. Denn diese seien nicht vor einem ähnlichen Hintergrund aufgenommen worden und suggerierten somit die Täterschaft seines Mandanten. Im Falle der Frage der Richterin an die Zeugen, ob sich der Täter unter den im Gerichtssaal Anwesenden befinde, sei es ebenfalls naheliegend, Guido K. zu beschuldigen, da niemand außer den beiden Vätern und einem männlichen Reporter anwesend war.

Als weiterer Anklagepunkt gegen Guido K. lag außerdem der Verkauf von Heroin vor. Dies wurde jedoch vom in dieser Sache geladenen Zeugen unmittelbar widerrufen. Er habe unter Druck der Polizei und "Egoismus" ausgesagt, niemals habe er Drogen von Guido K. gekauft. Die Staatsanwältin plädierte somit auch hier für Freispruch, obwohl sie Zweifel an der Aufrichtigkeit Guido K.s äußerte. Dieser nimmt zwar seit zwei Jahren an einem Entzugsprogramm teil und konnte auch einen durchweg positiven Therapiebericht vorlegen, jedoch wurden bei einer Hausdurchsuchung eine Feinwaage mit Heroinrückständen sowie eingefrorene Urinproben aufgefunden. Das Gericht sprach Guido K. im Folgenden frei.

© SZ vom 22.11.2017 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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