Kunst zum Anfassen. Das bietet die "Atelierdiagonale" im Landkreis, die am kommenden Wochenende wieder stattfindet. Hier begegnet man Künstlern und ihren Werken nicht im steifen Ambiente einer Galerie, nicht in einem sterilen, weißen Raum, sondern direkt am Ort des Schaffensprozesses, wo es meist wild zugeht. In alten Gemäuern meist, zwischen unzähligen Farbtuben und Maschinen, auf reichlich bekleckertem Boden.
Kunst müsse den Betrachter doch immer berühren, ihn zum Dialog einladen, beweglich sein, sagt Stefan Heide, Maler aus Pullenhofen, mit kritischem Blick auf den "viel zu elitären Kunstbetrieb". Deswegen möchte er auch, dass sein Atelier von den Gästen wie eine "Bibliothek" genutzt wird: Unzählige große und kleine Gemälde unterschiedlichster Sujets sind hier in Regalen und an den Wänden gestapelt, und jeder Besucher soll darin nach Herzenslust stöbern können. "Man darf da ganz intuitiv reingreifen, die Bilder rausnehmen und auch miteinander an der Wand kombinieren", sagt Heide, der selbst sehr gerne auf diese Weise mit seinen Werken spielt. Auch Kritik fürchtet der Maler dabei nicht. "Man kann und soll auch sagen dürfen, wenn einen etwas nicht anspricht, wenn man ein Bild langweilig findet." Denn nur so, auf der Grundlage ehrlichen Interesses, werde so ein offenes Atelier tatsächlich zum Begegnungsort.
Auch Bildhauer Hubert Maier hat diesmal seine Holzwerkstatt in Moosach nicht wie üblich für die Veranstaltung komplett leer geräumt - und ist begeistert: Die Werke von Andreas Mitterer aus Ebersberg, dem die Moosacher für die Zeit der Diagonale Unterschlupf bieten, gingen mit all den schweren Maschinen im Raum doch eine ganz besondere Verbindung ein, so Maier. Viele kleine Arbeiten hängen hier, ein bunter Materialmix aus Holz, Alu, Pappe, der gemeinsame Nenner sind industriell anmutende Muster, Raster gar, die Mittterer malt, klebt und sprüht. Dazu zeigt der Künstler einige seiner Installationen, witzige Leuchtobjekte grober Anmutung, für die er große Gummischläuche zweckentfremdet und durchlöchert. "Ich mag diese Donuts einfach, weil sie so eine ganz eigene Symmetrie haben. Diesen Faltenwurf bekommt man mit nichts anderem so einfach hin", schwärmt Mitterer.
Die Lust am Ornament teilt er mit der Moosacher Malerin Maja Ott, die bekannt ist für ihre filigran-leuchtenden Hinterglasbilder mit organischen Strukturen. Sie präsentiert bei der Diagonale ein Art Anachronismus, ein bislang fehlendes Bindeglied in ihrer kreativen Entwicklung: neue, etwas reduziertere Bilder auf Alu, welche die wilden, abstrakten Flächen früherer Werke mit den zeichnerischen Details der neueren verbinden. Außerdem hat Ott eine Wand mit einem raumgreifenden Triptychon bestückt: Um ein dreiteiliges, großes Werk gruppieren sich mehrere runde Bilder unterschiedlicher Größe. Wie Planeten, spannende innere und äußere Welten, die es zu erkunden gilt. Anatomisches wie ein Embryo ist zu erkennen, oder eine Qualle, dazwischen Landkarten.
Eine Vermessung seines künstlerischen Werdegangs präsentiert Hubert Maier anlässlich eines Jubiläums: "20 Jahre Schweden, die mich sehr geprägt haben". Jeden Sommer verbringt der Bildhauer im Norden, nun zeigt er eine kleine Auswahl seiner Steinskulpturen, die dort entstanden sind, unter anderem das "Traumhaus". Das Besondere an dieser Arbeit ist, dass man sie nicht sieht. Auf dem Podest liegt ein ovaler Stein, der völlig gewöhnlich zu sein scheint. Doch seinem Inneren hat Maier die Form eines Hauses gegeben, ein Röntgenfoto liefert den Beweis. Ein kleines Haus in Schweden: ein heimlicher Wunsch von Maier und Ott, der nun bald Realität werden könnte. "Wir haben einen schönen Platz gefunden und bekommen wohl auch die Genehmigung", sagt der Bildhauer und strahlt. Denn natürlich soll das nicht irgendein Haus werden, sondern ein Kunstprojekt: Er will die Heimstatt in der Ferne komplett selber bauen, aus Holz und Stein, von den Fenstern bis zum Waschbecken. Für die nächsten 20 Jahre Schweden.
Ein Pendant zu Otts Triptychon findet sich in Pullenhofen. Denn Gisela Heide, ebenfalls Spezialistin fürs Ornament, hat derzeit "eine experimentelle Phase". Ein Ergebnis davon ist ein großformatiges Gemälde in grün-blauen Tönen, das die Malerin über und über mit blättrigen Strukturen versehen hat, die sich teils verändern, überlagern, auflösen. Auf dem Bild und drumherum hat Heide Papierkreise verschiedener Größe befestigt, die das Thema Struktur abstrakt variieren. "Ich wollte einfach mal ein bisschen spielen, die strenge Form des Bildes aufbrechen", sagt Heide. Doch auch ohne dies vermögen ihre Werke zu überzeugen, ein ebenfalls großer Pflanzentraum in Lila zum Beispiel vermag fast hypnotische Wirkung zu entfalten.
Ob das auch für die Kunst des Andreas Schroll gilt, ist leider nicht überliefert. Er steuert zur Diagonale jedenfalls wieder sein eigenes Bier bei, das er in Moosach herstellt. So fasziniert ist Schroll von der Kunst des Brauens, dass sein Atelier mittlerweile mehr einem Labor gleicht. Silberne Kessel, eine selbst gebaute Gärkammer, Kühlschränke, unzählige Geräte und Behältnisse hat er hier untergebracht, um mit verschiedenen Rezepturen experimentieren zu können. "Letztens habe ich Whiskey-Malz verwendet, das gibt ein sehr dunkles, rauchiges Bier", schwärmt er.
Zu viel sollte man davon wohl aber nicht genießen, zumindest, wenn man den Weg zu den anderen Ateliers noch vor sich hat. Neben den Künstlern in Moosach und Pullenhofen beteiligen sich der Bildhauer Johannes Gottwald in Herrmannsdorf sowie die Malerin Ingrid Köhler in Zorneding an der Diagonale. Alle ihre Türen stehen offen am Samstag, 1. Juli, von 15 bis 17 Uhr und am Sonntag, 2. Juli, von 11 bis 20 Uhr.
Die Adressen der Ateliers lauten: Grafinger Straße 14 in Moosach, Pullenhofen 12 in Bruck, Herrmannsdorf 12 in Glonn und Moosacher Weg 1 in Zorneding (am Hügel in der südlichen Halle)