Ebersberg:Spuk am Gotteshaus

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Um die Hubertuskapelle im Ebersberger Forst rankt sich die Legende der weißen Frau, deren Geist nachts Autofahrer anhält. Bei Tageslicht offenbart sich dem Besucher ein geschichtsträchtiges Bauwerk

Von Bastian Hosan, Ebersberg

Fast jeder, der durch den Ebersberger Forst nach Ebersberg kommt, kennt sie - die kleine Kapelle direkt neben der Straße, mitten im Wald. Das kleine Bauwerk markiert gut die Hälfte der Wegstrecke auf der Staatsstraße von Forstinning in Richtung Kreisstadt. Geweiht ist die Kapelle dem heiligen Hubertus, dem Schutzheiligen der Jäger und Schützen. Bekannt ist sie jedoch eher wegen der Legenden, die sich um sie ranken. Eine dieser Geschichten ist die von der weißen Frau. Ein eher zweifelhafter Ruhm: Bei einem Unfall soll dort eine Frau überfahren und sterbend zurückgelassen worden sein. Nun spukt angeblich ihr Geist entlang der Straße. Es heißt, sie suche noch heute nach dem Fahrer, der Unfallflucht begangen habe. Dieses Drama soll sich in den Vierzigerjahren des 20. Jahrhunderts abgespielt haben, weiß Antje Berberich vom Stadtarchiv in Ebersberg. Wer die Frau war, oder ob es den Unfall tatsächlich gab, ist hingegen nicht bekannt.

Trotzdem reicht der Stoff, um die Phantasie der Menschen anzuregen: Junge Hobby-Ghostbuster fahren nachts mit Kameras an ihren Autos in den Wald und hoffen, dass sich die weiße Frau zu ihnen ins Auto setzt. Wer sie nicht mitnimmt, so die Geschichte, dem greift sie ins Lenkrad und verursacht so einen schweren Unfall. Videos solcher Ausflüge kann man im Internet finden. Den Geist selbst sieht man darin freilich nicht, aber die Kapelle. Tatsächlich gab es bis in die Achtzigerjahre immer wieder Unfälle in der Nähe der Hubertuskapelle. 1985 kam ein Auto von der Straße ab und krachte in die Kapelle. Dabei riss es den rechten Eingangspfeiler aus dem Gemäuer. Danach wurde die Straße ein wenig verlegt, die Kurve entschärft. Seitdem, so Kreisheimatpfleger Markus Krammer, habe es "Gott sei Dank keine weiteren Unfälle mehr" gegeben. Aber es erklärt doch, warum sich die Legende von der weißen Frau so hartnäckig hält. Unglücksfälle sind der Stoff, aus dem Legenden sind.

Über den Eingang der Kapelle ist eine Sonnenuhr auf die Fassade gemalt. (Foto: Peter Hinz-Rosin)

Doch auch wenn es die Legenden sind, die die Kapelle berühmt machten - sogar ein japanisches Filmteam hat sich auf die Suche nach der weißen Frau gemacht -, ist sie ein Bauwerk an einer geschichtsträchtigen Stelle: Sie steht an der Einmündung des "Scheibenwegs" auf die Schwabener Straße. Im siebten Band der Reihe "Geschichte und Gegenwart im Landkreis Ebersberg" schreibt Krammer, dass dieser Name ein Überbleibsel des Salzhandels ist: Das Salz aus Bad Reichenhall wurde einst in Scheiben über München und Landsberg am Lech an den Bodensee transportiert. Die Hubertuskapelle liegt demnach an einer ehemals pulsierenden Handelsroute. Wann das Gotteshaus erstmals an dieser Stelle errichtet wurde, ist indes nicht belegt. Markus Krammer geht aber davon aus, dass "von alters her die heute dem heiligen Hubertus geweihte Kapelle" im Forst steht. Auf einer Karte, die er im Gemeindearchiv Markt Schwabens fand, ist eine "Capeln" dort eingetragen. Datiert ist die Karte immerhin auf das Jahr 1783. Dabei aber habe es sich noch um einen "Vorläuferbau der heutigen gemauerten Kapelle" gehandelt. Denn die, weiß Krammer, wurde erst im Jahr 1859 - "durch fromme Beiträge und die Bemühungen des Forstwarts Kühner" - errichtet. Ebersbergs Chronist, Pfarrer Martin Guggetzer, soll in seinen Aufzeichnungen erklärt haben, dass an der Kapelle eine Platte angebracht war, die Kühner als Erbauer auswies. Die Platte jedoch existiert heute nicht mehr. Und heute ist es auch nicht mehr der Forstwart, der sich um die Kapelle kümmert. "Sie gehört dem Freistaat Bayern", sagt Heinz Utschig, von den Bayerischen Staatsforsten. Die Behörde ist demnach auch für die Instandhaltung zuständig. "Es sind zwei Leute aus Hohenlinden, die sich wirklich darum kümmern", sagt Utschig. Die beiden ehrenamtlichen Helfer weißeln und putzen die Kapelle regelmäßig.

Auch innen scheint die Sonne: Den Altarraum ziert ein imposantes Deckengemälde. (Foto: Peter Hinz-Rosin)

Die Einrichtung des kleinen Gebetshauses ist nicht mehr im Original erhalten. Sie bestand einst aus drei auf Holzplatten gemalten Bildern. Diese zeigten den dornengekrönten Jesus, den Heiligen Hubertus und die Gottesmutter mit Kind. Heute sind im Innenraum insgesamt sieben Kreuze zu sehen. Das eindrucksvollste ist ein gleichschenkliges Kreuz gleich über dem Altar. In seiner Mitte ist ein Bergkristall eingefasst. Gleich daneben sind zwei Kreuze auf die Wand aufgemalt, in den Fensternischen und auf dem Boden stehen weitere. Die Decke ziert das imposante Gemälde einer Taube. Sie fliegt auf blauem Grund, der von gelben Sonnenstrahlen umrahmt wird. Der Altar ist, so schreibt Krammer, aus Rotmarmor gefertigt, er steht in einer Nische am hinteren Ende des Altarraumes. Die Platte aus Marmor hingegen sieht man nicht, da ein rotes Tuch mit der Aufschrift "Heiliger Hubertus, bitte für uns" darauf liegt. Die verschnörkelten Lettern sind golden auf rotem Grund aufgestickt. Auf dem Altar steht auch heute noch ein Bildnis des Heiligen Hubertus, daneben zwei bronzene Kerzenleuchter. Sie wurden - wie auch das Kreuz mit dem Bergkristall - von der Kunstschmiede Bergmeister in Ebersberg angefertigt.

Von außen wirkt der Bau auf den ersten Blick unscheinbar, was an seiner Größe liegt. Denn die Kapelle ist nicht mehr als drei Meter breit und fünf Meter lang. Das Spitzdach, mit roten Schindeln gedeckt, hat am hinteren Ende ein kleines Türmchen. Es ist jedoch der Eingangsbereich, der sofort die Aufmerksamkeit des Betrachters auf sich zieht: Drei gotisch anmutende Spitzbögen erlauben den Zugang zum Vorraum. In den Altarraum kann der Besucher nicht, er ist durch ein schmiedeeisernes Tor versperrt. Über dem Bogen in der Vorderseite prangt eine Sonnenuhr und ein "Auge Gottes", die Sockel der Kapelle sind mit gelber Farbe bemalt.

Auch wenn sich um die Kapelle Mythen ranken - um sie herum wirkt nichts mystisch. Eher strahlt das Häuschen Geborgenheit aus, wie es da so am Forstrand steht. Ruhe kehrt dort jedoch nicht ein: Lastwagen und Autos donnern auf der Straße vorbei. Sie sind auch der Grund, warum die Kapelle mehrmals renoviert werden musste. Franz Hohenthaner, der damalige Leiter des Ebersberger Forstamtes, kümmerte sich Anfang der achtziger Jahre um die Renovierung der Kapelle.

© SZ vom 13.09.2014 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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