Ebersberg:Spannungsreiches Nebeneinander

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77 Gemälde und Skulpturen werden in der Mitgliederausstellung des Kunstvereins Ebersberg gezeigt, die am Freitag eröffnet wird. Besucher stimmen über drei Publikumspreise ab

Von Rita Baedeker, Ebersberg

"Kein Thema", so lautet alle zwei Jahre und auch dieses Mal wieder das Motto der Mitgliederausstellung des Kunstvereins Ebersberg, die kommenden Freitag in der Alten Brennerei eröffnet wird. Kein Thema, das soll natürlich nicht bedeuten, dass die insgesamt 77 eingereichten Gemälde und Skulpturen in der Galerie ein chaotisches Durcheinander bilden. Schließlich kümmert sich eine fünfköpfige Hänge-Kommission darum, dass die Arbeiten sortiert werden und in dem jeweiligen Raum ein harmonisches Ganzes bilden, und da spielen die unterschiedlichen Themen eine wichtige Rolle.

Auf diese Weise ist ein spannendes Nebeneinander entstanden - mit Reibungen, Übereinstimmungen, Kontrasten. Beispielhaft dokumentieren etwa die Arbeiten "Blau" von Marianne Arnold (Seidenmalerei, verdickt, gerakelt) und die Assemblage mit Platinen "Kein Bild, kein Ton" von Miguel A. Lopez verschiedene Ordnungsprinzipien und Rhythmen: Das eine ein aus Punkten in verschiedenen Blautönen komponiertes mandala-artiges Muster mit Tiefenwirkung. Das andere ein Irrgarten der Mikrochip-Technik, der uns Sinneseindrücke wie Sehen und Hören vermittelt, ohne selbst akustische und optische Eigenschaften zu besitzen. Zum Thema Technik, fantasievoll verfremdet, passt auch Arthur Schneids Ölbild "Robotnix". Der würde Asterix und Obelix noch fehlen im Klein-Bonum des 21. Jahrhunderts. Einem frischen Farb-Rhythmus hat sich im selben Raum Margot Haringer verschrieben. Ihre vertikalen "Schichtungen" (Acryl, Lack, Pigmente auf Leinwand) in hellem Blau, Grau, Weiß mit Schwarz sind mal pastos, mal transparent und erhalten so eine zarte, fließende Bewegung.

"Wir sind sehr zufrieden mit dem, was da geliefert wurde", sagen die Projektleiter Wout Wolters und Geraldine Frisch. Die Bandbreite der Arbeiten ist riesig. Gearbeitet wurde mit Bleistift, Kohle, Acryl, Öl, Fotografie, Wachs, Aquarell, Papier, Bronze, Ton, Tinte, Kreide, Tusche, Sand, mit Glas, Gummi, Holz, Beton, Baumrinde, Alu - und mit einem Kuhfladen. Das Objekt von Ludwig Beham, getrocknet und als "Gesicht mit Löchern" betitelt, hat ebenso Solisten-Status wie die Betonskulptur eines Gürteltiers auf Hydrant und verbranntem Holz von Karin Gerwien. Titel: "Show me the way to the next Whiskey Bar" aus Bert Brechts "Alabama-Song" in "Aufstieg und Fall der Stadt Mahagonny". Um den Leib des gepanzerten Wüstentiers sind anstelle der typischen konzentrischen Ringe mehrere Fahrradketten geschlungen. Gerwiens Anliegen ist es zu zeigen, wie die Hinterlassenschaften der Zivilisation das Umfeld der Tiere verändern. Beham hingegen, der von sich sagt, er habe einen "gesunden Anarchismus im Kopf", bekennt sich mit seiner Arbeit zu Dadaismus und Surrealismus. Einen prachtvollen Affenkopf im Profil ("Gordo") hat Christine Siebe im Stil eines Ahnenporträts gemalt. Und das zu Recht: 1958 flog Gordo als erster Primat ins All.

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(Foto: Christian Endt)

Zerbrechlichkeit und Vergänglichkeit illustiert Karin Nahr mit ihrer zweiteiligen Arbeit "Löwenzahn".

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(Foto: Christian Endt)

Eher mythischen Charakter haben die Holzplastik "Arachne" von Silvia di Natale.

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(Foto: Christian Endt)

Mit Fotos und Texten erinnert Thomas Tümmler an das Leid der Flüchtlinge.

Überlebt hat er die Exkursion nicht. Auch dem Thema Natur und Pflanzen haben sich die Mitglieder gewidmet. Eine eindrucksvolle Arbeit ist in dieser Gruppe Karin Nahrs Arbeit "Löwenzahn (Zustände)", eine Gravur in Wachs mit Ölfarbe. Man muss hier zweimal hinschauen, bevor man wahrnimmt, wie auf dem zweiten Blatt die Pflanze dahinwelkt, wie die an Schirmchen baumelnden Samen vertrocknen, brechen, von Wind und Regen zerzupft werden. Ein Massaker mitten in der Wiese ist es, was Nahr hier angerichtet hat. Gleichzeitig ein zeichnerisches Meisterwerk. Die Künstlichkeit, mit der Natur, mit der Blumen als Bukett inszeniert werden, hat wiederum Ingrid Weiss-Roskopf mit ihrem Alu-Objekt "Tanti auguri - Herzlichen Glückwunsch" zum Ausdruck gebracht.

Gärten gehören zu den bevorzugten Motiven vieler Maler. Hier finden sich zwei Beispiele. Das eine ist "hortus albus 6" (Acryl, Papiercollage) von Cornelia Piesk. Das andere zeigt ein vertrautes Sujet: "Monets Garten in Giverny", von Anna Wesely in Öl zum Blühen gebracht. Piesk bedient sich einer Formensprache, in der einzelne pflanzliche Motive und Ausgeburten ihrer Fantasie einander überlagern. Wieder andere thematisieren die Bewegung des Windes im weißen Haar einer Alten, das Licht, das sich zum magischen Gespinst verdichtet - Natur, Welt, Menschsein, das alles findet Eingang ins künstlerische Schaffen.

Der Mensch mit seinen Makeln gebärdet sich mal nachdenklich, mal dominant und grausam. Auch dazu gibt es schöne Beiträge. Hanne Kiefer zeigt mit "thinking" (Mischtechnik) einen von Schlieren und Schwaden umwölkten Kopf. Alles Gift der Missgunst liegt in dem in Grün und Gelb gehaltenen Kopfbild "Poison" (Acryl und Mischtechnik) von Andrea Merkel. Wie sich Arachne, griechische Göttin der Weber, in den Fäden ihrer Überheblichkeit verstrickt, bringt Silvia di Natale mit ihrer Kirschholzplastik zum Ausdruck. Wie Macht funktioniert, zeigt auf faszinierend schlichte Weise Marco Bruckner mit seiner Arbeit "Einfluss und Macht" (Tinte und Bleistift). Zwei Köpfe, einer in gebieterischer Haltung, der andere demütig, geduckt. Wenige Striche genügen, um das Machtgefälle zum Ausdruck zu bringen.

Das Gürteltier auf dem Weg zu Brechts Whiskeybar von Karin Gerwien. (Foto: Christian Endt)

Wie sehr Machtmissbrauch zu Gewalt, Flucht und Entwurzelung führt, damit hat sich Thomas Hümmler in der Collage "Gegenlicht" beschäftigt. Man sieht Profilfotos, scherenschnittartig schwarz. Die Profile gehören zu geflüchteten Männern aus Afghanistan, Äthiopien, Syrien, Mali, Somalia. In den Texten geht es um ihre Geschichte, um das Schicksal ihrer Familien. In einem weiteren Text befasst sich einer der Männer in Gedichtform mit Dingen, die, wie er schreibt, in Deutschland anders seien als in seiner Heimat. Zum Beispiel: "Ein Mann hat nur eine Frau, Frauen werden respektiert. Und Hunde schlafen im Haus".

Die Mitgliederausstellung des Kunstvereins Ebersberg wird am Freitag, 26. August, 19 Uhr, in der Alten Brennerei eröffnet. Finissage mit Verleihung der Publikumspreise ist am Sonntag, 18. September, 14 Uhr. Die Galerie ist geöffnet Freitag von 18 bis 20 Uhr, Samstag und Sonntag, 14 bis 18 Uhr.

© SZ vom 25.08.2016 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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