Ebersberg:Solidarität auch ohne Schweigen

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Anders als in Berlin oder Brüssel versammeln sich die Einwohner in Ebersberg am Montag um 12 Uhr nicht, um gemeinsam der Opfer in Paris zu gedenken. (Foto: Hinz-Rosin)

In Ebersberg bleibt der europaweite Aufruf zu einer Gedenkminute für die Opfer in Paris unbeachtet

Von A. Schimansky, D. Gauder, J. Morof, Ebersberg

Vor der roten Ampel am Marienplatz staut es sich. Laut tuckert der Motor des Lastkraftwagens, während sich zwei Fußgängerinnen mit Kinderwagen über den Lärm hinweg angeregt unterhalten. Auch im Café Schwaiger plaudert eine Gruppe junger Erwachsener bei Kuchen in der Sonne und nebenan, vor der Bank-Filiale, wird ein Raucherpäuschen abgehalten. Klatsch und Tratsch, knallende Wagentüren und quietschende Autoreifen, sobald die Ampel auf Grün stellt. Alles läuft ganz normal ab an diesem Montag um 12 Uhr. Nur schweigen - das tut hier niemand. Anders als in Berlin, Brüssel und anderen großen Städten bleibt der Aufruf der Europäischen Kommission zu einer Schweigeminute in Ebersberg unerfüllt.

Nach den terroristischen Anschlägen am Freitagabend in der Hauptstadt Frankreichs hatten die Staats- und Regierungschefs der EU am Wochenende alle Europäer aufgerufen, an diesem Montag um 12 Uhr gemeinsam der Terroropfer zu gedenken. "Das Gute ist stärker als das Böse", heißt es in dem gemeinsamen Schreiben mit der Aufforderung zu schweigen. Auf der Webseite und den sozialen Netzwerken war der Aufruf zu finden, doch bis zu den Menschen in Ebersberg ist er offenbar nicht durchgedrungen.

"Keine Ahnung", sagt eine der beiden Damen am Brunnen beim Marienplatz auf die Frage, ob sie von der Schweigeminute gewusst habe. Auch bei den Besuchern auf der Terrasse des Café Schwaiger gibt es nur ein Schulterzucken. "Davon haben wir gar nichts mitbekommen", erklärt einer der Besucher, warum sie das Gespräch um 12 Uhr nicht eingestellt haben. Ein ähnliches Bild zeigte sich in der Altstadtpassage und im Einkaufszentrum: Dort herrscht die übliche Mischung aus Mittagspausenstimmung, kurzem Einkaufen oder kleinem Imbiss im EinZ. Zwar geht es ruhig zu in der Innenstadt und trotz Sonnenschein tragen viele der Menschen dunkle Kleidung. Doch ein bewusstes oder demonstratives Innehalten zum Gedenken an die Terrorakte in Paris ist nicht zu erkennen.

Auch in Ämtern und Vereinen wurde die Aktion nicht aufgegriffen - wie beim Bündnis "Bunt statt Braun". Man habe davon selbst erst am Morgen im Radio erfahren, heißt es dazu beim Kreisjugendring Ebersberg. Ebenso ist im Rathaus Ebersberg und im Landratsamt der Aufruf zum Schweigen nicht angekommen. "Das ist an mir vorbeigegangen", sagt Erik Ipsen, Geschäftsleiter der Stadtverwaltung Ebersberg. Es sei keine Rundmail verschickt worden, die darüber informiert hätte. Aber man habe auch an diesem Montag noch die Trauerbeflaggung hängen lassen. Gleiches gilt für das Landratsamt, das die Minute des Gedenkens ebenfalls verpasst hat. "Wir haben die Fahnen auf Halbmast", erklärt die Pressesprecherin Evelyn Schwaiger. Doch von einer Schweigeminute wusste man nichts. Wenn die Information dort angekommen wäre, hätte man sie bestimmt weitergegeben, sagt Schwaiger. Nicht einmal in der Pressestelle der Regierung von Oberbayern ist man informiert.

Dass die Attentate in Paris aber trotz verpasster Schweigeminute auch hier Auswirkungen haben, zeigen die Bestürzung und die Anteilnahme der Ebersberger. "Die Solidarität ist sowieso vorhanden", betont beispielsweise Erik Ipsen im Rathaus. Auch ohne Schweigeminute. Das gilt ebenfalls in den Schulen: So äußert sich auch eine Lehrerin auf dem Heimweg von der Schule dazu, nichts von der Schweigeminute gewusst zu haben. Trotzdem habe sie eine Gedenkminute mit ihren Schülern abgehalten und lange über das Thema gesprochen. Das Interesse und der Informationsbedarf seien einfach sehr groß gewesen.

© SZ vom 17.11.2015 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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