Ebersberg:"Sie hat mich terrorisiert"

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Eine Frau wirft ihrem Mann vor, sie gewürgt und bedroht zu haben. Vor Gericht erzählt er eine andere Geschichte

Von Annalena Ehrlicher, Ebersberg

Fälle von häuslicher Gewalt gibt es immer wieder - die Besonderheit bei einer jüngst abgehaltenen Verhandlung im Amtsgericht Ebersberg aber war: Die Aussagen des Angeklagten und seiner Noch-Ehefrau, der Nebenklägerin, waren so entgegengesetzt wie irgendwie möglich. Dem Angeklagten wurde zu Last gelegt, seine Ehefrau mit "Schlägen ins Gesicht" misshandelt und sie gewürgt zu haben. Der 40-Jährige wies die Anschuldigungen jedoch "vehement zurück" und behauptete das Gegenteil: "Sie hat mich während der gesamten Ehe terrorisiert." Seine Verteidigerin erklärte vorweg, in der Ehe habe es massive Probleme gegeben, die unter anderem auf die psychische Verfassung der 35-Jährigen zurückzuführen seien. Die von ihm getrennt lebende Frau des Angeklagten habe immer "Stress wegen Kleinigkeiten" gemacht, fügte sie hinzu.

Bereits zu Beginn der Verhandlung nannte die Verteidigerin des Angeklagten Rache als mögliches Motiv für die Anschuldigungen. "Da bestand ein gewisses Machtverhältnis", so die Verteidigerin. Das liege daran, dass die Noch-Ehefrau des Angeklagten bereits seit mehr als zwanzig Jahren in Deutschland lebt und ihr Mann erst ein Jahr nach der Eheschließung, das heißt im Jahr 2011, nachzog. Entgegen ihren Vorwürfen habe er sie jedoch nicht wegen der Papiere geheiratet, beteuerte der 40-Jährige: "Ich habe im Kosovo gut gelebt - ich bin ihretwegen hergekommen." Der Anwalt der Nebenklägerin warf dem Gerüstbauer vor, er habe die gemeinsame Wohnung bereits am ersten Tag, nachdem er seine Aufenthaltsgenehmigung erhalten habe, verlassen. Auch das bestritt der Angeklagte: Er sei nicht freiwillig gegangen, sondern mehrere Male "rausgeschmissen" worden, sodass er sich zeitweise bei seinem Bruder einquartieren musste. "Seit ich in Deutschland angekommen bin, habe ich immer gearbeitet, ich habe die Miete gezahlt, alles in unser gemeinsames Leben gesteckt", behauptete er.

Die Nebenklägerin hingegen beteuerte ihrerseits: "Er hat mein Leben zur Hölle gemacht." Mehrfach habe er ihr Leben bedroht, was der Grund dafür sei, dass alle weiteren potenziellen Zeugen zu große Angst hätten, um gegen ihn auszusagen. Ein ärztliches Attest, das ihre Anschuldigungen belegen könnte, lag nicht vor. Augenzeugen für die Misshandlungen gibt es keine - die Spuren am Körper der Angeklagten hätten zwar Familienmitglieder gesehen, "aber alle haben zu viel Angst, um hier auszusagen, weil er so gefährlich ist", so die Nebenklägerin.

"Ich weiß es nicht mehr, aber er hat mich immer wegen Kleinigkeiten geschlagen", antwortete die Verkaufskraft auf die Frage, wie es dazu kam, dass ihr Mann sie gewürgt hat. Nach mehreren Nachfragen von Seiten der Richterin Vera Hörauf schilderte sie, dass sie auf dem Sofa gesessen und der Angeklagte im Streit damit begonnen habe, sie zu würgen. Aus Angst sei sie auch danach trotz tagelanger Halsschmerzen nicht zum Arzt gegangen. Erst nach mehreren gezielten Fragen erinnerte sie sich an ein weiteres Detail: dass ihr Mann sie bei dieser Gelegenheit mit einem Küchenmesser bedroht habe. "Warum kommen Sie erst jetzt damit?", fragte die Verteidigerin des Angeklagten. "Ich hatte Angst vor ihm", antwortete diese. "Ich werde alles tun, dass er aus Deutschland weggeht."

Warum er, nachdem er rausgeworfen wurde, immer wieder zurückgekehrt sei? "Ich habe sie geliebt", antwortete der 40-Jährige. Seine Frau habe ihn immer wieder zurückgerufen. Sie aber habe ihn teilweise sogar körperlich angegangen. Einmal habe sie ihn aus Eifersucht so fest in den Arm gebissen, dass die Spuren dauerhaft sichtbar sind. Noch während er seinerseits den Vorwurf anbrachte, zog er sich den Pullover über den Kopf, um der Richterin die Spuren zu zeigen. Auch habe sie an ihn adressierte Briefe versteckt und ihm verboten, seine Familie zu sehen.

"Und wie kam es zu der endgültigen Trennung?", fragte Richterin Hörauf. Das letzte Mal habe sie ihn "zum Teufel geschickt", und irgendwann "hat der Mensch die Schnauze voll", gab der Angeklagte an. Selbst als seine Mutter ihn in der gemeinsamen Wohnung besucht habe, sei seine Frau ausfällig geworden und habe beide grob aufgefordert, die Wohnung zu verlassen. "Ich trinke keinen Alkohol, rauche nicht, gehe nicht in die Disco", zählte er auf, nicht einmal Parfum habe seine baldige Ex-Frau ihm erlaubt. "Ich war immer gut in der Schule, hatte nie Ärger mit der Polizei, nie Schlägereien", beteuerte der Angeklagte.

Am Ende der Gerichtsverhandlung plädierte die Staatsanwaltschaft auf Freispruch: Der angezeigte Sachverhalt habe nicht bestätigt werden können. Aus Mangel an Beweisen entschied auch die Vorsitzende Richterin, den Angeklagten freizusprechen.

© SZ vom 09.01.2016 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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