Ebersberg:"Schön spielen reicht nicht"

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SPD-Landtagsabgeordnete Doris Rauscher erklärt, woran man eine gute Kita erkennt

interview Von Anja Blum, Ebersberg

Derzeit laufen überall im Landkreis die Anmeldungen für Krippen, Kindergärten und Horte. Dabei treiben die Eltern viele Sorgen um: Welche Einrichtung ist die richtige? Bekommen wir überhaupt einen Platz? Und wie wird mein Kind die Trennung verkraften? Doris Rauscher, familienpolitische Sprecherin der SPD-Fraktion im Landtag und zuvor jahrelang pädagogische Leiterin von 28 Kindertagesstätten, über ein bewegendes Thema.

Frau Rauscher, Sie sagen: "Es reicht nicht, wenn ein Krippenkind beim Abschied nicht weint." Denn das bedeute noch lange nicht, dass es ihm gut gehe. Worauf kommt es denn an?

Vor allem darauf, dass die Einrichtung mit ausreichend qualifiziertem Personal ausgestattet ist. Denn nur so ist es möglich, dass nicht nur der Tagesablauf strukturiert und Gefahr abgewendet, sondern pädagogisch gut gearbeitet wird. Die Erzieher sind nämlich alle engagiert - woran es hapert, sind die Rahmenbedingungen.

Aber woran erkennen pädagogisch ungeschulte Eltern denn, ob eine Kindertagesstätte gut ist oder nicht? Beim Tag der offenen Tür zeigen sich doch alle von ihrer besten Seite. . .

Gut wäre es sicher, wenn man sich vor einem Besuch ein bisschen vorbereitet und sich ein paar Fragen überlegt, gerade beim ersten Kind. Zum Beispiel kann man fragen, wie es um die personelle Ausstattung bestellt ist, oder ob es langjährige, erfahrene Mitarbeiterinnen gibt. Das nämlich zeugt immer von wenig Fluktuation und einem guten Klima im Team. Dann kann man sich - kritisch, aber freundlich - erkundigen, wie die Eingewöhnung gestaltet wird. Hier ist es wichtig, dass sie sanft vollzogen wird, denn umso stabiler ist das Kind danach: keine Trennung vor dem vierten Tag in der Krippe, und dann sollte für Notfälle die Mama oder der Papa in greifbarer Nähe sein. Sprüche wie "Hier ist elternfreie Zone!" sollten in der Eingewöhnung tabu sein. Auch nach dem Tagesablauf kann man fragen: Er sollte geregelt sein und den Kindern damit Sicherheit bieten, aber auch genügend Freiräume für kreatives Spiel enthalten.

Worauf können Eltern - etwa bei einem Rundgang - sonst noch achten?

Wichtig ist, dass man sich nicht von Hochglanzbroschüren oder schicker Architektur blenden lässt. Viel aussagekräftiger ist zum Beispiel, wie die Atmosphäre ist. Offen und freundlich oder eher unterkühlt? Wie wird der Alltag dokumentiert? Hängen Infotafeln, Fotos oder Gebasteltes an den Wänden? Sehen die zwölf gebastelten Schneemänner alle gleich aus, oder durften die Kinder ihrer Kreativität freien Lauf lassen? Gibt es Rückzugsmöglichkeiten für die kleinen Bewohner?

Und was kann ich unterm Jahr tun, um mich von der Qualität der Betreuung zu überzeugen?

Die Augen und Ohren offen halten, Interesse an der Kita zeigen, mit dem Kind sprechen oder, wenn es noch kleiner ist, gut beobachten. Immer zu empfehlen sind regelmäßige Elterngespräche, in vielen Einrichtungen gibt es auch die Möglichkeit, mal einen Tag zu hospitieren. Letztendlich bleibt bei der Beurteilung der Kita aber immer ein Rest Bauchgefühl - und das ist auch in Ordnung. Denn der Bauch trügt einen dabei meistens nicht.

In manchen Städten kommt ein Krippenplatz einem Sechser im Lotto gleich - solche Zustände torpedieren die Qualitätsdebatte, die Sie anstoßen wollen. . .

Ja, das stimmt. Oft sind die Eltern einfach froh, wenn sie überhaupt zum Zug kommen. Aber in vielen Köpfen ist auch noch gar nicht angekommen, wie wichtig die Qualität der Betreuung ist, dass die ersten Jahre entscheidend sind für den weiteren Weg eines Kindes. Viele denken, es reicht, wenn die Erzieherin nett ist und schön mit den Kindern spielt. Deswegen mangelt es auch so an der Wertschätzung dieses Berufs.

Auch in den Kitas im Landkreis kommt es wegen vieler Krankheitsfälle und Schwangerschaften immer wieder zu personellen Engpässen - wieso protestieren die Eltern nicht gegen solcherlei Missstände?

Naja, sie wollen mit Protest nicht die eigene Kita treffen. Und aus Resignation wahrscheinlich. Weil sie meinen, man könne nichts bewegen. Sie nehmen es als gegeben hin und sehen nicht, dass da in der Vergangenheit politisch ordentlich was verpennt wurde, das sich jetzt nicht so leicht wiedergutmachen lässt. Nach dem Motto: Woher soll man denn das fehlende Personal nehmen?

Würden Sie sich mehr Initiativen von Eltern wünschen?

Ja, unbedingt, es wäre sehr schön, wenn die Erzieher in ihrem Kampf um bessere Rahmenbedingungen mehr Solidarität erfahren würden. Gerade weil sie meist Gutmenschen sind, die nicht rebellieren, weil sie die Familien nicht in Not bringen wollen. Außerdem würde es den Druck auf die Staatsregierung natürlich erhöhen, wenn die Eltern diese Zustände nicht mehr länger akzeptierten. Ich will jedenfalls auch weiterhin versuchen, diese Gruppe der Betroffenen noch mehr in meine Arbeit und meine Kampagne miteinzubeziehen.

© SZ vom 28.01.2016 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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