Ebersberg:Schock am Waldrand

Lesezeit: 2 min

Amtsgericht Ebersberg verurteilt 21-jährigen Exhibitionisten zu einer Geldstrafe

Von Antonia Heil, Ebersberg

Es war ein Abend im Frühsommer 2015. Eine junge Frau ging mit ihrem Hund am Waldrand in der Nähe von Forstinning spazieren. Wahrscheinlich war es warm, blühende Blumen dufteten und die Nachtigall sang sich in der Dämmerung schon langsam ein. Eine Idylle, die gleich unterbrochen werden sollte, denn da stand plötzlich ein Mann vor der 17-Jährigen, öffnete seine Hose und masturbierte nur wenige Schritte von ihr entfernt. Dabei sah er ihr direkt in die Augen. Die junge Frau war geschockt und rief die Polizei, die den Forstinninger dann anzeigte.

"Es war halt eine Phase", antwortete der heute 21-Jährige auf die Frage von Richter Dieter Kaltbeitzer, was er sich denn dabei gedacht habe. "Ich hab' eigentlich gar nichts gedacht in dem Moment." Das war so ziemlich der längste zusammenhängende Satz, den der Angeklagte während der Verhandlung von sich gab, als deren Ergebnis eine Geldstrafe von 1 500 Euro herauskam. Was während der Tat in seinem Kopf vorging, konnte oder wollte der Mann aus dem nördlichen Landkreis Ebersberg nicht in Worte fassen. Sein hochrot angelaufener Kopf sprach zwar Bände, aber Körpersprache ist aus juristischer Sicht schwer einbeziehbar in die Beweisaufnahme, da man sie vielseitig deuten kann. Deswegen blieb es beim Tathergang in der Version, wie sie das Opfer bei der Vernehmung durch die Polizei geschildert hatte.

Die Verhandlung dauerte nicht lange, weil der gebürtige Münchner sofort alles zugab, was die Staatsanwaltschaft an Vorwürfen aufführte. Er brauchte schließlich auf die Frage des Richters, ob der Tathergang so gewesen sei wie der Staatsanwalt ihn vorgetragen hatte, nur mit "ja" zu antworten. Nach diesem schnellen und reibungslosen Geständnis entschloss sich Kaltbeitzer kurzerhand dazu, das Opfer nicht in den Zeugenstand zu holen. Das Mädchen solle das, was sie da erlebt hat, nicht noch einmal vor Augen geführt bekommen, indem sie es ein weiteres Mal schildern muss, so der Richter. "Immerhin ist sie ja noch so jung, und er hat sie während der Masturbation direkt angesehen", so Kaltbeitzer. "Das muss für sie eine sehr traumatische Sache gewesen sein." Der junge Mann nickte.

Um sich ein Bild von seiner Strafmündigkeit machen zu können, hatte das Gericht den Exhibitionisten routinemäßig an das Jugendamt verwiesen. Mit 20 Jahren ist man vor dem Gesetz noch Heranwachsender und kann je nach "geistiger und sittlicher Reife" entweder nach Jugend- oder Erwachsenenstrafrecht verurteilt werden. Der Angeklagte allerdings war nicht bei seinem zugewiesenen Betreuer erschienen. Auf Kaltbeitzers Nachfrage hin lief er rot an und druckste herum: "Ich wusste nicht . . ." Er hatte es offenbar nicht für nötig befunden, den Termin wahrzunehmen.

Wie sich herausstellte, war der Angeklagte für den anwesenden Betreuer vom Jugendamt aber auch so beurteilbar: Er wuchs in geordneten familiären Verhältnissen auf. Nach dem Abschluss an der Realschule nahm er eine Ausbildung zum Handwerker auf, die er 2015 abschloss. Er wohnt noch immer bei seinen Eltern, die beide berufstätig sind, und hat ein regelmäßiges eigenes Einkommen, weil sein Ausbildungsbetrieb ihn übernommen hat. All dies und die Tatsache, dass der junge Mann seine sexuellen Triebe nicht unter Kontrolle habe, brachten den Mitarbeiter des Jugendamtes dazu, eine Bestrafung nach Jugendstrafrecht zu beantragen.

Der Staatsanwalt forderte zusätzlich zu den 1500 Euro für wohltätige Zwecke noch ein Schmerzensgeld, das der Exhibitionist der Geschädigten zahlen sollte. Richter Kaltbeitzer war jedoch nicht angetan von dieser Idee. "Das Mädchen möchte die Angelegenheit bestimmt so schnell wie möglich vergessen". Durch das Schmerzensgeld werde sie dann nur erneut mit der Tat konfrontiert.

© SZ vom 29.09.2016 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
Zur SZ-Startseite

Lesen Sie mehr zum Thema

Jetzt entdecken

Gutscheine: