Ebersberg:Schmelzendes Eis und Frühlingsgewitter

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Beim Kinderkonzert der Münchner Philharmoniker im Alten Speicher beginnt die Natur zu singen

Von Peter Kees, Ebersberg

Clara müsste man heißen, elf Jahre alt sein und Geige spielen. Oder Mischa, Tassilo und Nicole - die vier sind Bundespreisträger von "Jugend Musiziert" und durften als Solisten bei einem der Kinderkonzerte der Münchner Philharmoniker in Vivaldis "Die vier Jahreszeiten" aufspielen. Clara Shen ist elf Jahre alt und ein Ausnahmetalent, sie übernahm den Part des Winters im viersätzigen Violinkonzert. Ihr Ton ist der einer ausgereiften Geigerin. Da stimmt nicht nur die Technik, sondern auch der musikalische Gestus.

Auch Nicole Ostermann (sie spielte den Frühling), Michael Nodel (Sommer) und Tassilo Probst (Herbst) überzeugten auf ihren Instrumenten. Nun war das, was vergangenen Sonntag auf Einladung des Kulturkreises Ebersberg im Alten Speicher zu hören war, nicht irgendein Kinderkonzert, es war eines aus der legendären Serie um den ehemaligen Solocellisten der Münchner Philharmoniker, Heinrich Klug. Das ist schon deshalb etwas Besonderes, weil Klug nicht nur musikalisch, sondern auch methodisch höchst einfühlsam Kindern die Welt der klassischen Musik nahe bringt. Irgendjemand hat ihn mal als Märchenonkel bezeichnet. Das trifft und trifft doch nicht, denn der Musiker ist weit mehr. Nehmen wir seine Vorstellung des Frühlings aus Vivaldis "Vier Jahreszeiten": Klug steht auf der Bühne, und übersetzt äußerst liebenswürdig die Musik in starke plastische Bilder, ehe die jungen Talente gemeinsam mit den Profimusikern der Philharmoniker zu spielen beginnen. Keineswegs akademisch, vielmehr mit Leidenschaft und Freude erklärt er die Motive, dazu lässt er die Musiker die jeweiligen Ausschnitte spielen: wie der Frühling in seiner Pracht in Musik umgesetzt wurde, wie der Gesang von Nachtigallen, Amseln oder Drosseln in den Geigenstimmen erklingt, wie das schmelzende Eis, ein rauschendes Bächlein, ein Frühlingsgewitter, sogar das wachsende Gras. Und als die Bratsche auf einmal gar nicht schön klingt, erklärt er den Kinder sogleich, weshalb der Bratscher so spielt: Weil Vivaldi hier das Bellen eines Hundes imitiert. Begeisterung, besser Leidenschaft ist da am Werk. Klug vermittelt Musik derart wunderbar, dass sich schon in der Pause die Kleinen auf die Instrumente stürzen. Hier spricht und musiziert einer aus dem Herzen. Da ist nichts von künstlicher Didaktik, da herrscht wundervolle Authentizität. Und weil es für die Augen auch noch etwas geben soll, tanzen zur Musik jugendliche Tänzer und Tänzerinnen der international renommierten Ballettschule Benedict-Manniegel. Auch sie voller Leidenschaft (nach der Pause führte die Ballettmeisterin in die Kunst des klassischen Tanzes ein). Die hübschen Kostüme der Ballerinen stammen von Petra Jakob. Eigentlich sollte die Welt in Ordnung sein, wenn man all diese jungen, begeisterten Menschen erleben darf.

Das Konzert um den "roten Priester" - Vivaldi hatte erst Theologie studiert, weil sonst das Schulgeld nicht zu bezahlen gewesen wäre -, wartete neben dem Hauptwerk noch mit ein paar kleinen Stückchen auf: Zu Beginn stellten sich die vier Solisten mit einem Satz aus einem Konzert für Violine und Echo-Violine von Vivaldi dem Publikum vor. Und dann trat da noch eine Sängerin auf: die fünfzehnjährige Serafina Starke; bislang saß sie an der Geige im Orchester. Zwei Arien aus der Feder des Italieners sang sie mit hübscher Stimme.

Klug bezog auch das Publikum ein ins Geschehen. Zu jedem Satz der Jahreszeiten stimmte er mit den Zuhörern - klein wie groß - lustige Texte an. Ans Donnerblech holte er zwei Buben, die es nicht nur beim Sommergewitter krachen lassen durften. Besser kann man Kinderkonzerte nicht veranstalten.

© SZ vom 06.12.2016 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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