Ebersberg:Schmalztiegel

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Jürgen Bochynek, Cornelia Schmieg und Henriette Klemmer präsentieren die Ausstellung ihres Fotoklubs aus Grafing bei der VHS in Ebersberg. (Foto: Christian Endt)

Die Fotografen von "Blende 85567" zeigen bei der VHS einen recht einseitigen Blick auf Amerika

Von Victor Sattler, Ebersberg

"Ein Objektiv ist nicht zwangsläufig objektiv", warnte der deutsche Fotograf Klaus Ender. Schließlich wählt das Auge am Objektiv das Motiv mit viel Bedacht, schneidet links und rechts den Kontext ab. Bei der Fotoausstellung des Grafinger Klubs "Blende 85567" beginnt die subjektive Umsetzung bereits beim Titel: Die Ebersberger Volkshochschule hat zwar "Traum-A-merika" zum Semesterthema ausgerufen, der Fotoklub aber pickte sich den "Traum" heraus und ließ das "Trauma" im gewollt zweideutigen Titel außen vor.

Die 14 ausstellenden Mitglieder hatten zunächst ein ganz anderes Problem: Zwei von ihnen waren noch nie auf der anderen Seite des großen Teichs gewesen. Abhilfe schaffte der Besuch eines Meisterschaftsspiels der "German Football League". Als die "Munich Cowboys" mit einem Rums auf die "Schwäbisch Hall Unicorns" trafen - und der Klub das Spektakel vom Spielfeldrand aus fotografieren durfte - da blies es auch den Letzten ein wenig amerikanischen Schweiß die Nase hoch.

Es sei das Feeling von "Verrücktheiten wie Hollywood, vom Dimensionen-Sprengen und von extremen Gegensätzen" gewesen, was die Fotografen an dem Event interessiert habe, erklärt Jürgen Bochynek, der Vorsitzende von "Blende 85567". Ihn haben über Jahrzehnte hinweg regelmäßig Geschäftsreisen in die USA geführt - "ich mag die lockere Mentalität einfach", gibt er zu. Fundierter ist da die Amerika-Liebe seiner Stellvertreterin Cornelia Schmieg. Ihre Tochter hat den Sprung ins Hauptquartier von Google geschafft, ins Herz der IT-Elite in Kalifornien. Das, plus die Ausstellung, gab Schmieg genug Anlass für eine Rundreise. Die meisten ihrer Motive entstanden in Las Vegas, wo sie Hunderttausende Lichter knipsen und den Casino-Flair eindrucksvoll einfangen konnte. Für Deutsche sei die Größe und Zahl der Spielhallen unbegreiflich, für den Durchschnittsamerikaner indes ein selbstverständlicher "Lebenstraum". Und Trauma? "Die Spielsucht hat mich erschreckt", sagt Schmieg, "Senioren werden zum Einarmigen Banditen gekarrt, damit sie bei einem Drink noch ihr letztes Geld einwerfen. Die waren dem Automaten wirklich ausgeliefert."

Bochynek hingegen erkennt keinen Fehler darin, dass er keinen Fehler in den USA sieht, dass die technisch hochwertig produzierten Fotografien ein idealisiertes Bild von Amerika widerspiegeln. "Wenn unsereins seinen Jahresurlaub dort verbringt, dann geht er doch nicht dahin, wo er sich an miserablen Lebensbedingungen berauschen kann", sagt er. Sein Foto vom Wilden Westen zeigt die Darsteller eines Laientheaters, das den Western witzig wiederbelebt. Und so sind - neben den schönen, nach Farbstimmung sortierten Naturaufnahmen von Sandstein und hochalpinen Nationalparks - viele der Ausstellungsstücke eben auch Trugbilder, wo sich die Palmenpromenade "Rodeo Drive" im prolligen Rolls-Royce spiegelt. "Zwei Fotografen kommen vom gleichen Ort mit ganz unterschiedlichen Bildern zurück", sagt Bochynek, aber der Kanon in der VHS ist einstimmig. Niemand versucht zu verschleiern, dass der Blick der eines seichten, illustre Laster suchenden Touristen ist. Die Fotos haben sicher ihren Platz, aber im Kontext des aktuellen Weltgeschehens - und vor allem des bewusst kritischen Semesterthemas - scheint das Herauspicken der einfacheren Hälfte, des Traums, doch gedankenlos bis gleichgültig.

Einen ungewöhnlicheren Ansatz bietet lediglich Thomas Hofmann. Von ihm ist das einzige Foto mit Menschen im Fokus - ironischerweise keine echten Amerikaner: Zwei korpulente Kubaner haben sich von Kopf bis Fuß in "Stars and Stripes" gehüllt. So sieht offenbar ihre Idee vom Streben nach einem besseren Leben aus, und so ähnlich haben es die 14 Fotografen auch gemacht.

"Traum Amerika": Fotoausstellung von "Blende 85567" bei der VHS in Ebersberg, Vernissage an diesem Donnerstag, 5. Oktober, um 19.30 Uhr. Zu sehen bis Ende Februar.

© SZ vom 05.10.2017 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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