Ebersberg:Schlechte Aussichten

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Wie es um die Bäcker steht. Und wie sie reagieren können

Von Jan Schwenkenbecher, Ebersberg

"Auch wir sind seit Jahren einem Konzentrationsprozess unterworfen", sagt Martin Rieger. Er ist Obermeister der Bäcker-Innung des Landkreises, führt selbst eine Bäckerei in Markt Schwaben. "Die Zahl der Betriebe schrumpft, andere werden größer, eröffnen mehr Filialen, machen mehr Umsatz." Rieger kennt keine Zahlen, es ist sein Gefühl. Das, was er in seinem Laden so mitbekommt. Und von anderen Bäckern hört, bei Innungs-Treffen. Zahlen gibt es aber vom Zentralverband des Deutschen Bäckerhandwerks. Nicht für Ebersberg, aber für Deutschland. Sie spiegeln im Großen wieder, was Martin Rieger im Kleinen beschreibt.

Der Verband unterteilt Bäckereien in drei verschiedene Größen. Die kleinen, bis zu einem Jahresumsatz von 500 000 Euro. Die mittleren, deren Umsatz zwischen 500 000 und fünf Millionen Euro liegt. Und die großen mit noch mehr Umsatz. 65,5 Prozent aller Bäckereien fallen in die kleine Sparte. Doch sie sind nur für 8,8 Prozent des gesamten Umsatzes verantwortlich. Umgekehrt ist es bei den großen, zu denen zwar nur 4,3 Prozent zählen, die aber 65,3 Prozent allen Umsatzes ausmachen. Viele kleine setzen also wenig Geld um, wenige große machen viel Geld.

Und je größer die Betriebe werden, je maschineller die Produktion ist, desto weniger Angestellte brauchen sie. Der Zentralverband gibt an, dass die Zahl der Beschäftigten im Bäckerhandwerk im Jahr 2015 auf 275 200 sank, 2000 weniger als im Jahr zuvor. Hinzu kommt, dass der Nachwuchs fehlt. "Die Lehrlingszahlen sind tendenziell eher sinkend", sagt Martin Rieger. Der Deutschlandtrend belegt das. Noch stärker sanken die Zahlen der Auszubildenden zum Bäckereifachverkäufer. 12 400 waren es 2015 noch, 1238 weniger als 2014, ein Rückgang von 9,1 Prozent. Und zu allem Übel essen die Deutschen auch immer weniger Brot. 1,8 Millionen Tonnen waren es 2015, 1,8 Prozent weniger als im Vorjahr. "Je mehr Menschen berufstätig sind, desto weniger Zeit haben sie am Werktag zum Einkaufen", sagt Rieger. Man läuft also nicht erst zum Bäcker, schlendert dann zum Metzger, spaziert schließlich noch beim Gemüseladen vorbei. Man geht in den Supermarkt, kauft alles auf einmal.

Zudem ist es in Deutschland für den Käufer ziemlich schwierig zu erkennen, ob ein Brötchen, eine Breze tatsächlich frisch gebacken oder vorproduziert und lediglich aufgebacken ist. Bäckerei dürfen sich zwar eigentlich nur in die Handwerksrolle eingetragene Betriebe nennen, bei denen ein Bäckermeister die Aufsicht führt. Allerdings ist es seit einem Urteil des Landgerichts Wuppertal vom 8. Mai 2013 auch bloßen Verkaufsfilialen gestattet, sich so zu bezeichnen. Schaut man in die Urteilsbegründung, so offenbart sich dort die komplette Problematik des Bäckerei-Berufs: "Selbst wenn mit dem Begriff der 'Bäckerei' früher die Assoziation einer Backstube einherging, ist diese Assoziation heute nicht mehr vorherrschend." Dieses Vorstellungsbild sei nicht mehr zeitgemäß. "Für den Kunden ist es auch meist nicht entscheidend, dass die von ihm gekauften Backwaren direkt aus einer der Verkaufsfiliale angeschlossenen Backstube stammen."

Reagieren könnten die Bäckereien, so sagt es Rieger, nur mit "Spezialisierung, etwa der Belieferung von Gastronomie, einem besonderen Ambiente, einem persönlichen Kontakt zu den Kunden". Rieger glaubt also noch an den bedachten Kunden, der die Qualität der traditionellen Backstube schätzt. Der unterscheidet zwischen industrieller Massenware und traditionellem Handwerk. Zumindest sagt er das.

© SZ vom 16.05.2017 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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