Ebersberg:Schlagabtausch um Ärztehaus

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Die niedergelassenen Ärzte fürchten um ihren Status als ambulante Versorger - und protestieren heftig gegen das geplante Ärztehaus am Klinikum. Doch einige Mediziner scheinen insgeheim auch Interesse zu haben.

Martin Mühlfenzl

Ein Satz sorgt unter den niedergelassenen Ärzten im Casino der Kreisklinik für Aufsehen. Beinahe ungläubig suchen die Mediziner den Augenkontakt mit ihren Nebenmännern - als suchten sie bereits die Schuldigen. "Schon einige aus Ihren Reihen haben sich bei mir gemeldet", sagt Robert Decker. Jener "Finanzpotentat", wie ihn der Internist Othmar Gotzler bezeichnet, der zusammen mit dem Architektenbüro Anger-Groh nahe dem Klinikum ein Ärztehaus errichten will - und wird.

"Sie hätten uns vorher einbinden müssen", findet Internist Hubertus Heeremann. (Foto: Peter Hinz-Rosin)

Die Ankündigung des Kreises, ein Ärztehaus auf dem eigenen Grund am Krankenhaus erbauen zu wollen, hat in den vergangenen Wochen zu heftigen, teils aggressiven Protesten der niedergelassenen Ärzte geführt. Am Mittwochabend starten daher Klinikchef Stefan Huber und Werner Klein, Vorsitzender des ärztlichen Kreisverbandes, den Versuch, in einer Informationsveranstaltung Missverständnisse auszuräumen, Interessen herauszuarbeiten und den Konsens zwischen den Partnern herzustellen.

"Wir sind Partner und müssen Unschärfen aus der Welt räumen", eröffnet der Klinikchef die Veranstaltung. Gleich zu Beginn versucht der Geschäftsführer, die Fach- und Hausärzte zu beruhigen: "Die Klinik plant nicht, in den ambulanten Markt zu drängen. Wir werden am aktuellen Stand nichts ändern." Schließlich gewährleiste dieser eine hervorragende Versorgung der Patienten - dank der Klinik als stationärem und den niedergelassenen Ärzten als ambulantem Versorger. Ein Ärztehaus aber stärke die medizinische Landschaft. "In unsere Präambel steht: Unser Auftrag ist die stationäre Grundversorgung der Patienten - als Partner der niedergelassenen Ärzte."

Vernunft lässt auch Ärztevertreter Klein walten, der sachlich die Bedenken der niedergelassenen Ärzte vorträgt: Die Verkehrssituation am Krankenhaus sei katastrophal, in die Klinik würden öffentliche Gelder investiert - Hausärzte müssten alles selbst erwirtschaften. "Natürlich haben wir Angst, dass aus diesem Ärztehaus ein privates medizinisches Zentrum wird", erläutert Klein. "Das würde die medizinische Landschaft deutlich verändern."

Zwar sei der Landkreis KV-Sperrgebiet - aber was habe das schon für eine Bedeutung, sagt Klein: "Arztsitze können aufgekauft werden. Auch von Ärzten außerhalb des Landkreises." Immer wieder wird Klein vom Beifall der niedergelassenen Mediziner unterbrochen. Denn noch steht die Phalanx der Ärzte gegen das Ärztehaus.

So moderat im Ton äußern sich an diesem Abend aber nicht alle Mediziner. Nach Hubers Begrüßung, dem langen Monolog der CSU-Kreisvorsitzenden Christa Stewens und Robert Deckers Erläuterungen zu seinem Vorhaben platzt dem Grafinger Internisten Gotzler der Kragen. "Sie sind abgelöst", schmettert er Stewens entgegen und hält Huber vor "beleidigt" zu reagieren. Schließlich habe der Klinikchef noch einmal betont, sich gegen "Verleumdungen" aus der Ärzteschaft rechtliche Schritte vorzubehalten. "Jämmerlich", ruft Gotzler.

Sachlich argumentiert hingegen der Ebersberger Internist Hubertus Heeremann: "Ein Ärztehaus ist nicht außer dem Interesse der niedergelassenen Ärzte. Aber sie hätten uns vorher einbinden müssen."

Die Informationspolitik des Kreises und der Klinik ist ein Hauptkritikpunkt. Der zweite: das Vetorecht der Kreisklinik bei der Belegung der Praxen im Ärztehaus. "Wettbewerbsverzerrung", klagt Gernot Straka, Mediziner aus Ebersberg. "Ein Instrument zum Schutz der Klinik und ihrer Interessen", hält Klinikchef Huber dagegen - und erhält Unterstützung von Ebersbergs Bürgermeister Walter Brilmayer (CSU): "Wir als Stadt sind nur für baurechtliche Fragen zuständig - und für das Wohl unserer Stadt. Und das Ärztehaus ist gut für Ebersberg."

Alle Fronten lösen sich an diesem Abend nicht auf. Doch Klinikführung und Kreisverband betonen, wieder vermehrt in einen Diskurs treten zu müssen. Das Ärztehaus aber wird kommen.

© SZ vom 12.11.2010 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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