Kunst:Reiche Ausbeute

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Viele Künstler wissen die Schönheit des Landkreises zu schätzen und halten sie auf höchst unterschiedliche Weise fest.

Von Rita Baedeker

Wer im taufrischen Frühling oder an einem jener durchsonnten Herbsttage entlang der Weiherkette, rund um den Egglburger See oder im Schwabener Moos mit seinen Mühlen unterwegs ist, möchte - auch ohne das mindeste Talent zum Malen - am liebsten zu Farben und Pinsel greifen, um die Schönheit der Landschaft festzuhalten. Reiche Ausbeute an Motiven birgt auch das Brucker Moos mit seinen Streuwiesen und Mooren, am Horizont die Alpengipfel. Kleinteilig und bewaldet ist das grüne Hügelland im südlichen Landkreis, heideartig der Norden mit seinen Wasserläufen und Mühlen. Kirchtürme wie der von Alxing, die Geometrie der Höfe, Felder und Äcker setzen dabei Zeichen und geben dem Werk des Schöpfers ein menschliches Maß.

Kein Wunder also, dass die heimischen Maler im Landkreis ebenso schöne wie zahlreiche Motive fanden und finden. Wie zum Beispiel das expressionistische Werk Joseph Lohers zeigt, der lange in Anzing lebte, wo er 2002 starb, ist Landschaftsmalerei nicht immer eine gegenständliche Kunst. Loher hat seine Wahlheimat oft gemalt, die Landschaft hat ihn zu zarten Kompositionen inspiriert. Im vordergründigen Motiv von Himmel, Höfen und Äckern sah er das mannigfache Spiel von Farbe, Licht, Linie und Fläche. Auch ohne Einzelheiten erkennt man in seinen Bildern den unspektakulären Charakter des Bauernlandes im Münchner Osten.

Eine Rindenstudie namens "Magic Wood" von Wally Bistrich. (Foto: Wally Bistrich/oh)

Ganz anders der Landschaftsmaler Nikolaus Gumberger, der von 1822 bis 1898 lebte und das Land zwischen Inn und Isar auf die Leinwand bannte. Der fahrende Künstler, der unter anderem Schauspieler, Kulissen- und Vedutenmaler war, verstand sich als Chronist: Er schuf bis auf Baum und Busch detailgetreue Panoramen, etwa das Bild von Grafing und Ebersberg mit föhnblauer Alpenkette, wie man es vom Aussichtsturm aus sehen könnte. So genau hat Gumberger es dann aber doch nicht genommen mit der Geografie, denn er deutet am rechten Bildrand die Stadt München an. Die aber liegt - und lag auch damals - im Nordwesten, und ist aus dieser Perspektive eigentlich nicht zu sehen. Aber möglicherweise, so vermutete Rotraud Acker, ehemals Leiterin des Grafinger Stadtmuseums, die das Bild 2009 im Münchner Kunsthandel entdeckt hat, wollte der Maler mit Hilfe des Breitwandformats dem Betrachter einen kompletten Rundblick ermöglichen. Die Videokamera war ja noch nicht erfunden.

Die Landschaftsmalerei hat eine bewegte Tradition. Einst diente die Landschaft in Form eines idealisierten "himmlischen Jerusalems" mit Felsen, Bäumen, Bächen, Tempeln und Ruinen als Bühne für heilige Herrschaften. Die Impressionisten wiederum vollzogen in der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts mit der Auflösung von Farbe und Form in Lichtreflexe und Punkte einen Bruch mit der akademischen Lehrmeinung. Später, zu Beginn des 20. Jahrhunderts, folgte die Reduktion der Form bis hin zum Konstruktivismus. Es war die Zeit explodierender Farbfelder einerseits und geometrischen Minimalismus' andererseits. Auch heute gibt es in der Kunst mannigfache Annäherungen an das Thema Landschaft. Auch die feine meisterhafte Zeichnung, fern von jeglichem "Abmalen", hat ihren Reiz niemals verloren.

Der Blick auf die Kirche von Bruck stammt von Anny Schmidtke. (Foto: Anny Schmidtke)

Anny Schmidtke aus Aßling malt gegenständlich, "aus Überzeugung", wie sie sagt. Das hier abgebildete Motiv, die Kirche von Bruck, liegt vor ihrer Haustür. "Wenn ich unterwegs bin, wenn das Licht sehr schön ist, dann mache ich ein Foto und male daheim im Atelier". Besonders gern auf Leinwand bannt sie das Moos mit seinen Birken, die Filzen mit den Stadeln oder Bäume im Frühling, noch ohne Laub und mit rötlichem Schimmer, auch Winterbilder mit ihrer dezenten Farbigkeit, die sich verjüngenden Linien der Wege und Felder schätzt Schmidtke. Sie malt, seit sie im Fach Kunst Abitur machte und eine Ausbildung zur Kunstlehrerin für die Hauptschule absolviert hat. Sie arbeitet mit Acryl, Aquarell, Pastell, Öl und macht Radierungen. "Ich male nur für mich", sagt sie. "Mit geht es ja nicht darum, etwas zu verkaufen."

Radikal anders geht Wally Bistrich an Landschafts- und Naturmotive heran. Etwa in der Serie "Magic Woods". Es gebe einen Song von Joan Baez mit der Textzeile "Don't go to the wood at night, the wood is full of shiny eyes. . .", sagt die Poinger Künstlerin über ihre Rindenbilder, die alle ein wenig unheimlich wirken. Der Songtext beschreibt das Gefühl, das ihre abstrakten Studien erzeugen. Die Inspiration für ihre Malerei komme immer aus der Natur, sagt Bistrich. Die Bilder beziehen sich aber nicht auf eine Landschaft als Ganzes, sondern sollen den Blick des Betrachters auf ihr wichtig erscheinende Details wie die Strukturen einer Borke, Muster in geschnittenem Holz oder zugefrorene Pfützen lenken. "Da ich in Anzing wohne, finde ich viele meiner Motive bei Spaziergängen in der Umgebung oder im häuslichen Garten", erklärt Bistrich. Erregen etwa durch Lichteinfall entstehende Linien und Schatten ihre Aufmerksamkeit, sucht die Künstlerin nach einem geeigneten Bildausschnitt - doch immer wieder geschehe es, dass etwas an der Realität nicht passt. "In meinem Kopf rattert es, und ich fange an, umzubauen: Blätter, Äste, ganze Baumstämme werden in Gedanken verschoben." Manchmal genüge eine Skizze vor Ort, ein anderes Mal vermische sie Fotos und Erinnertes.

Was in der Nähe liegt, übersieht man oft. Nicht aber die Zornedinger Malerin und Kunstpädagogin Ingrid Köhler. In ihren Landschaftsmotiven entdeckt der im Münchner Osten heimische Betrachter vertraute Motive. Ingrid Köhler hat lange in Gronsdorf gewohnt. Einige ihrer Bilder erinnern an diese Zeit - das von Efeu umrankte Gartentor, das Kieswerk, die mittlerweile abgerissene Alte Brennerei, ein zwischen Bäumen und Gebüsch liegendes Anwesen gleich neben dem Bahnhof. "Hier tippen alle auf Toskana", erzählt Köhler lachend. Sie hat an der Münchner Kunstakademie studiert und wählt meist Ausschnitte und Detailansichten - wie die hier gezeigte "Wasserspiegelung" -, die sie mit kräftigen Farben und gestischem Pinselstrich festhält und so zu Stimmungen verdichtet. "Ingrid Köhler liebt die Landschaft, das Licht und die Farbe. Sie taucht Blumen und Pflanzen in glühendes Rot, Gelb, Orange, Grün und Hopfenfelder in stumpfes Weiß mit Rot und Grau", so die Zornedinger Kunsthistorikerin Natascha Niemeyer-Wasserer. "Ihre Landschaften sind gesehene Landschaften, aber wie in einer Metamorphose verändern sie sich während des Malens."

Der "Blick von Tegernau zum Wendelstein" von Waltraud Fichter. (Foto: privat)

Das gleiche gilt für die Werke Waltraud Fichters. Die Grafingerin lässt sich ebenfalls gerne von der Natur, der Landschaft und den Jahreszeiten inspirieren, daheim im Atelier entstehen dann aber aus der Erinnerung "freie Darstellungen", wie sie es nennt, Bilder, die der Realität durch eine gewisse Abstraktion ein neues Gesicht verleihen. "Ich möchte nicht abmalen, sondern meine eigenen Versionen, meinen eigenen Strich finden - und auch dem Betrachter noch Raum lassen", sagt Fichter. Außerdem arbeite sie mittlerweile zu großformatig, um, wie früher noch, mit der Staffelei draußen unterwegs zu sein. Fasziniert ist die Malerin "von allem, was mit Weite zu tun hat", von schönen Ausblicken, die sich rund um ihre Heimatstadt Grafing freilich zu Genüge bieten. Dabei besonders angetan haben es Fichter die Berge, jene unverrückbaren "Giganten der Natur", denen sie auch mit ihrem kraftvollen "Blick von Tegernau zum Wendelstein" huldigt.

© SZ vom 04.04.2015 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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