Ebersberg:Poetische Serenade

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Münchner Symphoniker spielen im ausverkauften Alten Speicher in Ebersberg als Premiere ein die Sinne bezauberndes Konzert mit überwiegend heiteren Orchesterstücken

Von Rita Baedeker, Ebersberg

Zu einem Antrittsbesuch Blumen mitzubringen, ist ein gern geübter und gesehener Brauch, der Sympathie weckt, freundlich und heiter stimmt. Daran halten auch die Münchner Symphoniker bei ihrem ersten Konzert, der "Serenata Out of Town", am Freitag im Alten Speicher fest. In dem, wie Intendantin Annette Josef es nannte, bunten Strauß an Orchesterstücken, den die Musiker dem Publikum im ausverkauften Saal überreichen, stecken betörend duftende Blüten, zarte Gewächse, Vergissmeinnicht und Schafgarbe, Frühlingsblüher und ein paar Zweige Immergrün. Keine Disteln.

Mit einem eleganten Rokokogebinde à la française eröffnen die in reduzierter Besetzung angereisten Symphoniker den Abend - der Bühnenmusik, die Gabriel Fauré 1918 für Prinz Albert I. von Monaco komponiert hat. Sein Auftrag war, in der viersätzigen Orchestersuite die Atmosphäre der "Commedia dell'Arte" einzufangen. Annette Josef, die den Konzertabend moderiert und dabei den lebensgeschichtlichen Hintergrund der Komponisten samt ein paar Anekdoten zum Besten gibt, fordert die Zuhörer auf, sich zu Faurés Musik ein Gemälde von Antoine Watteau vorzustellen, der in seiner Kunst das Genre der "fêtes galantes", der "Schäferstündchen" eingefangen hat, samt idyllischer Landschaft, verliebten Pärchen, eleganten Damen und Hirten. Und alle wiegen sie sich im fröhlichen Takt sorglosen Vergnügens. Olivier Tardy, häufig Gastdirigent der Münchner Symphoniker, leitet das Werk schwungvoll, aber mit behutsamer Körpersprache. Der Titel der Suite, "Masques et bergamasques", bezieht sich auf den Beginn eines Gedichts von Paul Verlaine. "Bergamasque", was auch an die Region Bergamo erinnert, ist der Name eines rustikalen Tanzes. Die Musiker lassen sich dabei ganz ein auf den ländlichen Reigen, auf das Wiegen und Drehen und Schreiten.

Den Titel dieses Gedichts von Verlaine, "Clair de Lune", hat wiederum Claude Debussy über den dritten Satz seiner ebenfalls "bergamasque" genannten poetischen Klaviersuite geschrieben. Die Orchesterfassung von Andreas Kowalewitz lässt, wie es bei Verlaine heißt, Vögel träumen hoch in den Bäumen. Und Menschen auf der Erde auch. Als Filmmusik, etwa in "Ocean's Eleven" und "Twilight", wird die Suite daher gerne genommen.

Zwar hatte sich Olivier Tardy schon zuvor auf die französischen Stücke des Programms gefreut; das Lieblingswerk des französischen Dirigenten aber hat der Ungar Zoltán Kodály komponiert: die "Tänze aus Galántha". In dem kleinen Dorf hat Kodaly seine Kindheit verbracht. Dort lebte zu jener Zeit auch eine Zigeunerkapelle, die mit ihren Liedern und Melodien der Sinti und Roma den musikalischen Grundstein in der Seele des Buben legte. Da ist ein sehnsuchtsvolles Klarinettenmotiv, das gleich einer flüchtigen, aber intensiven Erinnerung immer wieder auflebt. Da erklingt eine gefühlvolle Tanzweise, gefolgt von einem Klanggewebe aus modernen Harmonien und schnellen Motivwechseln. In faszinierender Geschlossenheit und mit ganzer Seele entwickeln Dirigent, Solist und Orchester den Zauber dieser Komposition. Tardy dirigiert mit Herzblut, mit dem ganzen Körper zelebriert er diese Klangsprache, die, so wie Kindheitserinnerungen oft, an tiefe Empfindungen rührt.

Begeisternd auch die Leistung der aus dem Orchester stammenden Solisten: Das gilt für Ulrike Kraew und Makoto Arokawa, die Bachs sehr anspruchsvolles Konzert für zwei Violinen in d-Moll, BWV 1043, spielen. Vor allem in dem zweiten, sehr langsamen Satz, in dem die Violinstimmen eng nebeneinander schweben, gelingt es den beiden jungen Instrumentalisten, ihre Stimmen durchsichtig zu gestalten.

Ein weiterer Höhepunkt und eine Entdeckung: das Concertino für Flöte und Orchester von Cécile Chaminade, das man im Kalender der Konzertsäle selten findet. Dabei hat die 1857 in Paris geborene Komponistin, welche die seltene Ehre hatte, einmal bei Queen Victoria zu Gast zu sein, ein inniges, an Frühling und Vogelsang erinnerndes Stück geschaffen. Piet de Boer interpretiert den Solopart mit weichem, unter die Haut gehenden Ton.

Piet de Boer spielt den Solopart in dem zauberhaften Concertino der Komponistin Cécile Chaminade. (Foto: Peter Hinz-Rosin)

Auch die immergrünen, mit frischem Schwung gespielten Werke wie Chatschaturians berühmter Walzer "Maskerade" sowie die "Serenata" des US-Amerikaners Leroy Anderson gehören zum Strauß. Mit diesem Bukett haben sich die Münchner Symphoniker mehr als Sympathie und Wertschätzung der Ebersberger gesichert. Und das nicht bloß für einen Konzertabend.

© SZ vom 06.03.2017 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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