Ebersberg:Pirsch unterm Hirschmond

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Meister der Atmosphäre: Gerd Meyden, Autor aus Forstinning. (Foto: Christian Endt)

Gerd Meyden liest im Forsthaus Hubertus aus seinen Jagd-Erzählungen

Von Rita Baedeker, Ebersberg

Manchmal erinnern die Jagderzählungen von Gerd Meyden an Liebesgeschichten. "Endlich war sie mein!" Mit diesen alle Seligkeit der Welt umfassenden Worten beschreibt der Forstinninger Jäger und Autor seine Gefühle beim Schuss aus 150 Metern auf eine Gams, die wegen ihrer besonders eng stehenden Krickerl sein Begehren geweckt hatte. Den ganzen Herbst über hatte sie ihn "genarrt", ihn "getestet". Doch auf die Euphorie folgt die Enttäuschung: Als die Beute vor ihm liegt, muss er erkennen: Es ist nicht jene Gams, die er so lange beharrlich verfolgt hat. Waidmannspech!

Wer der Einladung zur stimmungsvoll von Musik umrahmten "jagerischen Einkehr", veranstaltet von der Kreisgruppe des Bayerischen Jagdverbandes, ins Forsthaus Hubertus gefolgt war, bekam ein facettenreiches Bild vom Waidwerk. Gerd Meyden schildert in seinen Büchern, darunter "Jägerwege" und "Himbeerbock und Bergschuh-Rührei", alltägliche Erlebnisse. Er versteht es aber auch, die Atmosphäre eines Jagdausflugs plastisch und humorvoll zu beschreiben, die plötzliche und vollkommene Stille im Hochwald, die Farben und Gerüche der Natur, die Rufe von Häher und Schwarzspecht, das Gefühl von Andacht und Demut, das zur Freude über die erlegte Beute mit dazu gehört.

Meyden ging in Hochgebirgsrevieren auf die Jagd, heute ist er nur noch im Flachland, etwa dem Ebersberger Forst, unterwegs. In lyrischen Worten beschreibt er das Wild, die "opal umflorten Lichter" (Augen) eines Schmalrehs etwa, den Anblick einer Geiß, die ein Kitz mit sich führt, den Tanz des Birkwilds in der Paarungszeit. Meydens Erzählungen suggerieren keine falsche Jägerromantik à la Ludwig Ganghofer, geben aber viel von der tief verwurzelten Passion preis, die den Jäger auf der Pirsch begleitet.

Dass Meydens Jagdgeschichten so dicht und farbig sind, liegt unter anderem daran, dass er bisweilen auch in Allgäuer Dialekt und der für Laien geheimnisvoll klingenden Jägersprache schreibt. So ist, der Jagdsaison entsprechend, vom "Hirschmond" die Rede; gemeint ist der Oktober, während man den April als "Schnepfenmond" bezeichnet. Wenn der Auto von "Blatten" spricht, meint er den Lockruf des Wilds, den er mit einem Federblatt zwischen den Lippen nachahmt. Und ist von der "roten Decke" die Rede, dann ist das kein Utensil, mit dessen Hilfe der Jäger seinen Allerwertesten beim Ansitzen wärmt, sondern das Fell des Tiers.

Ohnehin wechseln Jäger, die zusammen auf der Pirsch sind und die sich gut verstehen, nicht viele Worte. Geht es allerdings um Gäste, die es zu betreuen gilt, wird die Jagd manchmal auch zur Herausforderung. In der "Jagdgast-Trilogie" erzählt Meyden freimütig, dass er sich zuweilen nicht nur in der Gams, sondern auch in Menschen getäuscht habe. So erwies sich ein Jäger aus Hamburg, der nicht nur völlig ungeeignete Schuhe trug, sondern auch nur zwei Patronen und eine ziemlich große Klappe hatte, dann doch als genialer, wetterfester Schütze. Anders der Schweizer, in dem Meyden einen kernigen Älpler vermutete, bei dem dann aber Ängste zutage traten, die beide Männer zu einem gefährlichen Abstieg zwangen.

In jedem Jäger steckt ein Mensch mit Sorgen und Freuden; so erzählt es die Geschichte vom Jäger aus Südtirol, der im Ebersberger Forst begeistert seine "erste Sau" schoss und für den die Jagd Medizin bedeutete. Dass niemand gefeit ist vor Pech und Pannen, demonstrieren jener Adler, der Meyden die Beute klaute, und die Episode von den sich lösenden Schuhsohlen, die Meyden zwangen, barfuß über eine frisch gedüngte Wiese zu laufen. Wie heißt es in einem seiner Buchtitel so schön? "All das ist Jagd!"

© SZ vom 12.04.2016 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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