Ebersberg:Nichtssagende Noten

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Auf dem Areal des Pflegeheims Reischlhof in Ebersberg soll ein zusätzliches Gebäude entstehen. (Foto: Peter Hinz-Rosin)

Der Pflege-TÜV bewertet regelmäßig die Einrichtungen im Landkreis. Eine Vergleichbarkeit schafft das aber nicht

Von Jessica Morof, Ebersberg

15 Einrichtungen für die stationäre Pflege stehen älteren Menschen im Landkreis Ebersberg zur Verfügung. Für die künftigen Bewohner sowie für ihre Angehörigen bedeutet dies die Qual der Wahl. Woran soll man sich orientieren bei der Entscheidung für ein Heim, in dem der Vater, die Mutter, die Tante den Rest des Lebens so schön wie möglich verbringen soll? Einfach ist es nicht, da ein Vergleichsportal fehlt. Einen Anhaltspunkt gibt immerhin der Medizinische Dienst der Krankenversicherungen (MDK) in Bayern. Er veröffentlicht für jede Einrichtung eine Pflegenote, auch als Pflege-TÜV bezeichnet. Doch eine Vergleichbarkeit schafft dies nicht wirklich, wie auch Heike Franzen-Krapoth, Leiterin des Referats Externe Qualitätssicherung beim MDK Bayern, zugibt.

Im Auftrag der Landesverbände der Pflegekassen schickt der MDK einmal im Jahr drei Prüfer in jede stationäre Pflegeeinrichtung. "Das Ziel ist, die Versorgungssicherheit der pflegebedürftigen Menschen sicherzustellen", betont Franzen-Krapoth. Dafür orientieren sich die Prüfer an vorgegebenen Qualitätsprüfrichtlinien sowie an ihrer eigenen Expertise als Pflegefachkräfte. Sie begutachten die Stationen sowie Arbeitsabläufe und Strukturen, sprechen mit Bewohnern und Mitarbeitern. Außerdem begutachten sie Pflegezustand sowie Pflegerisiken der Bewohner und prüfen, welche Maßnahmen die Pflegekräfte jeweils ergreifen.

Auf diese Weise vergeben sie im Endbericht Einzelnoten in den vier Prüfbereichen Pflege und medizinische Versorgung; Umgang mit demenzkranken Bewohnern; soziale Betreuung und Alltagsgestaltung; Wohnen, Verpflegung und Hauswirtschaft. Die aktuelle Bewertung der Einrichtungen im Landkreis liegt zwischen einer glatten 1,0 und einer 2,7; der Landkreisdurchschnitt ergibt die Note 1,45 - eigentlich ganz gut, bedenkt man, dass die schlechteste Note eine fünf wäre. Der Bundesdurchschnitt liegt allerdings bei 1,3.

Der Prüfbericht wird dann der Einrichtung und den Pflegekassen übermittelt. Außerdem wird der Bericht in Kurzform im Internet veröffentlicht. Doch so einfach ist der Vergleich eben nicht, denn der Pflege-TÜV bewertet nicht die Gesamtleistung der Einrichtung, sondern lediglich ihre Performance mit Sicht auf die gesetzlichen Anforderungen. "Eine 1,0 heißt deshalb nur", betont Franzen-Krapoth, "dass die Einrichtung die Mindeststandards erfüllt".

Die Prüferin vergleicht die Bewertung mit dem TÜV beim Auto: Dieser richtet sich nur nach den Werten, die die Sicherheit und Fahrtauglichkeit angehen. "Ob der Wagen bequeme Ledersitze oder eine funktionierende Klimaanlage hat, interessiert nicht." Analog dazu orientiert sich der Pflege-TÜV ausschließlich an den Grundlagen der Pflege. Dieses System habe der MDK Bayern von Beginn an bemängelt, sagt die Prüferin. Verbesserungen soll in mancherlei Hinsicht aber das neue Pflegestärkungsgesetz II auf den Weg bringen.

Für die Auswahl des passenden Seniorenheims bedeutet dies allerdings, dass die beste Pflegenote nicht unbedingt die beste Unterkunft bedeutet. "Ich würde mir für meine Eltern vielleicht andere Schwerpunkte wünschen, als ein anderer Angehöriger", erklärt Franzen-Krapoth. Aus diesem Grund sollten Interessenten auf jeden Fall die einzelnen Prüfbereiche genauer ansehen und die Bewertungskriterien betrachten. Wer Wert auf Freizeitgestaltung legt, muss sich speziell den Punkt soziale Betreuung im Bericht anschauen; wer sich mehr Gedanken um die Ernährung macht, findet Hinweise im Bereich Verpflegung.

Das beste Auswahlkriterium sei aber immer der persönliche Eindruck, sagt die Prüferin. "Daher sollte man die ausgesuchte Einrichtung zu unterschiedlichen Tageszeiten unangemeldet besuchen und mit allen Sinnen die Versorgung der Bewohner wahrnehmen und anschließend persönlich bewerten", empfiehlt Franzen-Krapoth.

Die Einrichtungen im Landkreis und ihre Benotung: Ev. Pflegeheim im Reischlhof (1,0); Pichlmayr Wohn- und Pflegeheime Senioren-Zentrum Ebersberg (2,1); Pflegestern Seniorenservice Haus Grafing (1,0); Awo-Seniorenzentrum Kirchseeon "Gertrud-Breyer-Haus" (1,5); Abaton Pflegeheim Kirchseeon (1,1); Seniorendomizil Haus Bartholomäus Zorneding (1,6); Seniorenzentrum Anzing (2,0); Caritas-Altenheim Marienheim Glonn (1,2); Caritas Altenheim St. Korbinian Baldham (1,2); Awo-Seniorenzentrum Markt Schwaben (2,7); Pflegeheim Walterhof Markt Schwaben (1,0); Seniorenhaus am Burgerfeld Markt Schwaben (1,4); Pflegestern Seniorenservice Haus Poing (1,5); GSD-Seniorenwohnpark Vaterstetten (1,0); Maria-Stadler-Haus Alten- und Pflegeheim Haar (1,5).

© SZ vom 15.02.2016 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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