Ebersberg:Nicht immer nur Brei

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Kau- und Schluckbeschwerden können Mahlzeiten zur Qual machen. Was Köche und Pflegekräfte hier tun können, erfahren 50 Teilnehmer bei einem Workshop des Amtes für Ernährung, Landwirtschaft und Forsten

Von Serafine Dinkel, Ebersberg

"Gott, was ist Glück! Eine Grießsuppe, eine Schlafstelle und keine körperlichen Schmerzen - das ist schon viel!" Theodor Fontanes Vorstellung vom Glück klingt bodenständig, doch sie ist nicht selbstverständlich. Senioren, die in Pflegeeinrichtungen untergebracht sind, haben eine Schlafstelle, bei Bedarf werden ihre Schmerzen gelindert, und wer nicht mehr kauen kann, bekommt eben eine Grießsuppe. In der Praxis ist es aber nicht ganz so einfach. Grießsuppe muss man zwar nicht kauen, aber zumindest herunterschlucken. Wenn sie noch ein bisschen krümelig ist, kann das für manche schwierig werden. Und auch wenn es klappt: Grauer Grießbrei jeden Tag ist nicht sehr anregend.

Kauen und Schlucken ist für die Meisten eine notwendige Selbstverständlichkeit. Doch nicht für alle - und das kann schwere Folgen haben. Das Amt für Ernährung, Landwirtschaft und Forsten hat daher unter der Leitung von Hauswirtschaftsdirektorin Irmgard Reischl zur Veranstaltung "Dysphagie - Ernährung von Menschen mit Kau- und Schluckstörungen" eingeladen. Knapp 50 Mitarbeiter und Mitarbeiterinnen von Gesundheits- und Sozialeinrichtungen des östlichen Oberbayern nahmen teil. Die Besonderheit: Mitarbeiter aus der Küche, aber auch aus dem Pflegebereich waren dabei. Erstere nahmen an einem Kochworkshop teil, letztere an einem Logopädieseminar.

Kau- oder Schluckbeschwerden, so erklärten es die Logopädinnen Julia Jahna und Daniela Pfähler, können vielseitige Ursachen haben: ausbleibendes Hungergefühl, fehlende Zähne, fehlerhafte Zungenkoordination, mangelhafte Speichelproduktion. Im Selbsttest konnten die Teilnehmer der Pflegegruppe testen, wie es sich anfühlt, blind, bewegungsunfähig, taub oder stumm in verschiedenen Lagen mit diversen Snacks und Getränken versorgt zu werden. Sie stellten fest: Kommunikation mit dem Patienten, der beispielsweise blind oder bewegungsunfähig ist, kann dessen Angst lindern, da er sich auf Art und Größe der Nahrung einstellen kann. Das Trinken ist ein Knackpunkt: Die Menge der Flüssigkeit einzuschätzen und zu kontrollieren ist extrem schwierig. Von Glasalternativen wie Schnabeltassen rieten die Logopädinnen aber ab: Damit verlerne der Patient das richtige Trinken und könne es noch weniger kontrollieren. Nur dem Pflegenden sei dadurch geholfen.

Wenn nicht gekaut werden kann, so denkt der naive Laie, dann gibt es einfach einen Brei. Oder man püriert, was eben da ist. Smoothies und Co. liegen ja ohnehin momentan im Trend. Das Ganze muss aber auch noch durch ein Sieb passiert werden, damit keine gefährlichen Klümpchen oder Brösel entstehen. Nun sieht ein püriertes und passiertes Gericht, etwa Schweinshaxe mit Kartoffelsalat, nicht gerade ansprechend aus. Außerdem bildet es keinen einheitlichen Brei. Denn dafür braucht es ein Bindemittel, so Küchenreferent Georg Reiser, zum Beispiel Frischkäse oder diverse Fachprodukte. Mithilfe derer lässt sich passierte Nahrung auch wieder in eine Form bringen, die ihrem Ursprungszustand ähnelt.

Über Basics wie Müslipüree aus Schmelzflocken ging es zu raffinierteren Kreationen wie passiertem Apfelstrudel, Lachsfilet mit Kartoffelsalat (Rezept siehe unten) oder Karotten-Gurken-Salat mit Putenstreifen. Die kreisrund ausgestanzten bunten Gemüsetaler erinnerten nur noch mit ein wenig Fantasie an ihr Rohprodukt. Doch allein die Erinnerung an ein bekanntes Gericht ist laut Koch Michael Pötschke besonders für Demenzkranke wichtig. Die Darstellung des Essens mache einiges aus, so ein Teilnehmer: "Demenzkranke reagieren auf Reize. Das merken die schon, wenn das Essen nicht einfach mit der Kelle draufgeknallt wurde."

Bei der anschließenden gemeinsamen Verkostung herrschte reger Andrang am Büffet. Das Seminar kam bei den Teilnehmern gut an, wenn auch der Einsatz bestimmter Markenprodukte kritisiert wurde.

© SZ vom 04.06.2016 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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