Ebersberg:Naiv, aber glücklich

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Nachdem die Kraftquelle Musik versiegt war, wandte sich Ning Wallner der Malerei zu, ihre Ausstellung wurde gefördert von Kuratorin Antje Berberich. (Foto: Christian Endt)

In der Ebersberger Rathausgalerie sind erstmals Bilder der philippinischen Sängerin Ning Wallner zu sehen

Von Anja Blum, Ebersberg

Eigentlich war es immer die Musik, die Ning Wallner Kraft gab, und mit deren Hilfe es ihr gelang, ihre Gefühle und Überzeugungen auszudrücken. Bei Ning Wallners Liederabenden gab es stets ganz Unterschiedliches zu hören - Jazz, Pop und Rock 'n' Roll, amerikanische und afrikanische Folklore, Gospels und Spirituals sowie karibische Klänge. All diese Genres nutzte die Ebersberger Sängerin, die von den Philippinen stammt, um ihre eigene Geschichte zu erzählen, von ihrem Leben als geschiedene, asiatische Frau in Bayern - mit all seinen Herausforderungen, Problemen und Erfolgen. Und, um ihrem Publikum Mut zu machen, Mut zu positiven Gedanken, zum Glauben und zur Liebe.

Doch dann ist diese Quelle plötzlich versiegt. Hinter Ning Wallner liegt eine schwere Zeit, zu einer Operation kamen seelische Probleme, Depressionen und Burnout diagnostizierten die Ärzte. "Das kann nicht sein", dachte Wallner zuerst, "nicht bei mir." Hatte sie sich doch immer als eine Kämpferin gesehen, als eine positiv Denkende. Doch die innere Kraft war plötzlich genauso weg wie die Stimme, an Konzerte nicht mehr zu denken. Für Wallner brach eine Welt zusammen, wie sie heute erzählt. Bis sie vor zwei Jahren in der Klinik anfing zu malen - und schnell erkannte, dass auch diese Art Kreativität ihr Kraft gibt und eine Möglichkeit ist, das Innere nach Außen zu bringen. Unter dem Titel "Aufbruch" sind nun in der Galerie des Ebersberger Rathauses erstmals Bilder von Ning Wallner zu sehen.

Hinter der Werkschau steckt Kuratorin Antje Berberich. "Sie hat mich zu der Ausstellung überredet, fast mit Gewalt", sagt Wallner bei der Besichtigung und lacht. "Ihre Bilder sind einfach so positiv, wir alle brauchen das", erwidert Berberich ebenfalls lachend. Naive Malerei - wer traue sich das heute sonst schon noch? "Deswegen wollte ich ihr dringend die Gelegenheit geben, ihre Gemälde zu präsentieren."

Ning Wallners Arbeiten spiegeln ihren Weg wider, der sie aus einem seelischen Tief ans Licht und wieder zurück ins Leben führte. Es geht hier also nicht um malerische Techniken, intellektuelle Themen, anspruchsvolle Motive, sondern um Gefühle. Vor allem um die Erfahrung, Schicksalsschläge auch als Bereicherung ansehen zu können, als eine Quelle der Kraft. Die frühlingshaften Bilder zeigen ausnahmslos Florales, in unterschiedlichen Abstraktionsstufen. Mal ist das Papier übersät von Blätterformen, mal wachsen die Blumen aus dem Nichts, mal hat Ning Wallner einen Strauß in eine Vase gestellt. Doch sind die Pflanzen allesamt nicht der Wirklichkeit entliehen, nach einer Rose oder Tulpe suchte man hier vergebens. Die 61-Jährige nämlich kreiert mit Stiften und Pinsel ihre ganz eigenen Formen. Teils ist ihre Strichführung filigran, dann wieder malt sie eher flächig, manchmal setzt sie viele kleine Punkte. Und wer genau hinsieht, entdeckt zwischen den Blüten und Blättern den ein oder anderen Paradiesvogel. Eine Reminiszenz an die Heimat im Pazifischen Ozean?

"Beim Malen sind meiner Fantasie keine Grenzen gesetzt - wie in der Musik", sagt Wallner, "das ist für mich Freiheit." Zentral ist für sie ohnehin das Spiel mit den Farben: Kräftig und strahlend trägt sie diese auf, ohne Scheu vor komplementären Effekten. Grün, Pink, Blau - Wallner nutzt ausgiebig, was der Kasten hergibt, und auch das Papier, das sie verwendet, ist nicht weiß, sondern bereits bunt eingefärbt. "Die heilende Kraft der Farben gibt mir meine Lebensfreude wieder", sagt sie.

Wenig rational ist denn auch der Schaffensprozess, wie ihn Wallner beschreibt: "Wie eine Irre" male sie mittlerweile, ohne irgend etwas vorzuzeichnen bringe sie die Farben rauschhaft aufs Blatt. "Meine Finger tanzen einfach." Am Ende des Tages sei sie oft selbst erstaunt, wie viele schöne Bilder wieder gelungen seien. "Und dann gehe ich glücklich ins Bett."

"Aufbruch": Ausstellung von Ning Wallner in der Rathausgalerie, bis Mittwoch, 26. April, zu den normalen Öffnungszeiten. Werktags um 12.15 Uhr macht Walllner jeweils zehn Minuten Musik.

© SZ vom 13.04.2017 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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