Ebersberg:Nachtmalerei

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Petra Knopf hängt das letzte der 16 Bilder aus der Serie "Stille - Steine - Nacht" an die Wand. Alle zeigen Kieselsteine, jedes auf eine andere Art. (Foto: Christian Endt)

Zeichnungen des verstorbenen Wieland Grommes im Kunstverein

Von Jan Schwenkenbecher, Ebersberg

Dunkel ist es, im Studio an der Rampe im Ebersberger Kunstverein, kalt und dunkel. Der Raum ist hell erleuchtet, die Lampen sind an. Doch dunkel sind die Bilder, welche die Aßlingerin Petra Knopf am Dienstag an die noch kahlen, weißen Wände hängt. Von Freitag bis Sonntag stellt Knopf Zeichnungen ihres Künstlerkollegen Wieland Grommes in einer Retrospektive aus, fast alles Zeichnungen auf schwarzem Papier. Dunkel sind aber nicht nur die Werke, dunkel ist auch der Anlass der Ausstellung. Am Sonntag vor einem Jahr war Grommes mit 63 Jahren nach einer Herzoperation unerwartet verstorben.

In den 1970er und 80er Jahren studierte der Münchner Künstler Germanistik, Romanistik, Mediävistik, Philosophie und Kunstgeschichte. Zwischenzeitlich lebte er eine Zeit lang in Frankreich, arbeitete seither für die Theatergruppe Groupe 33 als Dramaturg und Co-Autor. Später übersetzte er auch Bücher, zumeist französische Werke. Nach Ebersberg, wo er Mitglied im Kunstverein war, brachte ihn sein Hobby: die Ornithologie. Grommes beobachtete leidenschaftlich gerne Vögel in freier Wildbahn, dazu kam er oft nach Aßling.

Sein Interesse für Vögel taucht auch in den Zeichnungen wieder auf, die Grommes erst in den letzten sechs, sieben Jahren seines Lebens anfertigte. Viele der Zeichnungen zeigen die gefiederten Tiere oder zumindest deren Krallenabdrücke. Mal ganz konkret, auf einer Zeichnung gleitet ein schwarzer Rabe über eine grünen Wiese. Die Form des Raben ist aus der Wiese ausgespart, der Titel: "Wie die Wiese plötzlich fliegen konnte." Mal abstrakt, eine Zeichnung besteht aus vielen umeinander gezogenen Linien, ähnlich den Höhenlinien topografischer Karten, und deutet ein Herz an. Auf jedes Bild schrieb Grommes den Titel - oft mit Widmung für bedeutende Künstler wie Edgar Allan Poe, Nathan Milstein, Goya oder Leonard Cohen - und stempelte eine aufwendige Signatur in die Ecke. Eine Technik, die in der chinesischen Kunst oft vorkomme, wie Knopf meinte.

Das Chinesische findet sich auch im Hauptwerk von Grommes Zeichnungen "Stille - Steine - Nacht" wieder, eine Serie von 81 Zeichnungen weißer Kieselsteine, die je Bild in Form, Größe, Anzahl und Verteilung variieren. Ungerade Zahlen hätten in der chinesischen Kultur eine höhere Wertigkeit als gerade, erklärt Knopf, die Zahl neun gelte als die vollkommenste. 81 ist neun mal neun, 81 werde daher die himmlische oder die Kaiser-Zahl genannt. 16 der 81 Bilder hängen derzeit an der Wand des Kunstvereins.

Alle Zeichnungen - mit Ausnahme einiger weniger, die Grommes schon früher gezeichnet hatte - sind auf schwarzem Papier. Schwarz, wie die Nacht. Daher auch der Name der Serie: "Notturni", italienisch für nächtlich. "Nacht", so erklärte Grommes seine Serie und deren Titel einst, "ist für mich keine Zeit der Angst, Stagnation oder Depression, sondern Zeitraum der Auflösung von Ordnungen, der Entstehung neuer Sichtweisen und Formen." Folgerichtig entstanden alle Notturni-Bilder nachts. Bis in die frühen Morgenstunden saß Grommes in seinem Schwabinger Atelier, so Knopf, die Lampen aus, den Mond als einzige Lichtquelle, und zeichnete.

Knopf und Grommes kannten sich schon lange. Der Münchner Künstler spazierte einst in ihre Münchner Galerie, die "Kurzparkzone", und schaute sich dort eine Ausstellung an. Sie kamen ins Gespräch, stellten ihren gemeinsamen Bezug zu Ebersberg fest. Etwas später hingen seine Werke an Petra Knopfs Wänden, vor drei Jahren war das. Eine weitere Ausstellung hatten sie bereits geplant. Dann starb Grommes.

Retrospektive über Wieland Grommes im Kunstverein Ebersberg, Freitag: Eröffnung ab 20 Uhr, Samstag, 14 bis 17, Sonntag, 11 bis 16 Uhr, Eintritt frei.

© SZ vom 08.12.2016 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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