Ebersberg:Musik à l'avantgarde

Lesezeit: 3 min

Tobias Winkler, Gerald Leitner, Stephan Jüstel, Bernhard Tomm, sind Futon Noir und haben eine neue CD. (Foto: Peter Hinz-Rosin)

Futon Noir experimentieren in der Brauerei

Von Sandra Langmann, Ebersberg

Bei Futon Noir handelt es sich allen Annahmen zum Trotz weder um französische Existenzialisten, noch um ein gemütliches Futon-Bett in gedeckten Farbtönen. Töne haben Futon Noir ganz anderer Art zu bieten, die Band aus Ebersberg, hat aus dem klischeehaften "Man kann uns in keine Schublade stecken"-Gedanke ihr Motto gemacht. Jazz, Pop oder Kellerkapelle? Oder von allem Etwas? Der Begriff "AVANT Past Pop" trifft laut Gerald Leitner (Gesang und Saxofon) wohl am ehesten zu. "Wir sind keine Band, die Rock'n'Roll spielt, sondern wir lassen viel Raum zur Improvisation", erklärt Leitner. Man höre gerne Johnny Cash, David Bowie oder Cold Train, doch die Quelle sitzt bei Bernhard Tomm, der nicht nur die Texte schreibt, sondern auch für Musik, Gesang, Gitarre und Orgel zuständig ist. Zur "Altherrenband", wie sie sich laut Tomm scherzhaft selbst bezeichnen, zählen auch Stephan Jüstel am Schlagzeug, Tobias Winkler am Bass und Sebastian Otter mit Gesang, Trompete und Theremin, der zwar beim Album noch mitwirkte, nun aber nicht mehr Teil der Band ist.

Gänzlich ohne Futon-Bett kommen Futon Noir dann aber doch nicht aus. Vom Alten Kino in Ebersberg bekamen sie dieses Möbelstück geschenkt, dem prompt ein Platz im Proberaum, in der Brauerei in Ebersberg, eingeräumt wurde. Da sich das musikalische Leben der fünf Mitglieder dort abspielte, wurde auch das Debütalbum, das sie am 13. Oktober in der Alten Brauerei präsentierten, danach benannt. Zehn Jahre lang traf man sich im alten Gewölbe nicht als Kollegen, sondern als Kumpel, die auch einmal gemütlich bei einem Bier zusammensaßen. Demnach ist "Brauerei" eine Bestandsaufnahme dessen, was im Proberaum getrieben wurde, schildert Gerald Leitner.

Futon Noir erzählen in ihren Liedern Geschichten, die aufgrund des einfachen englischsprachigen Textes gut verständlich sind. Dank des Booklets können einige Erzählungen auch gut mitverfolgt werden. Doch ist die Hauptaufgabe des Booklets weniger Textverständnis, als Stimmung und Atmosphäre des Beisammenseins in der Brauerei einzufangen und zu vermitteln. Als Grafikdesigner hat Leitner Cover und Booklet selbst designed, Winkler war für die Fotos zuständig. Eigens wurden die Songs abgemischt und auf CDs gebrannt - das ganze Album entstand in Eigenregie. Das hat einige Zeit in Anspruch genommen, die sie sich auch nehmen wollten. "Um die Seele der Musik zu erhalten", weiß Leitner.

Bereits der erste Song des Albums "Open End" wirkt experimentell. Viele Klänge scheinen wild aufeinander zu treffen, bevor sie sich geordnet aneinander reihen. Teilweise wird der Refrain gesungen, dann folgen wieder Phasen des Sprechgesangs, bevor der Übergang ins rein Melodische erfolgt. Bei "Sailor Horse" wird eine Geschichte, angelehnt an Udo Jürgens "Mein Bruder ist Maler", erzählt. Zwei stehen sich gegenüber und wollen doch das Talent des jeweils anderen besitzen - so bringt das "Sailor Horse" die Menschen mit seinen Künsten zum Lachen, wohingegen das Dromedar Leben rettet. Es würde aber lieber Freude bereiten, so Tomm zum dazugehörigen Songtext. Bei "Pummeroy" dient der Silvester-Film-Klassiker "Dinner for One" als Inspirationsquelle und erzählt von einem "old fashioned gentleman". Allerdings hat man eher den Eindruck, die Stimme eines alten Seemanns zu vernehmen.

Andere Songtexte wie "Satellite" und oder "Turner Escher" leben von der Wiederholung einzelner Wörter oder Phrasen. Ganz klar steht hier die Musik im Vordergrund. Saxofon und Trompete scheinen sich um das nächste Solo zu duellieren. Hat man sich an den jazzigen Sound der beiden Instrumente, begleitet von Bass und Gitarre, gewöhnt, folgen die klassischen Töne der Orgel, bevor das Theremin mit ungewohnten Tönen dazwischenfunkt. Mit "Shakespeare Song" begibt man sich auf einen literarischen Exkurs und Futon Noir stellen Fragen zu den Charaktere der berühmten Dramen: "Wer ist Romeo und was ist eigentlich mit Richard III?" Zudem sind zwei deutschsprachige Titel auf der Platte zu finden - sprachlich wollte man sich demnach auch nicht festlegen.

Das Debütalbum "Brauerei" gestaltet sich facettenreich. Jeder Song ist auf seine eigene Art und Weise speziell und anders als der vorherige, fügt sich aber dennoch in das Album ein. Ob es nun gewollt künstlerisch wirken soll oder ob es eine Aneinanderreihung verschiedenster experimenteller Elemente ist, sei dahingestellt. Jedenfalls bietet "Brauerei" viel Spielraum für Interpretationen.

© SZ vom 31.10.2016 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
Zur SZ-Startseite

Lesen Sie mehr zum Thema

Jetzt entdecken

Gutscheine: