Ebersberg:Mitmachbühne ohne Publikum

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Märchenerzählerin Rusydah Ziesel ist glücklich über ihr Publikum - auch wenn es sehr klein ist. (Foto: Peter Hinz-Rosin)

Die "Arena" in Ebersberg kämpft mit Anlaufschwierigkeiten

Von Marc Dimitriu, Ebersberg

Die Sonne scheint, Rusydah Ziesel macht singend und Gitarre spielend auf ihre "Märchenstunde" auf der Bühne am Platz der Ehrenamtlichen aufmerksam. Der erste Termin war, wegen Regens, ins Wasser gefallen. Nun, an diesem Nachmittag, versucht sie es erneut. Einige Eltern bleiben mit ihren Kinder stehen. Die Kleinen hören interessiert zu, doch Mama und Papa schieben sie bald weiter. Sie müssen einkaufen.

Als Ziesel anfängt, ein mongolisches Märchen zu erzählen, hat sie schließlich nicht auf der Bühne, der "Arena", Platz genommen, sondern auf der Wiese nebenan. Eine ältere Dame und ein Herr, der von seinem Büro aus von der Veranstaltung mitbekommen hat, bilden zusammen mit drei Flüchtlingen, die schon vorher an dem Platz saßen, das kleine Publikum. Kinder sind keine gekommen. Trotzdem erzählt Ziesel voller Elan ihr Märchen, sucht Augenkontakt zu den Zuhören und bindet sie mit ein. Nach kurzer Zeit stehen die Flüchtlinge jedoch auf und gehen. Die Erzählerin unterbricht kurz, dann macht sie unbeirrt weiter. Ein paar Passanten gehen vorbei, nehmen aber keine Notiz von der Vorführung.

Nach der "Märchenstunde" ist Ziesel zufrieden, obwohl ihr Publikum sehr klein war: "Immerhin konnte ich zwei Menschen glücklich machen. Qualität ist mir lieber als Quantität". Ein Problem ist, dass die Bühne, die von dem in Berlin lebenden Künstler Sladjan Nedeljkovic als Mitmachprojekt gestaltet wurde, etwas abseits der Fußgängerzone liegt und deswegen offenbar nicht genug Passanten auffällt. Der Ebersberger Kunstverein, der das diesjährige Kunstprojekt der Stadt an Nedeljkovic vergeben hatte und sich um das Programm kümmert, macht zwar auf Facebook Werbung für die Veranstaltungen der Märchenerzählerin, jedoch hat nicht ein Einziger auf "zugesagt" oder "interessiert" geklickt.

Zwei Frauen, die nebenan arbeiten, erzählen, dass sie sich öfters während ihrer Zigarettenpause auf die Bühne setzen und immer wieder mitbekommen, dass Kinder hier spielen, singen und tanzen. Die Bühne müsste aber ihrer Meinung nach öfter offiziell bespielt werden. Wenn etwas geboten wäre, würden sie auch gerne kommen, sagen sie. "Musik anstatt Märchen wäre vielleicht besser." Das Konzept der offenen Bühne, die eine Plattform für jeden sein soll, der sich darauf ausleben möchte, scheint jedoch bei den Ebersbergern noch nicht richtig angekommen zu sein.

Peter Hinz-Rosin, Beirat im Kunstverein, ist der Meinung, dass der Künstler sich mehr um seine Installation kümmern müsste: "Bei urbaner Kunst geht es nicht darum, einfach nur eine Bühne in den öffentlichen Raum zu stellen, und es dann dabei zu belassen. Die Dokumentation des Projekts, ob und wie es angenommen wird, sollte das eigentliche Ziel sein. Es gibt genügend Künstler mit Potenzial im Landkreis, die die Bühne nutzen könnten. Die muss man aber herbekommen."

Rusydah Ziesel will bei ihrer nächsten "Märchenstunde", am Mittwoch, 14. Juni, um 16 Uhr, versuchen, mit einem rotem Band oder einem Tape eine Spur von der Fußgängerzone zur "Arena" zu legen, um die Menschen anzulocken, denn: "Es ist schade, dass die Bühne nicht angenommen wird". Aber wie könnte man Kinder für das Angebot begeistern? Schulklassen zu Vorführungen zu locken oder sie mit eigenem Programm auftreten zu lassen, ist laut Hinz-Rosin schwierig: "Wenn man sich an die Schulen wendet und sie zu Ausstellungen oder dergleichen einlädt, dringen die Infos leider oft gar nicht bis zu den richtigen Lehrern durch."

Der Kunstverein muss nun also Wege finden, das Projekt, das es noch bis November gibt, besser zu vermarkten und gemeinsam mit dem Künstler ein Programm zu schaffen, das bei den Ebersbergern Gefallen findet. Aber es liegt auch an den Bürgern, sich zu trauen und die Mitmachbühne zu nutzen, sei es mit Musik, Tanz, Theater oder anderer Kunst.

© SZ vom 10.06.2017 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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