Ebersberg:Meisterwerk für den Menschen

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Klangmächtig und differenziert meistern die Ebersberger Sänger, angeführt von Markus Lugmayr, die komplexe Komposition. (Foto: Hinz-Rosin)

Ebersbergs Kantor Markus Lugmayr und seine Ensembles wagen sich an Beethovens "Missa Solemnis" - mit großem Erfolg

Von Claus Regnault, Ebersberg

Wie ein Monolith ragt sie über die Vielzahl von Messekompositionen der Musikgeschichte hinaus: die "Missa Solemnis" von Ludwig van Beethoven. Sie ist unter allen Messen diejenige, die Leid und Hoffnung des Menschen am eindrucksvollsten Musik werden lässt. Traditionsgemäß feiert sie auch in dem glanzvollen "Gloria" den Ruhm des Herrn. Aber ihr eigentliches Thema ist der Mensch, der in Gestalt des leidenden Sohns von Schmerz, Wirrsal und Hoffnung berichtet.

Beethoven spricht hier als Mensch zum Menschen, findet die ergreifendsten Töne für dessen Schicksal der Endlichkeit seiner Existenz, aus der die Hoffnung auf das ewige Leben entsteht. So scheint die große, am Ende des "Credo" sich gewaltig über 162 Takte entfaltende Fuge "Et vitam venturi saeculi" die Zentralaussage des Werks zu sein, in welcher das Fugenthema, fast zögerlich im Sopran beginnend, durch den Zutritt von Tenor, Alt und Bass eine gewaltige, fordernde Dringlichkeit erhält.

Das Gegenstück zu dieser, scheinbar Glaubensgewissheit ausdrückenden Fuge ist der letzte Satz des Werks, das "Agnus Dei", dessen schockierender Einbruch von Tönen des Krieges zu dem wie ein Entsetzensschrei intonierten "Dona nobis pacem" führt, der dann anrührend als innige Bitte wiederholt wird, eine Bitte, mit der das Werk auch schließt.

Mit erstaunlicher Intonationssicherheit bewältigte der Chor Sankt Sebastian, aufgehellt durch den Jugendchor Cantoris Juvenis, diese schwierige Fuge, die in einem Sechs-Viertel-Takt komponiert ist. Aber die Chorleistung war auch in den übrigen Teilen des Werkes klangmächtig, differenziert, also durchaus professionell. Das Solistenquartett hatte mit Priska Eser den schon vertrauten Höhenflug-Sopran zu bieten, mit Klaus Reiter den zuverlässigen Führer der Basslinien, stimmig ergänzt durch Carsten Müller, Tenor, und herausragend durch die fraulich-warme Altstimme von Birgit Rolla. Allerdings hat das Solistenquartett bei Beethoven weniger die Funktion strahlender Stimmentfaltung, sondern eher die eines Vorsängers des überwiegenden Chorgesangs.

Das Orchester, wohl vornehmlich aus professionellen Musikern zusammengestellt, meisterte seine Aufgabe gleichfalls ohne Fehl und Tadel. Und die Anforderung, aus dieser Partitur ein homogenes Klangbild herzustellen, hat Leiter Markus Lugmayr mit großer Stilsicherheit und spürbar intimer Vertrautheit mit dem Werk großartig bewältigt. Freilich kann eine so komplexe und schwierige Komposition kaum jemals absolut perfekt realisiert werden. So hätte man sich zum Beispiel die zahlreichen von Beethoven gewünschten Sforzati, die Schmerzen des gepeinigten Christus ausdrückend, etwas deutlicher, schärfer charakterisiert gewünscht. Oder jenen gewaltigen Schluss des "Gloria", wo der Chor über den Sforzato-Schlussakkord die letzten Silben des "Gloria" hinaussingt, ein überwältigender Halleffekt, gleichsam als Ruf in das Weltall, den man sich markanter gewünscht hätte.

Die "Missa" hat aber auch ruhigere, in den beiden aneinandergefügten Sätzen "Sanctus und Benedictus" fast intim wirkende Musik, bei deren Erfindung Beethoven wie aus eigenem Glücksgefühl heraus komponiert zu haben scheint. Das "Benedictus" wird eingeleitet von einem aus höchster Höhe absteigenden Violinsolo, welches wie eine Engelsstimme zu einem von der Geige weiter begleiteten anrührenden Gesangsthema führt, eine der bezauberndsten Eingebungen des Meisters. Der Engel war hier die Landkreisvirtuosin Sabine Schmidbauer.

Alles in allem ein überzeugender Konzertabend von so überprovinziellem Niveau, dass er jeder Musikstadt Bayerns zur Ehre gereicht hätte, wenn auch kaum in so stimmig-prunkvollem Rahmen wie in der Sankt-Sebastianskirche Ebersberg!

Zurück zu Lugmayr: Offenbar muss man als Kantor 50 Jahre werden, um sich selbst - und das Publikum - mit einem solch großartigen Geschenk bedenken zu können.

© SZ vom 08.07.2016 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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