Ebersberg:Mann im Drogenrausch schubst Opfer auf die Gleise

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Nach seinem brutalen Angriff am Grafinger Bahnhof muss ein 22-jähriger Münchner für elf Monate in Jugendarrest.

Von Johannes Hirschlach, Ebersberg

Viel aus seinen Taten gelernt scheint ein junger Mann aus dem westlichen Landkreis nicht zu haben. Der 22-Jährige war bereits einschlägig vorbestraft - unter anderem wegen Körperverletzung, Beleidigung, Hausfriedensbruch, Drogendelikten und Widerstand gegen Vollstreckungsbeamte - als er sich nun erneut vor dem Jugendschöffengericht in Ebersberg verantworten musste.

Der Vorwurf der Staatsanwaltschaft diesmal: Der gebürtige Münchner habe am 14. Mai 2015 einen 21-Jährigen am Grafinger Bahnhof brutal zusammengeschlagen, sodass das Opfer rücklings ins Gleisbett fiel. Zudem habe er einer Begleiterin des Opfers sein Knie wiederholt ins Gesicht gerammt.

Die Verhandlung hatte kaum begonnen, da zogen sich die Beteiligten bereits für eine Stunde zu intensiven Beratungsgesprächen zurück. Im Anschluss räumte der Angeklagte die Tat vor Gericht ein. Sein Mandant sei nicht nur betrunken gewesen, sondern habe auch unter dem Einfluss von Marihuana gestanden, trug dessen Anwalt vor. Welche Menge der Droge er konsumiert habe, konnte der Beschuldigte nicht mehr genau sagen.

Minimum: Zwei bis drei Gramm Gras am Tag

Zwei bis drei Gramm am Tag seien für ihn jedoch "das Minimum", berichtete er auf Nachfrage von Richterin Vera Hörauf. Auch habe er zu dieser Zeit etwa alle zwei Wochen Kokain ausprobiert. "Das ist doch kein Ausprobieren mehr", stellte die Richterin ungläubig fest. An Kokainkonsum an jenem Tag im Mai 2015 konnte sich der Arbeitssuchende aber nicht erinnern. "Ich hatte einen Filmriss", sagte der 22-Jährige. Entsprechend konnte er zum Tathergang keine weiteren Angaben machen.

Dagegen gestaltete sich die Zeugenbefragung des zusammengeschlagenen Opfers detaillierter. Der 21-Jährige erklärte, er sei zusammen mit einer Begleiterin an einer Gruppe vorbeigegangen, in der sich auch der Angeklagte befunden habe. Kurz darauf sei eine Beleidigung gefallen und er sei etwa 50 Meter zurückgelaufen. "Ich dachte, es wäre ein Freund", nannte das Opfer dem Gericht den Grund seines Umkehrens.

Schnell sei es jedoch zu einem Wortgefecht gekommen, ehe der Angeklagte dem 21-Jährigen mit Faust oder Füßen die Nase brach. "Es war so hart, dass es sich wie ein Fußtritt angefühlt hat", so der Zeuge. Genau könne er es nicht mehr sagen. "Ich stand unter Schock und hatte überall Blut." Daraufhin habe der Angeklagte eine junge Frau angegangen, die zu Hilfe gekommen war. Als sich der 21-Jährige erneut hinzu wandte, habe ihn ein weiterer Schlag getroffen, sodass er vom Bahnsteig auf die Schienen fiel. Herbeieilende Zeugen hätten ihn dann aus dem Gleisbett geholfen, der Täter sei geflohen.

Bereits an diesem Montag hätte der Angeklagte eigentlich eine Haftstrafe wegen eines anderen Vergehens antreten sollen. Wenige Monate nach dem Angriff auf dem Bahnsteig war der 22-Jährige in Vaterstetten abermals mit Fußtritten auf eine Person losgegangen. Dafür hatte er kürzlich eine vierwöchige Arreststrafe erhalten. Zum Haftantritt war er jedoch nicht erschienen, der Brief habe ihn nicht erreicht, erklärte der Angeklagte.

Nicht auszudenken, wenn ein Zug gekommen wäre

Die Jugendgerichtshilfe bescheinigte dem zum Zeitpunkt der ersten Tat 20-Jährigen ein "völlig desolates Familiensystem" und eine Reifeverzögerung, womit Jugendstrafrecht anzuwenden sei. Dem schloss sich die Staatsanwaltschaft an. Die Forderung: Ein Jahr und drei Monate Jugendstrafe.

Der Anwalt des Angeklagten argumentierte mit dem "sehr intensiven Kontakt mit Drogen". Die Tat sei unter dem Einfluss von Betäubungsmitteln begangen worden. Das erkläre den "vollkommenen Kontroll- und Hemmungsverlust". Auch ein weiterer Anklagepunkt - der 21-Jährige war zweimal ohne Fahrschein in der S-Bahn erwischt worden - sei nach Drogenkonsum erfolgt.

Richterin Hörauf schloss sich der Argumentation von Staatsanwaltschaft und Verteidigung an, gegen den Wiederholungstäter eine Jugendstrafe zu verhängen. Positiv legte sie ihm aus, dass er sich im Prozess beim Opfer entschuldigte. Dennoch, "die Sache mit dem Gleis ist höchst gefährlich", sagte die Richterin, das Opfer habe großes Glück gehabt, ein unglücklicher Aufprall auf die Schienen hätte einen Genickbruch zur Folge haben können, nicht auszudenken, wenn ein Zug gekommen wäre.

Am Ende wurde der Angeklagte zu elf Monaten verurteilt, und zwar ohne Bewährung. Die ausstehenden vier Wochen Jugendarrest kommen noch hinzu. Indes läuft ein drittes Verfahren gegen den 22-Jährigen: Ihm wird vorgeworfen, mit einer unerlaubt mitgeführten Schreckschusswaffe fünfmal in die Luft geschossen zu haben.

© SZ vom 26.10.2016 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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