Ebersberg:Makler prellt Miete

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Ein der Unterschlagung angeklagter Münchner entgeht bei der Verhandlung am Amtsgericht Ebersberg haarscharf einer Gefängnisstrafe, weil er ein Geständnis ablegt

Von Annalena Ehrlicher, Ebersberg

Wie eine bitterböse Satire auf den Immobilienmarkt in München hat eine Verhandlung im Ebersberger Amtsgericht gewirkt. Möglicherweise auch wie eine Typenkomödie, bei der alle Schauspieler die Rolle des wohlmeinenden Narren spielen wollen. Nahezu unmöglich erschien es zunächst, in dem Netz von Lügen und Beschönigungen herauszufinden, wessen Version der Wahrheit am nächsten kommt. Besonders abstrus wirkte die Verhandlung, weil Gerichts- und Anwaltskosten den Streitwert - von etwas mehr als 800 Euro - um ein Vielfaches überstiegen. Tatsächlich ging es in der Verhandlung schlichtweg um die Frage, warum der angeklagte Immobilienmakler nur einen Teil der letzten Monatsmiete von seinem Klienten an den Vermieter weiterleitete. Das Beziehungsgeflecht jedoch, in dem der Angeklagte, dessen Klient und der Geschädigte zueinander stehen, kann - gelinde gesagt - als undurchsichtig bezeichnet werden.

Worauf sich zunächst alle Beteiligten einigen konnten, sind die Umstände, unter denen sie miteinander bekannt wurden: Der Angeklagte ist freiberuflich für eine Münchner Baugesellschaft tätig. Diese wurde von einem Münchner Arzt beauftragt, ein Einfamilienhaus auf seinem neu erworbenen Grundstück zu bauen. Problem: Auf dem Grundstück stand zum Kaufzeitpunkt noch ein "dramatisches oides Häuserl", wie es der Angeklagte formulierte. In dem Häuschen: Eine renitente ältere Dame, die - soweit der Konsens - von Sozialhilfe lebte und nicht ohne weiteres eine neue Wohnung finden konnte. "Mich hat nur interessiert, dass es der Dame gut geht", beteuerte der 41-jährige Angeklagte vor Gericht. "Die sollte entmietet werden und das tat mir leid." Gewissenlos habe der Arzt die Entwurzelung der Dame empfohlen, um seine "Luxusvilla da hinzusetzen".

Eine Übergangslösung wurde gefunden. Der Angeklagte fand über eine Bekannte eine möblierte Wohnung, die kurzfristig für einige Wochen zur Verfügung stand: die Wohnung des aus dem Landkreis Ebersberg stammenden Geschädigten. Ab diesem Zeitpunkt jedoch variierten in der Verhandlung die Wahrheitsversionen der Vorgeladenen drastisch. Das Auftreten des Angeklagten changierte derweil von demonstrativ verwirrt zu jovial, von völliger Ahnungslosigkeit zu beißendem Spott: "Zwei Gutmenschen haben wir hier", polterte er beispielsweise bei der Aussage des Geschädigten, die sich zumindest größtenteils mit der des Arztes deckte.

Dieser reagierte mit dem Miethai-Vorwurf konfrontiert völlig entgeistert: "Ja, um Himmels Willen - das Gegenteil war ja der Fall." Natürlich habe er den Wunsch gehabt, so schnell wie möglich zu bauen, aber die Frau auf die Straße zu setzen sei nie eine Option gewesen. "Unter so einem schlechten Omen kann ich doch kein Haus für meine Familie bauen", sagte der Münchner. "Gibt das schlechtes Karma, oder was?", ätzte daraufhin der Anwalt des Maklers - nur ein vorläufiger Tiefpunkt der Verhandlung.

Nachvollzogen werden konnte, dass ein Arrangement getroffen wurde, bei dem die Wohnung des Geschädigten angemietet wurde, wobei die preisliche Differenz zwischen der alten und der Übergangswohnung von dem Münchener Arzt übernommen wurde. Die Zahlungskette verlief somit folgendermaßen: Die Mieterin zahlte ihren Anteil an den Arzt, dieser leitete das Geld an den Makler weiter und - so zumindest in den ersten Monaten - von dort aus wurde es auf das Konto des Geschädigten überwiesen. Bis auf den letzten Monat, da fehlten plötzlich mehr als 800 Euro. Der Angeklagte zog sich, da sind sich der Geschädigte und der Zeuge einig, zurück und reagierte auf Anrufe nicht, beziehungsweise dem Geschädigten gegenüber sogar aggressiv.

Dass es sich bei der unterschlagenen Geldsumme nicht um die einzige Gaunerei des Angeklagten handelte, wurde im Laufe der Verhandlung zunehmend offensichtlich. Sowohl der Zeuge als auch der Geschädigte sprachen von hohen Bargeldsummen, die sich der Makler auszahlen ließ - immer mit dem Versprechen, alles zu regeln. 3000 Euro zahlte ihm der Geschädigte im Glauben, er werde im Falle einer gescheiterten Vermittlung sein Geld wiedersehen. "Ich hab mir das nicht schriftlich geben lassen, bei uns auf dem Land ist ein Handschlag noch mehr wert als eine Unterschrift", rechtfertigte er sich.

Nach fast vierstündiger Verhandlung ordnete Richterin Vera Hörauf eine Rechtsbesprechung an, infolge derer der Angeklagte ein Geständnis ablegte. Außerdem gab er den Streitbetrag in bar zurück - nur deshalb wurde von der Haftstrafe abgesehen. Aus den fünf Eintragungen im Bundeszentralregister geht hervor, dass er bereits zweimal auf Bewährung zu Haftstrafen verurteilt wurde und einschlägig bekannt ist. "Verstehen Sie das als letzte Chance", wandte sich die Richterin zum Schluss an den Makler.

© SZ vom 08.09.2016 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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