Ebersberg:Letzte Warnung

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19-Jähriger bekommt nach Schlägerei noch einmal eine Chance

Von Wieland Bögel, Ebersberg

Mit einem sehr unschönen Souvenir kam ein junger Mann im vergangenen Sommer von einem Barbesuch nach Hause: einem gebrochenen Unterkiefer. Etwas mehr Glück hatte einer seiner Saufkumpane, er kam mit einem blauen Auge davon - im Wortsinne. Verantwortlich für beide Taten ist ein heute 19-Jähriger, der dafür nun vom Amtsgericht zu einer Jugendstrafe von einem Jahr und zehn Monaten auf Bewährung verurteilt wurde.

Begonnen hatte die Angelegenheit ganz harmlos mit einer Geburtstagsfeier in einer Ebersberger Bar. In einer Rauchpause vor der Tür, so schilderten es die Geschädigten und ein weiterer aus der Geburtstagsrunde, sei dann der Angeklagte aufgetaucht. Irgendwann habe er plötzlich angefangen, sie zu beschimpfen und versucht, zwei von ihnen in den Schwitzkasten zu nehmen. Sie hätten den Pöbler dann mehrmals aufgefordert zu verschwinden, schließlich habe ihn einer von ihnen zur Seite geschubst. Daraufhin habe der Angeklagte dem Schubser einen Faustschlag ins Gesicht versetzt, worauf es zu einer Rangelei vor der Bar gekommen sei. Wenig später habe einer der Freunde des Geschädigten den Angreifer in ein Taxi steigen sehen. Als er ihn zur Rede stellen wollte und die Personalien forderte, habe ihm der Angeklagte aufs Auge geschlagen und sei mit dem Taxi weggefahren.

Die Folgen des Ausrasters waren zumindest beim ersten Geschädigten durchaus drastisch: "Ich hatte das Gefühl, dass die Zähne nicht mehr aufeinanderpassten und den Mund konnte ich auch nicht richtig öffnen." Im Krankenhaus war dann ein Kieferbruch und ein eingeklemmter Nerv festgestellt worden. Der 25-Jährige musste operiert werden, bis heute hat er eine Platte im Kiefer. Auch sei das Gefühl in der unteren Gesichtshälfte immer noch eingeschränkt, so der junge Mann, "manchmal, wenn ich etwas Kaltes esse, fühlt es sich warm an." Dass es der Angeklagte gewesen sei, der ihm den Schlag versetzte, stand für den Zeugen zweifelsfrei fest. Er hatte den 19-Jährigen bereits einige Tage nach der Schlägerei auf Fotos in der Bar wiedererkannt, aufgrund dessen konnte die Polizei ihn dann identifizieren. Der Angeklagte selbst wollte gar nicht bestreiten, dass er vor der Bar in der Ebersberger Innenstadt herumgeschlägert hatte - er konnte aber auch nicht viel zur Aufklärung beitragen. Denn nach eigenen Angaben war er zum betreffenden Zeitpunkt viel zu betrunken, um sich hinterher an die Prügelei erinnern zu können. "Sollte es so gewesen sein, und das war es wohl, dann tut es mir sehr leid", versicherte er dem Zeugen, "ich will es wieder gut machen." "Ich will keinen abkassieren", entgegnete der Geschädigte und nahm die Entschuldigung an.

Begonnen habe der Angeklagte mit der Trinkerei bereits am Abend zuvor, wie viel, das konnte er nicht mehr genau sagen. Es seien mindestens vier Bier und drei bis vier Schnäpse innerhalb von etwa zwei Stunden gewesen. Zeugen schilderten den Zustand des jungen Mannes an dem Abend der Schlägerei als stark betrunken. Eine als Sachverständige geladene Gerichtsmedizinerin berechnete, dass der 19-Jährige zum Tatzeitpunkt zwischen 2,1 und 2,7 Promille Alkohol im Blut hatte. Damit sei er zwar nicht komplett schuldunfähig, aber es liege eine verminderte Schuldfähigkeit vor. Dass er dennoch eine vergleichsweise hohe Strafe erhielt, liegt daran, dass der junge Mann für die Justiz kein Unbekannter ist. Er ist bereits sechs Mal vorbestraft, meist wegen Eigentums- und Drogendelikten, wegen letzteren wurde er erst im Januar zu einer 14-monatigen Bewährungsstrafe verurteilt. Trotzdem solle das Gericht auch diesmal eine Bewährungsstrafe verhängen, empfahl Sven Kautz von der Jugendgerichtshilfe. Denn der Angeklagte habe sich inzwischen sehr gebessert. Wenige Wochen nach der Schlägerei hat er eine Ausbildung zum Verkäufer begonnen. Diese laufe sehr gut.

Sowohl Verteidigung wie Staatsanwaltschaft schlossen sich dieser Auffassung an, letztere forderte aber, den Angeklagten zumindest kurzfristig einzusperren in Form eines Warnschuss-Arrests. Einen solchen Arrest hielt Richterin Vera Hörauf nicht für nötig: "Wenn wieder etwas vorfällt, dann ist Schicht im Schacht, dann fährt der Angeklagte ein. Das ist Warnung genug."

© SZ vom 27.05.2015 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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