Ebersberg:Kunst im Einklang mit der Natur

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Schmieden Pläne für die Zukunft des Skulpturenpfads: Franz Wörle, Ingrid Wieser-Kil, Rainer Dewens und Johannes Gottwald (von links). (Foto: Peter Hinz-Rosin)

Kandidaten für Tassilo: Mehrere Bildhauer und eine Malerin haben im Ebersberger Forst einen eindrucksvollen Skulpturenpfad mit überraschenden Perspektiven geschaffen

Von Rita Baedeker, Ebersberg

Noch vor vier Jahren war der Skulpturenweg im Ebersberger Forst ein Trampelpfad, auf dem außer Fuchs, Hase und Wildschwein keine Seele unterwegs war; nicht mal zum Gute-Nacht-Sagen. Das hat sich grundlegend geändert, seit sich im Herbst 2012 hier zwischen Hainbuchen, Fichten, Moos und Pilzen an zunächst sieben ausgewählten Stationen die Kunst breit machte. Kunst, die sich mit der Natur des Waldes, seiner Topografie, seinem Licht, seinem dämmrigen Grün und seinem dichten Unterholz verbindet wie in gegenseitiger Umarmung.

Nun trifft man auf diesem vom Forstbetrieb Wasserburg auf die Spurweite von Kinderwägen verbreiterten, abschnittweise gekiesten und beschilderten Weg zahlreiche Spaziergänger an. Sogar auf Mountainbikes sind sie unterwegs. In einschlägigen Wandertipps wird der Weg als schöner Ausflug mit Kindern angepriesen.

Der Skulpturenpfad, der vom Forsthaus Hubertus zweieinhalb Kilometer durch Hochwald und Unterholz führt, geht auf die Initiative des Straußdorfer Bildhauers Franz Wörle zurück. Er rief eine Handvoll Künstlerkollegen zusammen: die Malerin Ingrid Wieser-Kil, die Bildhauer Hubert Maier, Johannes Gottwald und Christian Hess sowie Paul Havermann aus Dachau. Von Anfang an dabei waren auch der Forstbetrieb Wasserburg und die Schutzgemeinschaft Ebersberger Forst. Der Staat ließ Bäume fällen. Sogar eine dicke Fichte, wie Joachim Kessler, stellvertretender Betriebsleiter der Forstbehörde Wasserburg, erklärte, wurde der Kunst geopfert. Der Staat gab auch etwas Geld, doch ein Budget gibt es für das Projekt nicht. Die Menschen, so Kessler, sollten durch die Aktion den Wald auf andere, neue Art kennenlernen; für die Wildschweine sei es eine "museumspädagogische Maßnahme".

Vom "Sesam-öffne-dich" aus bunten Holzstäben von Paul Havermann, die am Anfang und am Ende des Wegs wie gigantische Mikadostäbe über dem Kopf schweben und unterwegs farbige Wegmarken bilden, führt der Pfad vorbei an Ingrid Wieser-Kils zwischen Bäume gespanntem auf wetterfeste Folie gedrucktem Gemälde "Der Taucher". Je nach Lichteinfall, Tages- und Jahreszeit verändert sich das Motiv. Etwas blasser seien die Farben geworden, hat sie festgestellt. Orkan Niklas hat daran gezupft, nun aber leuchtet das Bild wieder fest verankert durchs Buchenlaub. Die Tauchfahrt in den Wald kann beginnen.

Bombenfest stehen dagegen Franz Wörles eiserne Tore und Seelenhäuschen, Stationen der Besinnung und des Transits in eine andere, auch jenseitige Welt. Längst haben Passanten sich der Häuschen und Stelen bemächtigt und die Arbeiten mit Steinmandln, Zapfen und Zweigen geschmückt. Ähnlich ergeht es Hubert Maiers mächtigem Granitblock "Honung" mit den in den Stein geschnittenen wabenförmigen Höhlungen. Keine der Öffnungen, in der nicht Moosballen, Steine, Erde und ab und zu auch ein dicker schwarzer Käfer lägen.

Johannes Gottwald aus Berganger entdeckte nach dreieinhalb Jahren rund um seine gigantische, "Tipi" genannte Installation aus mächtigen mit der Kettensäge bearbeiteten Fichtenstämmen allerlei "Begehungsspuren" im knöchelhohen Gras. An deren Verteilung könne man gut erkennen, wie Spaziergänger das Tipi erkundeten. Inzwischen ist das Holz ein wenig grauer geworden. Auch bei seinem "Sakralbau" genannten Objekt erkennt man das Wirken der Witterung. Die Baumrinde hängt in Fetzen herunter. "Es ist nicht leicht, so etwas wie den Skulpturenpfad auf die Beine zu stellen, zu pflegen und weiterzuführen", sagt Gottwald, der es genießt, dass man hier im Forst nicht so wie in einer Ausstellung von einer Arbeit zur nächsten gucken kann, dass die Kunst an keiner Stelle die Natur verdrängt, ihr widerspricht.

Als "museumspädagogische Maßnahme", wie von Kessler angedeutet, begreifen auch die Wildschweine den Weg nicht. Franz Wörle hat auf der Oberseite seines "Bodentors" zwar Rüsselabdrücke festgestellt. "Die Schweine sind aber mehr auf Salze aus dem Metall scharf." Der "Ikarus" des verstorbenen Moosacher Actionkünstlers Otto Dressler, der von Orkan Niklas im vergangenen Jahr - welche Ironie - zum Absturz gebracht wurde, ist inzwischen aber wieder zwischen zwei Bäumen fest verankert. Auch einige der schillernden Käferpanzer aus Kunstharz von Peter Pohl wurden vom Sturm zertrümmert. Das Areal mit den baumhohen Hausumrissen von Rainer Devens jedoch blieb unverrückbar stehen. "Meine Idee war, etwas seiner Bestimmung zuzuführen, das schon da ist", sagt der Wasserburger. Heißt: Gewachsene Stämme an Ort und Stelle zu den rot bemalten Umrissen von Häusern samt Giebeln zu verbinden. Die Natur arbeite sich aber auch daran ab; das Holz werde moosig. Ein paar Blessuren haben auch die Blattringe von Christian Hess davongetragen, die Draht-Installation "Quadratur des Kreises" von Angelika Summa aus Würzburg ist so sehr ins Grün eingewachsen, dass man genau hinschauen muss, um sie von der Vegetation zu unterscheiden.

Anfangs war der Pfad für ein Jahr geplant. 2014 folgte die Erweiterung. Nun will man künstlerisch "aufforsten". Franz Wörle, der diesen Sommer ein Landart-Projekt in den Karpaten realisiert, würde gerne die nahe gelegene Kiesgrube im Forst für ein ähnliches Projekt nutzen; außerdem könnte er sich eine Verbindung und Verlängerung zum Museum für Wald und Umwelt auf der Ebersberger Ludwigshöhe vorstellen. "Auf diese Weise könnte man den Skulpturenpfad in Kunstleistungskurse an Schulen einbinden", sagt er. Als engagierte und ehrenamtliche Waldarbeiter für die Kunst und für ein im Raum München einmaliges Projekt werden die Künstler rund um Franz Wörle für einen Tassilopreis der SZ nominiert.

Den Kulturbetrieb im Münchner Umland fördern, das ist Ziel des Tassilopreises der Süddeutschen Zeitung. Leserinnen und Leser können Personen und Gruppen vorschlagen, die im Landkreis künstlerisch wirken oder in der Kulturarbeit aktiv sind. Vorschläge bitte per Post, Fax oder Email schicken an: SZ Redaktion, Ulrichstraße 1, 85560 Ebersberg, Fax: (08092) 82 66 80, Mail: tassilo@sueddeutsche.de. Einsendeschluss ist Samstag, 21. Mai.

© SZ vom 12.05.2016 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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