Bürgerentscheide:Die Folge sind Kritik, Lob und Unmut

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Die teure Sanierung ihres Hallenbades haben die Glonner per Bürgerentscheid durchgesetzt. (Foto: Christian Endt)

Seit 20 Jahren gibt es in Bayern Bürgerentscheide - im Landkreis Ebersberg gab es davon 16. Statt zu Harmonie führen sie mitunter aber auch zur Spaltung von Dorfgemeinschaften wie jüngst in Bruck.

Von Max Nahrhaft, Ebersberg

Das Volk ist der Souverän. Um diesem Ideal gerecht zu werden, können seit 1995 die Bürger nicht nur in Wahlen Einfluss auf die Politik nehmen, sondern auch durch kommunale Bürgerentscheide über besonders brisante Themen abstimmen. Eine Möglichkeit, die in Bayern häufig genutzt wurde. So auch im Landkreis Ebersberg, wo es seitdem 35 Bürgerbegehren gab, aus denen 16 Bürgerentscheide resultierten. Ein 17. ist in Vorbereitung. Eine Moosacher Initiative will einen Gemeinderatsbeschluss zum Bau einer Flüchtlingsunterkunft kippen und ein dezentrales Konzept durchsetzen. Über ein daraus folgendes Bürgerbegehren, das den Bürgerentscheid zur Folge haben könnte, berät der Gemeinderat am kommenden Montag.

Am streitbarsten sind der Statistik zufolge die Grafinger und die Glonner, dort erzwangen die Bürger jeweils drei Urnengänge. In zwölf der 21 Städte und Gemeinden im Landkreis wurde hingegen noch kein Bürgerbegehren abgehalten. Das mag mit dem nicht immer einfachen Weg vom Bürgerbegehren zum Bürgerentscheid zu tun haben. Im Landkreis fanden die ersten Entscheide 1997 für den Bau einer Aldi-Filiale in Ebersberg und für eine zentrale Abwasserbeseitigung in Bruck statt. In den Folgejahren wurde auch über den Bau von zwei getrennten Feuerwehrhäusern in Pliening und Gelting, ein Seniorenheim in Zorneding und wiederholt über umstrittene Baugebiete in Vaterstetten das Votum abgegeben.

Die jüngsten Begehren gab es in Grafing

In den Jahren 2003 bis 2007 entschieden sich die Glonner gegen den Verkauf der Schwaigerwiese und in Anzing wurde der Neubau des Rathauses beschlossen. Gescheitert sind zwei Bürgerbegehren gegen die Ost-Umfahrung in Grafing und das Heizkraftwerk in Glonn (2008) sowie gegen einen Einkaufsmarkt in Pliening im Jahr 2009. Ein Jahr später setzte sich die Gemeinde mit ihrem Standort für ein neues Seminarhaus in Pliening durch. 2012 haben sich die Kirchseeoner Bürger nur ganz knapp für die südliche Umgehungsstraße entschieden. Ein Jahr später entschlossen sich die Glonner, mehrheitlich für eine Renovierung des Hallenbads die Stimme abzugeben.

In der jüngsten Vergangenheit haben die Bürgerbegehren zum Taglachinger Gewerbegebiet und das Begehren "Pro Ro" in Grafing Schlagzeilen gemacht. Die Grafinger CSU hatte überlegt, ein Gemeindegrundstück in der Rotter Straße zu verkaufen, um den Gemeindehaushalt aufzubessern. Dagegen formierte sich erfolgreicher Widerstand der Bürger, die den Standort als Bildungs- und Kultureinrichtung der VHS erhalten wollten. Sie konnten sich durchsetzen und erreichten in einem Ratsbegehren den Erhalt des Gebäudes.

Die Debatte über die Nutzung wurde jetzt aber in Folge des Zustroms von Flüchtlingen nach Deutschland erneut angestoßen. Es wird nun darüber diskutiert, das Gebäude für die Unterbringung von Flüchtlingen zu nutzen, weil auch der Volkswille eines Bürgerentscheides keinen Ewigkeitscharakter hat und sich im Laufe der Zeit wandeln kann: Ereignisse wie die aktuelle Flüchtlingskrise können frühere Entscheidungen revidieren, die primär nichts mit ihnen zu tun haben.

Entscheide können auch unsachliche Diskussionen hervorrufen

Im Streit um das Gewerbegebiet in Taglaching konnten viele Bürger nicht nur Positives in dem Bürgerentscheid für einen Planungs-Stopp erkennen. Da die Gemeinde Bruck ein Zusammenschluss mehrerer Ortschaften ist, waren Bürger stimmberechtigt, die vom Bau des Gewerbegebiets gar nicht betroffen sind. Der Entscheid hat eine zum Teil unsachliche Diskussion entfacht, die die Gemeinde in Gegner und Befürworter des Gewerbegebiets entzweite. Schussendlich wurde für den Bau entschieden. Dabei hatte die Einführung kommunaler Volksbegehren eigentlich den Sinn, harmoniestiftend zu wirken und nicht zu Anfeindungen zu führen.

Kritik an dieser Form der Mitbestimmung kommt auch von der Bürgeraktion "Mehr Demokratie e.V.", der in der Vergangenheit besonders aufgefallen ist, dass viele der eingebrachten Bürgerentscheide am nötigen Mindestquorum scheiterten. Das heißt, dass besonders in den größeren Gemeinden zu wenig Bürger ihre Stimme abgeben und der Entscheid damit seine Gültigkeit verliert. Die Bürgeraktion fordert deswegen die Landesregierung auf, die Quoren abzuschaffen oder zumindest herunterzusetzen.

Auch nach 2o Jahren Bürgerentscheid im Freistaat unterscheiden sich Wunsch und Realität. Trotzdem wurden nach Zahlen von "Mehr Demokratie e.V." im Landkreis Ebersberg mehr Bürgerentscheide umgesetzt als dies im bayernweiten Durchschnitt der Fall ist.

© SZ vom 16.02.2016 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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